Burschenschaft – völkisch ohne Schamgefühl

Erstveröffentlicht: 
16.09.2011

Im Entwurf des neuen Strategieprogramms formulieren Ultrarechte die grenzüberschreitenden Ansprüche der »Volksdeutschen«

 

Zwei Flügel kämpfen in den Deutschen Burschenschaften um Vorherrschaft. Mit einem neuen Strategieprogramm könnte nächstes Jahr die Entscheidung fallen. Was bisher zu lesen ist, trägt die völkischen Züge der Ultrarechten.


Mit einem neuen »Strategieprogramm« wollen ultrarechte Kräfte den Flügelkampf in der Deutschen Burschenschaft (DB) für sich entscheiden. Das Programm, das dem ND in einer Entwurfsfassung vorliegt, soll beim »Burschentag« 2012 verabschiedet werden und erklärtermaßen als »Basis« für künftige politische Aktivitäten der DB dienen. Die DB ist ein Dachverband von rund 110 studentischen Burschenschaften in Deutschland und Österreich mit knapp 10 000 Mitgliedern, darunter NPD-Politiker, aber auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl. Der Entwurf für das »Strategieprogramm« trägt stark völkische Züge und erklärt den »multikulturellen Staat« für »tot«.


Hintergrund des Papiers ist der seit Jahrzehnten andauernde Kampf zwischen einem konservativen und einem ultrarechten Flügel, wobei letzterer teils NPD-nahe Positionen vertritt. Im Sommer kam es zu einem Skandal, als die Ultrarechten eine Burschenschaft ausschließen wollten, weil diese einen Deutschen mit chinesischen Vorfahren aufgenommen hatte. Medien sprachen damals vom Versuch, einen »Ariernachweis« in der DB einzuführen. Der Streit schwelt weiter.


Ein womöglich letzter Versuch, die auseinanderstrebenden Flügel des Akademikerverbandes zu versöhnen, ist die Arbeit an dem neuen »Strategieprogramm«. Sie hat bereits Anfang 2010 begonnen. Unter erheblichem Aufwand ist es gelungen, einen umfangreichen Entwurf zu erstellen. Insgesamt acht Themenblöcke beschreiben zentrale politische »Handlungsfelder«, die sich von der Bildungs- über die Familien- bis zur Militärpolitik erstrecken. Das Papier lässt das Bemühen erkennen, den konservativen Flügel mit langen Passagen über den Wert Humboldt'scher Bildung oder über die Bedeutung individueller Freiheitsrechte einzubinden. Politische Tragweite besitzen jedoch vor allem die Passagen, in denen der ultrarechte Flügel sich wiederfinden kann.


So heißt es etwa, »mit den etwa 85 Millionen Binnen-Deutschen in Zentraleuropa und den zirka 14 Millionen Auslands-Deutschen, den Volksdeutschen«, sei »das deutsche Volk das weitaus größte staatenübergreifend wirkende Volk in Europa«. »Relevant« sei, dass »die Deutschen insgesamt« ein »zunehmendes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln, fördern und ausbauen« – »von Schleswig bis Südtirol, von Siebenbürgen bis zum Elsaß, vom donauschwäbischen Gebiet bis Schlesien«. Es gehe um »ein natürliches deutsches Nationalbewusstsein«. Die »Wiederherstellung der nationalen Einheit des deutschen Volkes« sei »auch heute noch das zentrale Kriterium der Burschenschaft«. In diesem Sinne erklären die Autoren des Programmentwurfs unter anderem, »eine enge militärische Zusammenarbeit« Österreichs »mit dem deutschen Bruderstaat, der Bundesrepublik Deutschland«, sei »anzustreben«. Die »Außen- und Sicherheitspolitik« der BRD und Österreichs müsse sich an gemeinsamen »Kerninteressen« orientieren, dazu zähle »das schrankenlose Zusammenleben des deutschen Volkes«.


Innenpolitisch schließen zentrale Passagen des Programmentwurfs an die Sarrazin-Debatte an. »Der demographische Zustand in Deutschland ist katastrophal.« Die DB strebe »im deutschen Volksgebiet den Zustand der Volkserhaltung an«; damit gemeint sei die »Stabilisierung« der deutschen Bevölkerung »ohne Einwanderung«. Ferner seien »die historischen Ereignisse der letzten 100 bis 150 Jahre aufzuarbeiten, damit festgestellt werden kann, dass nicht immer nur die Deutschen die ›Bösewichte‹ der Welt waren und die ›Faschismus-Keule‹ ihren Wert verliert«. »Es besteht keinerlei Grund«, heißt es weiter, »kollektive Schuld- oder Schamgefühle vor sich her zu tragen über kurzlebige Vergangenheits-Ereignisse.«


Würden diese und zahlreiche ähnliche Passagen mit dem »Strategieprogramm« vom »Burschentag« 2012 verabschiedet, dann böten sie dem ultrarechten Flügel eine Basis, seine Vorstellungen in der Verbandspolitik in hohem Maße zu verwirklichen. Verweigert sich der schmale konservative Flügel, dann steht dem ultrarechten Flügel mit seiner strukturellen Mehrheit im Verband der Weg offen, der unter der Hand folgendermaßen beschrieben wird: Wenn »divide et impera« (Teile und herrsche) nicht funktioniert, sollte man den Laden auf dem kommenden Burschentag übernehmen. Folge wäre – durch den mutmaßlichen Austritt einiger konservativer Burschenschaften – möglicherweise eine personelle und finanzielle Schwächung. Doch dann stünde einer ungehemmt völkischen Politik der Burschenschaften an den deutschen und österreichischen Hochschulen nichts mehr entgegen.