Am 13.10.2011 beginnt in Morsleben die Erörterung der Einwendungen gegen die Pläne, in einem ehemaligen Salzbergwerk Atommüll zu endlagern. Der konkrete Schließungsplan des Betreibers sieht eine Verfüllung mit Beton vor. Der eingelagerte Atommüll wäre dann nicht mehr rückholbar. Genau das Szenario, das bei der Asse vorerst abgewendet werden konnte, soll in Morsleben eintreten - weltweit einmalig. Dieser Schließungsplan muss gestoppt werden!
Das Video zu Morsleben (kann gerne weiter verbreitet werden) | Weitere Bilder | Termine und weiteres | Morsleben auf der Karte | Zeittafel, radioaktives Inventar, Sicherheitsprobleme, Forderungen, unabhängige Organisationen | Wanderausstellung | Morsleben-Kampagne | kunstprojekt "steine für morsLeben" will verbindung herstellen zwischen der atommüllkippe morsleben und dem einzelnen menschen. | facebook
Am 21. Dezember 2009 ging die Auslegungs- und Einwendungsphase zum Stilllegungsverfahren des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) zu ende. Es gab 12.000 Einwendungen von betroffenen Menschen aus der Region und darüber hinaus.
Mehrere Aktionen von AtomkraftgegnerInnen hatten in den Wochen zuvor auf die untragbaren Zustände im ERAM hingewiesen und dazu aufgefordert, gegen das katastrophale Stilllegungskonzept des Betreibers der Anlage, des Bundesamtes für Strahlenschutz, zu protestieren.
Ein Endlager für radioaktive Abfälle muss eine Langzeitsicherheit für mindestens 1.000.000 Jahre gewährleisten. Das zumindest ist Stand der Wissenschaft in Deutschland. Eigentlich muss der zu betrachtende Zeitraum noch größer angesetzt werden, da die ionisierende Strahlung, die von den radioaktiven Abfällen ausgeht weit länger anhält.
Kein Behältermaterial ist in der Lage Langzeitsicherheit zu gewähren. Abhängig vom Behältertyp sind Haltbarkeiten von 5 bis 70 Jahren wahrscheinlich. Selbst die Herstellerfirmen wagen es nicht deutlich höhere Haltbarkeiten zu garantieren.
Es ist unmöglich mit technischen Barrieren (vom BfS verfolgt: Salzbeton, andere Betreiber setzen aber auch auf Stoffe wie Bentonit) Langzeitsicherheit nachträglich zu schaffen. Wasser findet immer Wegsamkeiten, insbesondere in den Grenzschichten zwischen natürlichem Gestein und der technischen Barriere. Bestimmte Gesteinsformationen bieten Angriffspunkte für eintretende Wässer (z.B. Kalisalz). Solche liegen in Morsleben vor und durchziehen den gesamten Salzstock. Wasser ist ein wichtiger potenzieller Transportweg für radioaktive Partikel in die Biosphäre.
Es ist unverantwortlich Fakten zu schaffen, die schwer bis gar nicht revidiert werden können, wenn neue Sicherheitsrisiken erkannt würden oder neue Technologien eine bessere Sicherung ermöglichen könnten.
Die Lügen über die Sicherheit des ERAM durch verantwortliche Personen auf Betreiberseite und in der Bundesregierung seit der Übernahme Morslebens in den Bestand der bundesdeutschen Atomanlagen haben gezeigt, dass den Verantwortlichen nicht getraut werden darf. Skandale im Zusammenhang mit Atomfirmen und Aufsichtsbehörden haben die Medien in den letzten Jahren gefüllt. Auch wenn in Morsleben bisher nicht nachgewiesen werden kann, dass selbiges vom neuen Betreiber geschieht oder sich die Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörde so verhält, ist doch Misstrauen angebracht. Hinzu kommt, dass nun auf Bundesebene die Reaktorsicherheit von einer Person angeführt wird, die sich das Misstrauen eifrig verdient hat und verantwortlich für die Durchsetzung der Einlagerungen in Morsleben in den 90er Jahren entgegen bekannten Sicherheitsproblemen war. Das Bundesumweltministerium kann gegebenenfalls Weisungen zur Interpretation von Sicherheitsfragen und zum Vorgehen an das Landesumweltministerium erteilen und tat das in der Vergangenheit auch mehrfach.
In Morsleben zeige sich in der Vergangenheit immer wieder Fehlverhalten auf Betreiberseite: So ist aufgrund mangelhafter Erfassung eingelieferter Abfälle das Inventar bis heute nicht im Detail bekannt. Im ERAM lagert hochradioaktives Material, das nicht unter die Dauerbetriebsgenehmigung fällt und hier nicht bleiben darf.
Hinzu kommt das fehlerhafte Verhalten der Leitung des Betreibers bei der sogenannten „vorgezogenen Versatzmaßnahme“ zur Gefahrenabwehr im Zentralteil. Hier wurden etwa 800.000 Kubikmeter Salzbeton auf den höher gelegenen Sohlen des Bergwerkes eingebracht, die nun auf den Schweben des darunter liegenden Endlagerbereiches lasten und an der festgestellten Einsturzgefahr einer Decke über einer Einlagerungskammer mit radioaktiven Abfällen mitschuldig sind.
Für die Atomindustrie hatte sich der beherzte Morsleben-Einsatz der Kohl-Regierung jedenfalls gelohnt. Nur 138 Millionen Euro zahlten die Konzerne, um ihre radioaktiven Abfälle zwischen 1994 und 1998 in das Salzbergwerk kippen zu können. Die Steuerzahler werden insgesamt mindestens 2,2 Milliarden Euro aufbringen müssen, um mit den Folgen fertig zu werden. Die Bundesregierung verbucht diese Kosten als "einigungsbedingte Altlast".
Bis vor kurzem unbekannte Dokumente zeigen, wie die damalige Umweltministerin Angela Merkel Mitte der neunziger Jahre die Expertenmahnungen ignorierte - und den Weiterbetrieb der Anlage durchsetzte.
Das frühere DDR-Atommülllager Morsleben erweist sich als gigantischer Sanierungsfall. Bis vor kurzem unbekannte Dokumente zeigen, wie die damalige Umweltministerin Angela Merkel Mitte der neunziger Jahre die Expertenmahnungen ignorierte - und den Weiterbetrieb der Anlage durchsetzte.
Als Ministerin unter Helmut Kohl hatte Merkel das Lager in Morsleben stets gegen jede Kritik verteidigt. "Morsleben ist sicher", bügelte die Physikerin zwischen 1994 und 1998 alle Einsprüche ab. Und obwohl es Warnungen vieler Experten gab, ordnete sie an, die umstrittene Anlage weiterzubetreiben.
Als sich die DDR 1970 entschied, Morsleben zum atomaren Endlager auszubauen, glich der Salzstock einem Schweizer Käse. Unter der Erde waren durch den jahrzehntelangen Salzabbau riesige Kammern entstanden, die bis zu 120 Meter lang und 40 Meter breit sind. Insgesamt gibt es auf den mehreren Bergwerksetagen Wege, die 55 Kilometer lang sind und die einzelnen Sohlen und Kammern miteinander verbinden.
"Die Grube ist einer großen hydrologischen Gefährdung ausgesetzt", warnte das Deutsche Brennstoffinstitut im sächsischen Freiberg bereits 1969. Zwei Jahre später stellten die DDR-Gutachter fest: "Der zentrale Teil der Grube lässt wahrscheinlich keine ausreichende Standsicherheit erwarten." Die DDR-Behörden ließen sich durch die Einwände der Experten nie beirren. Im April 1986 erteilte das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR eine Dauerbetriebsgenehmigung.
Als die DDR 1990 unterging, wurde die Müllentsorgung kurze Zeit später gestoppt. Da hatte sich schon das BfS, das Bundesamt für Strahlenschutz, der Atom-Kippe angenommen - und das war dem Bonner Umweltministerium unterstellt. West-Fachleute wie Helmut Röthemeyer inspizierten die alte Salzgrube. Der frühere Leiter der Abteilung Endlager beim BfS besuchte im November 1990 die alten Stollen.
Er wurde von drei Wissenschaftlern begleitet, die alle erschüttert gewesen seien, sagt Röthemeyer heute: "Salzlauge plätscherte von den Wänden, es gab riesige Hohlräume, und die Decken waren offenbar teilweise instabil." Doch die Regierung ignorierte die Einwände Röthemeyers und seiner Kollegen. "Es gab klare politische Vorgaben", sagt der Strahlenexperte.
Im Westen der Republik gab es damals kein Endlager, und so stapelte sich der schwach- und mittelaktive Problemmüll in den Atommeilern. Morsleben schien die Rettung zu sein. Die schwarz-gelbe Koalition hatte schon bei der Wiedervereinigung mit der DDR vorgesorgt. Trickreich wurde juristisch festgelegt, die alte DDR-Betriebsgenehmigung für Morsleben von 1986 zu übernehmen, befristet auf zehn Jahre.
1991 warnte die Gesellschaft für Reaktorsicherheit eindringlich davor, das Bergwerk weiter als Endlager zu benutzen. Es fehle ein Langzeitsicherheitsnachweis und ein Stilllegungskonzept, kritisierten die Fachleute. Nur damit aber hätte man abschätzen können, ob und wie viel Strahlenmüll noch in die Grube gekippt werden durfte.
Trotz dieser Bedenken wurde Morsleben 1994 wieder geöffnet und die Öffentlichkeit mit positiven Gutachten beruhigt. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften konnte "keine akute Gefährdung" erkennen, und für die Reaktorsicherheitskommission war "die Standsicherheit der Grube gewährleistet". Umweltschützer wie Heinz Smital kritisieren die Gutachten von damals: "Heute weiß man ja, wie der Zustand unter Tage wirklich war. Die Expertisen können nur Gefälligkeitsgutachten gewesen sein."
In nur vier Jahren kippte die westdeutsche Atomindustrie nun 22 300 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle in das Lager und damit deutlich mehr als die DDR in zwei Jahrzehnten. Und auch deutlich mehr, als es die DDR-Betriebsgenehmigung erlaubte.
Schon bald wurde es eng unter Tage. Als die Kammern im Westfeld der Grube voll waren, wichen die Betreiber ohne neues Genehmigungsverfahren ab 1997 auf das Ostfeld aus. Im Südfeld griff man auf die umstrittene "Versturztechnik" zurück. Der Müll wurde nicht mehr in Tonnen gestapelt, sondern einfach in Hohlräume abgeworfen. Das Ex-und-hopp-Verfahren war schneller und billiger.
Das Umweltministerium in Sachsen-Anhalt intervenierte, und damit kam Merkel ins Spiel. Mitte der neunziger Jahre beklagte sich die grüne Landesministerin Heidrun Heidecke bei der Bonner Kollegin: wegen des fehlenden Langzeitsicherheitsnachweises, wegen der Ausweitung auf andere Kammern, wegen der Versturztechnik, wegen der Mengenüberschreitung. Die Proteste landeten auf dem Tisch der Physikerin Merkel. Sie war seit 1994 die zuständige Ressortchefin.
Doch Merkel blieb hart, wenn es um das "Eram" ging, das "Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben". Am 8. Juni 1995 erklärte sie ihrer Amtskollegin schriftlich, dass "es kein Sicherheitsdefizit beim Eram gibt und auch keinerlei Anlass besteht, die Einlagerung radioaktiver Abfälle in das Endlager Morsleben zu unterbrechen". Weitere Einmischung von Landesseite verbat sich die Bundesministerin ausdrücklich. Sie machte Morsleben-Entscheidungen zur Chefsache, indem sie von Sachsen-Anhalt verlangte, künftig "keine nachträgliche Auflage bzw. inhaltliche Beschränkung ohne meine vorherige bundesaufsichtliche Zustimmung zu erlassen".
Ausgerechnet die im Osten aufgewachsene Merkel bezog sich dabei auf Entscheidungen der DDR. Denn normalerweise sind die Bundesländer für die Genehmigung von Standorten für Endlager zuständig und der Bund nur für deren Betrieb. Da der Bund sich aber auf die alte DDR-Genehmigung berief, konnte Sachsen-Anhalt nur bei laufendem Betrieb ein reguläres Planfeststellungsverfahren einleiten, mit entsprechender Beteiligung der Öffentlichkeit und der Möglichkeit, Einwände einzubringen. Doch auch dieses Planfeststellungsverfahren nach bundesdeutschem Recht verlief auffallend schleppend.
Links
Morsleben-Netzwerk
Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der Geschichte des ERAM
Initiative gegen das Atommüllendlager Morsleben e.V.
BUND Sachsen-Anhalt