Mehrere hundert Kurd_innen und solidarische Internationalist_innen und Kriegsgegner_innen versammelten sich am 22.Oktober am U-BHF Hermannplatz in Berlin – Neukölln um gegen den Einmarsch der türkischen Armee im Nordirak (Südkurdistan) und die Verhaftungswelle gegen kurdische Aktivist_innen zu protestieren. Seit dem Morgen des 19.Oktober läuft in den kurdischen Gebieten der Türkei und des Nordiraks eine umfassende Militäroperation der türkischen Armee gegen angebliche Stellungen der kurdischen Guerilla mit Unterstützung der islamischen Repubik Iran, der irakischen Autonomiebehörde, der Europäischen Union und der USA. Begleitet werden die Militäroperation von Repressions- und Verhaftungswellen gegen die zivile kurdische Opposition (Seit April 2009 wurden über 8000 legal arbeitende Aktivist_innen verhaftet) und Massenmobilisierung der rechter und nationalistischer Türkischer Gruppen, die in der Türkei und Europa in Übergriffen auf angebliche Kurd_innen und ihre Geschäfte gipfelten.
Aus Protest gegen den türkischen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und die Unterstützung dieses Massakers durch die deutsche Regierung riefen kurdische Vereine und antifaschistische Gruppen zu einer „internationalistischen Solidartiätsdemonstration“ von Neukölln nach Kreuzberg auf. Die Berliner Polizei war mit einem Großaufgebot aufgefahren und zog alle Register um die Anti-Kriegs-Demonstration zu verhindern. Schon in den Vorkontrollen wurden die Aktivist_innen bis auf die Unterhose durchsucht, um Fahnen der kurdischen Arbeiterpartei PKK oder deren Nachfolgeorganisation KCK sicherzustellen. Auch Fahnenstöcke wurden von der Polizei im großen Umfang beschlagnahmt, obwohl sie den Auflagen entsprachen. Später weigerte sich die Polizei die Demonstration losgehen zu lassen, weil Plakate mit dem Konterfei des seit 10 Jahren auf der Gefängnissinsel Imrali unter Isolationshaft gefangengehaltenen ehemaligen PKK-Vorsitzenden Abdullah „Apo“ Öcalan gezeigt wurden. Nachdem die „verbotenen“ Plakate vorübergehend verschwunden waren (auf eine Beschlagnahmung verzichtete die Polizei an dieser Stelle noch), weigerte sich die Polizei abermals die Demo losgehen zu lassen weil angeblich Parolen für Öcalan gerufen wurden und auch das als „Werbung für die PKK“ per Demonstrationsauflagen verboten sei. Nachdem die Rufe vorübergehend verstummt waren, setzte sich die Demonstration langsam in Bewegung. An der Ecke Hermannstraße/Sonnenalle provozierten ein paar türkische Faschist_innen mit dem Gruß der „Bozkurts“ worauf es kurzzeitig zu Tumulten kam. Die Polizei verstärkte ab diesem Zeitpunkt ihre Präsenz an der Demo (die vorher schon massiv war) beträchtlich. Behelmte Riot-Cops begleiteten die Demonstration ab nun mit einem sehr engen Spalier und liefen zeitweise grundlos in der Demonstration herum. Appelle der Veranstalter die materialistischen Eskalationsgesten sein zu lassen zeigten bei der Berliner Polizei wie zu erwarten keinerlei Wirkung. Diese stoppte die Demonstration alle paar Meter weil angeblich Parolen für Öcalan und/oder die PKK gerufen worden seien und filmte die Teilnehmer_innen massiv. Für den kurzen Weg zwischen Hermannplatz und Kottbusser Tor brauchte der Demozug wegen der Schikanen der Polizei über 2 Stunden. Darüberhinaus kam der Umstand das die Polizei die Demonstration immer genau dann stoppte wen türkische Nationalist_innen oder Faschist_innen mit Fahnen oder „Bozkurt“-Gruß aus ihren Wohnungen heraus versuchten die Demonstranten zu provozieren. Nachdem Bozkurts einige Flaschen in die Demo geworfen hatten und auch einige aus der Demo zurückflogen ging die Polizei das erste Mal mit massiver Gewalt in die Demo rein und nahm mehrere Leute fest. Ein über 60-Jähriger Kurde der schlichten wollte wurde dabei von der Polizei zu Boden gestoßen und brutal zusammengeschlagen. Ab diesem Zeitpunkt ging die Polizei immer wieder unangekündigt in die Demonstration um einzelne Leute rauszugreifen oder Gegenstände zu beschlagnahmen, wie zum Beispiel Stangen an denen Transparente befestigt waren. Von einem Haus an der Kottbusser Brückle grüßten eine handvoll Vermummter mit einer überdimensionalen PKK-Fahne und Bengalos die Demonstranten und sorgten für etwas Aufmunterung bei der sonst Dank der Polizei ziemlich anstrengenden Demonstration. Am Kottbusser Tor gab es eine kleine Zwischenkundgebung, wo ein Vertreter der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) eine Redebeitrag über die Unterdrückung der kurdischen Befreiungsbewegung in der Türkei und der BRD hielt, bevor es über die Adalbertstrasse und Oranienstrasse weiter zum Abschlussort ging, dem Oranienplatz. Dort wurde auf die Polizeirepression und die Schikanen während der Demonstration und die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in der BRD ein weiteres Mal eingegangen und dazu aufgerufen sich an einer bundesweiten Grossdemonstration am 26.November in Berlin unter dem Motto „PKK-Verbot aufheben! Demokratie stärken!“ zu beteiligen. Ausserdem wurde auf einem Aufmarsch rechter türkischer Gruppen aufmerksam gemacht der am 23.Oktober in Neukölln/Kreuzbergs stattfinden soll und bei dem es die Gefahr antikurdischen Ausschreitungen besteht. Deshalb wurde dazu aufgerufen „antifaschistischen Selbstschutz“ zu praktizieren und Kreuzberg gegen die Faschisten zu verteidigen, „egal ob Bozkurt oder NPD!“. Nach Beendigung der Demonstration nahm die Polizei noch mehrere Menschen brutal fest, worauf die ehemaligen Kundgebungsteilnehmer_innen mit einer Sitzblockade antworteten. Ein weiteres Mal hat sich am Samstag gezeigt das das Demonstrationsrecht für Kurd_innen und Linke in diesem Land nur eingeschränkt Gültigkeit hat.
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