Zeichen für eine Schieflage

Erstveröffentlicht: 
17.08.2011

Anwohner im Institutsviertel deuten den Wandel in ihrem Lebensraum als Beginn eines Verdrängungsprozesses

Die Abgrenzung nimmt zu, die soziale Durchmischung ab. Mieter mit einem niedrigeren Sozialstatus müssen aufgrund steigender Mieten in andere Quartiere ausweichen. Ist das, was derzeit im Institutsviertel passiert, ein Einzelfall oder eine generelle Tendenz?

 

Vor kurzem noch war das Viertel zwischen Friedrichring und St. Josefskrankenhaus ein Ort, an dem Kinder nach Lust und Laune auf Rasenflächen zwischen den Häuserreihen herumtollen konnten. Doch seit einiger Zeit werden die Freiräume immer weniger und die Zäune mehr. Zuletzt hat ein Vermieter einen markanten Eisenzaun montieren lassen. Als Spielwiese ist das inzwischen parzellierte Grundstück nun tabu. Das Resultat: Die Spielfläche ist kaputt und die Freunde aus dem Nachbarwohnblock nur noch über Umwege erreichbar.

Dass mit dem Aufstellen des Zauns auch private Gartenmöbel und Kinderspielzeug der Bewohner verschwanden, hat einen unangenehmen Beigeschmack.

 

An der Albertstraße hingen nach dem Zaunbau Plakate, auf denen die Kinder ihren Protest kundtaten. „Es gibt de facto keine freien Flächen mehr, auf denen sich die Kinder treffen können“, sagt ein Anwohner aus der Katharinenstraße. Der einzige Spielplatz im Viertel gehört zu einem Wohnobjekt und ist nur für dessen Bewohner und deren Kinder bestimmt.

 

Doch dies ist nur der jüngste Rückschlag für die Menschen im betroffenen Häuserblock. Vorausgegangen ist laut Aussage der Mieter eine Serie von lärmintensiven unangekündigten Sanierungsmaßnahmen. In diesem Zuge wurden an das Gebäude zwar neue Balkone angebracht, doch zugleich gab es Mieterhöhungen, die das Budget einiger deutlich überschritten.

Ähnlich wie im Zuge der Sanierung im Quartier Westlich der Merzhauser Straße führte dies zu einigen vermauerten Balkonen – unzugänglich für jene, die in den dazugehörigen Wohnungen leben. Aus Vermietersicht ist das legal, aber aus Sicht der Betroffenen ein Sinnbild dafür, dass „etwas in Schieflage“ geraten ist.

 

Zudem klagen die Mieter über undurchschaubare Nebenkostenabrechnungen und sprechen in einem Fall sogar von gezieltem Mobbing gegen eine aus dem Kosovo stammende Familie. „Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass der Eigentümer Leute rausekeln möchte, um eine vermeintlich bessere Klientel in seine Immobilien zu bekommen“, erzählt ein Mieter. Versuche, mit dem Vermieter in Kontakt zu treten, scheiterten. „Kommunikation ist leider nur über die Anwälte möglich“, sagt der Mieter.

 

Die andere Seite sieht die Sachlage naturgemäß ganz anders: Auf die Anfrage, ob der Vermieter zu sprechen sei, lässt dessen Anwalt knapp, aber unmissverständlich verlauten: „Das können Sie komplett knicken.“ Aus Sicht des Juristen seien diejenigen, die sich beschweren, mit den Mitgliedern der geräumten Wagenburg Kommando Rhino vergleichbar. Man wisse gar nicht, mit welchem Recht immerzu nur Forderungen gestellt würden, sagt er. „Meine Aufgabe ist es, die Mieter gemäß ihres Mietvertrages in ihre Grenzen zu verweisen“, betont der Anwalt. Die Wiese hinter dem Haus sei im Mietvertrag nicht enthalten und der errichtete Zaun solle in erster Linie die Verkotung durch Hunde verhindern.

 

Ghettos als Folge?


Im Rahmen eines informellen Austauschs, an dem verschiedene Bewohner des Quartiers teilnahmen, wurde deutlich, dass die Vorgänge von vielen als Exempel für einen Wandel gedeutet werden, der in der Stadtsoziologie als Gentrifizierung bezeichnet wird: „Der Verdrängungsprozess geht ungehemmt weiter. In der Folge wird es bald auch in Freiburg Ghettos geben, die ohne Streetworker nicht mehr funktionieren“, prophezeit einer der Beteiligten. Er selbst sei indes einer dieser neuen, „wohlsituierten“ Mieter, die sich die höheren Preise leisten können. „Für mich war die Durchmischung, die nun verschwindet, aber ein wichtiger Grund hierher zu ziehen. Was hier seit einiger Zeit passiert, ist unsozial und absolut kinderfeindlich. Es macht mich zutiefst betroffen. Das ist auch ein Versagen der Politik.“

Sven Meyer