Nach
einer Häufung rassistischer Übergriffe auf AsylbewerberInnen kam es
am Abend des 14.10.2011 zu einer Konfrontation zwischen MigrantInnen
und dem Sicherheitsdienst einer Disco in der Plauener Innenstadt.
Presse, BetreiberInnen und Nazis waren sich schnell einig – es
handelt sich um einen Fall von „Ausländerkriminalität“.
In den Mittagsstunden des 14.10.2011 wurden drei Bewohner des Plauener Asylbewerberheims im Eingangsbereich der Stadtgalerie (einem Einkaufszentrum in der Stadtmitte) von dort tätigen Securitys erst bedroht und schließlich körperlich angegriffen. Dabei wurden die drei Migranten teils erheblich verletzt. Die herbeigerufene Polizei weigerte sich, die AngreiferInnen zu identifizieren. Kurz darauf wurde ein weiterer Asylbewerber hinter der Stadtgalerie mit einem Metallstuhl niedergeschlagen. Er trug erhebliche Kopfverletzungen davon. Offensichtlich geht dieser Übergriff auf einen Angehörigen des gleichen Sicherheitsdienstes zurück. Am Abend wurde schließlich mehreren AsylbewerberInnen der Zutritt zur Discothek „N1“, ebenfalls in der Innenstadt gelegen, verwehrt. Kurz darauf entwickelte sich eine handfeste Auseinandersetzung zwischen ca. 25 MigrantInnen und einigen Securitys der Disco sowie deren Sympathisanten. Dabei gingen unter anderem Fensterscheiben zu Bruch. BeobachterInnen des Vorfalls sprechen davon, dass die MigrantInnen von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes regelrecht „erwartet“ wurden – mit Messern und Fahrradketten.
Für die Lokalpresse ein gefundenes Fressen. Mit der Schlagzeile „Asylbewerber überfallen Discothek“ wurden der Öffentlichkeit gleich Tatverdächtige und Tathergang gemeinsam serviert. Die InternetbenutzerInnen honorierten dies mit einem ganzen Sack voll rassistischen Kommentaren. Und auch nationalkonservative Onlineportale wie die „Kompakt Nachrichten“ reagierten schnell. Auch die Polizei ließ sich etwas einfallen: noch Freitag Nacht wurde die Innenstadt nach MigrantInnen durchkämmt, was in der willkürlichen Festnahme zweier Bewohner des Asylbewerberheims endete. Diese sehen sich nun mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruchs konfrontiert (anscheinend ist es ein Verbrechen, sich als „Nicht-Deutscher“ nachts in der Innenstadt aufzuhalten). Am Samstag verschaffte sich schließlich die Polizei, ohne Rücksicht auf Hausrecht und Privatsphäre der BewohnerInnen, Zugang zum Plauener Asylbewerberheim in der Kasernenstraße. Dabei wurden Privaträume geöffnet und sämtliche anwesenden BewohnerInnen abfotografiert.
Mehrere rassistische Angriffe in der Vergangenheit
Wie ist die Vorgeschichte dieses Vorfalls? Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes „C.O.P.S.“, welcher sowohl für die Stadtgalerie als auch für das „N1“ zuständig ist, griffen in der Vergangenheit immer wieder MigrantInnen willkürlich an. So sind Vorfälle aus der mittlerweile geschlossenen Discothek „Prince“ und dem „N1“ bekannt, die mit rassistischen Pöbeleien begannen und für die MigrantInnen teils im Krankenhaus endeten. In den Wochen vor der Konfrontation kam es zu weiteren Übergriffen mit rassistischem Hintergrund. Ende September wurde ein Migrant in der Nähe des Kulturzentrums „Alte Kaffeerösterei“ von mindestens 4 Angreifern niedergeschlagen. Auch in der Bergstraße nahe des Clubs „Ranch“ griffen mehrere Personen einen Migranten an. Die rassistische Grundstimmung ging mittlerweile so weit, dass in den letzten Wochen sämtlichen „ausländisch“ anmutenden Menschen der Zutritt zur Discothek N1 verwehrt wurde.
Number One, Sicherheitsdienst C.O.P.S. und NPD-KV Vogtland – Geschichten aus dem braunen Sumpf
Dass das „N1“ schon lange nicht nur Partylocation feierwilliger VogtländerInnen ist, sondern Homezone provinzieller Nazicliquen und rassistischer Schlägertrupps, die dort sogar die Tür bewachen dürfen, scheint der Öffentlichkeit keine Meldung wert zu sein. Und so sind sich „Freie Presse“, der NPD-Kreisverband und die Nazikameradschaft RNJ Vogtland einig wie selten zuvor: es handelt sich um einen Fall schlimmster „Ausländerkriminalität“.
Discobetreiber Uwe Seidel zeigt gegenüber der Freien Presse seine geistige Nähe zu den Nazischlägern, die in seinen Läden den Einlass bewachen: von einem Racheakt ist die Rede, und in verharmlosender Weise spricht er von „verschärften Einlassregeln für Ausländer“ (Freie Presse vom 17.10.). Denken wir einen Moment über diese Logik nach: werden MigrantInnen in Discotheken von uniformierten Schlägernazis angegriffen, sind das verschärfte Einlassregeln. Wehren sie sich, ist es Rache und Kriminalität. Mittlerweile wurde bekannt, dass die Number One Spielautomaten GmbH nicht nur zufällig im selben Gebäude wie das lokale „Bürgerbüro“ der NPD residiert – sie ist offensichtlich Eigentümer des Gebäudes und damit Vermieter der NeofaschistInnen.
Zivilgesellschaft, Rassismus und erster Gegenwind
Die Diskriminierung von MigrantInnen und ihre Internierung in einer alten Kaserne am Rande der Stadt war der Plauener Zivilgesellschaft bisher nur ein bedauerndes Schulterzucken wert. Der rassistische Hintergrund von Einlassverboten in Discotheken, nächtlichen Übergriffen und alltäglicher Diskriminierung z.B. im öffentlichen Nahverkehr blieb weitestgehend unbemerkt. Nun geht ein Aufschrei durch die Stadt. Die Plauener Volksgemeinschaft hat scheinbar endlich einen bejammernswerten Fall, der sie in ihrer nationalen Identität wieder zusammenschweißt und außerdem eine Schlagzeile, welche die Auflagen der lokalen Wurstblätter in die Höhe schnellen lässt. Problematisiert die Öffentlichkeit nicht den täglichen Rassismus in Zivilgesellschaft sowie die Seilschaften zwischen lokalen Nazis, Sicherheitsdiensten und DiscobetreiberInnen, drohen bald Hoyerswerdaer oder Rostock-Lichtenhagener Zustände. Erste Drohungen eines Überfalls auf das Wohnheim wurden schon laut.
Dennoch begann sich gegen Mitte der Woche ein langsamer Wandel in der Wahrnehmung des Vorfalls abzuzeichnen. Der Vivere e.V. (Trägerverein der Kontaktstelle gegen Rechts) veröffentlichte gemeinsam mit der RAA Sachsen e.V. und der Opferberatung Chemnitz eine Pressemitteilung, in der die einseitige Berichterstattung der Lokalpresse und die rassistischen Einlassverbote in der Discothek „N1“ kritisiert wurden. Auch „Freie Presse“, Frankenpost und sogar das MDR beginnen nun, die rassistische Stimmung im Nachgang der Auseinandersetzung zu thematisieren. Antifaschist_Innen aus der Region sind sich einig: es ist mehr denn je nötig, dem Alltagsrassismus in der Region offensiv zu begegnen. Ob im „N1“ oder anderswo....
Naziseilschaften angreifen - Prolldisco „N1“ abreißen – Sicherheitsdienst „C.O.P.S.“ dichtmachen!
aktuelle Infos unter: http://agv.blogsport.de
Pressespiegel:
Gemeinsame
Pressemitteilung RAA Sachsen e.V. / Vivere e.V. - Offene
Diskriminierung in
Plauen
http://move-vogtland.de/aktuelles-lesen/items/gemeinsame-pressemitteilung-raa-sachsen-ev-vivere-ev-offene-diskriminierung-in-plauen.html
Scharfe
Kritik an
"Ausländer"-Verbot
http://move-vogtland.de/pressespiegel-details/items/scharfe-kritik-an-auslaender-verbot.html
Gewalttätiger
Angriff auf Diskothek am Klostermarkt
http://www.freiepresse.de/LOKALES/VOGTLAND/PLAUEN/Gewalttaetiger-Angriff-auf-Diskothek-am-Klostermarkt-artikel7790598.php
Plauen:
Angriff auf
Diskothek
http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Plauen-Angriff-auf-Diskothek-artikel7790105.php
Disco-Überfall: War die Randale Racheakt?
http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/art2388,1783349
Nach
Angriff auf Plauener Disko: Betreiber verschärft
Einlassregeln
http://s1.directupload.net/images/111019/dw9r6ctm.jpg
Videobeitrag
vom MDR
Sachsenspiegel:
http://www.mdr.de/sachsenspiegel/video19448.html