Die Ermittlungsgruppe bei der Kriminalpolizei Emmendingen untersucht die gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Links- und Rechtsradikalen bei Riegel.
War es Panik oder Vorsatz? Die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Links- und Rechtsradikalen am Samstagabend auf dem Pendlerparkplatz bei Riegel beschäftigt Kriminalpolizei und Staatsschutz seit Tagen intensiv. Nahm der Autofahrer den linksextremen Angreifer mit dem Auto bewusst ins Visier oder war es tatsächlich ein Unfall? Eine schwierige Frage in einem brisanten Thema, wie man auf Seiten der Ermittler weiß. Man ermittle in alle Richtungen, betont Evelyn Tampe, Leiterin der Kriminalpolizei in Emmendingen, gegenüber der BZ.
Für die Gesinnungsgenossen des schwer verletzten 21-Jährigen besteht offenbar kaum ein Zweifel daran, dass der Autofahrer, nach ihrer Darstellung ein Wortführer der Neonazi-Szene aus der Ortenau, vorsätzlich gehandelt habe. Angeblich habe die Gruppe den 29-Jährigen beobachtet, weil sie Näheres über den Treffpunkt Rechtsradikaler zu einer Party an dem Abend auskundschaften wollte. Dorthin finde nur, wer an Schleusungspunkten die "Gesichtskontrolle" des Schleusers bestehe und von ihm weitere Informationen erhalte, schildert ein Vertreter der linken Szene in Freiburg gegenüber der BZ das angebliche Prinzip. Insofern sei es unlogisch, wenn man den Schleuser attackiere, denn dann habe man ja keine Chance mehr, etwas herauszufinden.
Bei der Kriminalpolizei in Emmendingen geht man nach bisherigem Ermittlungsstand allerdings davon aus, dass es den Angriff einer Gruppe Linksextremer auf den 29-Jährigen gegeben hat. Dafür lägen Aussagen von Zeugen vor, die nach Einschätzung der Ermittler nicht an dem Geschehen beteiligt waren, so Kripochefin Tampe auf Nachfrage.
Die angeblich am Samstag in der Region geplante Neonazi-Party sollte laut Informationen auf einer Internetseite der rechtsextremen "Freien Kräfte Ortenau" und der "Kameradschaft Südsturm Baden" unter anderem zur Finanzierung einer am 22. Oktober in Offenburg geplanten Demonstration stattfinden.
Man setze alles daran, fundiert Licht ins Dunkel zu bringen und sei sich der Brisanz des Themas bewusst, so ein Sprecher der Polizeidirektion Emmendingen am Dienstag. Klar sei man sich auf Ermittlerseite aber auch darüber, dass jede Seite das Geschehen auf dem Parkplatz für ihre Zwecke instrumentalisieren werde.
Wie die linke Szene die Ereignisse bewertet, kann auf einer einschlägigen Internetseite nachgelesen werden. Dort finden sich auch Auszüge aus einer Facebook-Unterhaltung anderer Rechtsradikaler mit dem Mann, der laut Antifa-Darstellung der Autofahrer gewesen sein soll. Angaben zur Identität des Autofahrers gibt es von der Polizei aber nicht. Für die Linke ist es kein Zufall, dass der Facebook-Autor drei Tage zuvor gegenüber Gesinnungsgenossen auf eine Auseinandersetzung gehofft habe, bei der er in vermeintlicher Notwehr eine "Zecke" – so der rechtsextreme Jargon für linksextreme Antifaschisten – "die Klinge fressen lassen" könnte. Zitat: "Ich warte ja nur drauf, dass einer mal angreift." Aus Sicht der Antifa-Akteure sind die Äußerungen auf Facebook ein Beleg dafür, dass die rechte Szene in der Region "enorm gewaltbereit und gefährlich ist". Gewaltphantasien finden sich auch in Kommentaren anderer Rechtsradikaler dazu und anderes mehr.
"Einfach sympathische Menschen", so der bissig-ironische Kommentar eines Ermittlers. Allerdings verweist man bei der Polizei auch auf vergleichbare verbale Gewalt aus dem linksextremen Lager – für die Ermittlungsbehörden nichts Neues bei ihrer Arbeit. "Gewaltpotenzial übers Verbale hinaus haben wir bisher aber nicht wahrgenommen", betont Kripochefin Tampe.
Ob es einen Zusammenhang zwischen verbaler Gewalt und dem nunmehr ersten gewalttätigen Aufeinandertreffen linker und rechter Gruppen im Landkreis Emmendingen gibt, müssen Tampe zufolge die Ermittlungen erst noch zeigen. Die führt eine gemeinsame Ermittlungsgruppe von Kripo und Staatsschutz bei der Kriminalinspektion eins, zuständig für Delikte gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Denkbar seien eine ganze Reihe von Tatbeständen – vom gewaltsamen Angriff auf den Autofahrer bis hin zu einem eventuellen versuchten Tötungsdelikt des Rechtsextremen, als er in die Gruppe von Angreifern gefahren sei. Wichtig seien dabei neben der Spurenauswertung auch die Zeugenaussagen, doch gerade die Beteiligten beider Seiten zeichneten sich derzeit nicht durch allzu große Aussagebereitschaft aus, so Tampe. Je weniger aussagebereit die jeweilige Seite sei, desto schwerer falle es, ihr bei der Wahrheitssuche letztlich auch gerecht zu werden, gibt die Kripochefin zu bedenken.
Wichtig für die Ermittler ist nicht zuletzt die Frage, was dem Angriff auf den rechtsgerichteten Autofahrer und dessen Reaktion vorausging. Erst wenn das Puzzle zusammengesetzt sei, zeigten sich die Tatbestände, so Tampe, doch die Erfahrung zeige, dass es oft keine reine Opfer- und Täterrolle gebe.
Trotz des Aufsehen erregenden Ereignisses sehen Kripo und Staatsschutz keine Indizien dafür, dass sich derzeit eine größere rechtsextreme Szene im Landkreis etabliert. Es gebe am Kaiserstuhl eine weitgehend homogene rechtsgerichtete Gruppe, deren Mitglieder den Ermittlungsbehörden auch bekannt seien. Politisch motivierte Straftaten habe es von ihrer Seite in den letzten Jahren aber nicht gegeben. Die Gruppe stehe in Kontakt zu Gesinnungsgenossen in anderen Landkreisen. Die linksextremen Akteure stammten durchweg von auswärts.
Obwohl die Ermittlungen erst ganz am Anfang stehen, ist Evelyn Tampe zuversichtlich, dass es den Behörden gelingen wird, herauszufinden, was auf dem Pendlerparkplatz bei Riegel am Samstagabend wirklich geschah.