Er wäre das erste Kirchenoberhaupt, das im Bundestag spricht. Vor allem Abgeordnete der Linken reagieren empört auf den geplanten Besuch Benedikts XVI. Sie wollen zu seiner Rede nicht erscheinen. "Der Papst hat im Parlament nichts zu suchen", moniert Fraktionsmitglied Ulla Jelpke - und stellt sich damit gegen Gregor Gysi.
Von Daniel Brössler
Bis Donnerstag, 22. September, 16.15 Uhr, ist es noch ein wenig hin. Aber Ulla Jelpke, Abgeordnete der Linken im Bundestag, kann schon heute sagen, wo sie dann nicht sein wird: im Plenarsaal. Ihr Platz im Reichstag wird leer bleiben, wenn dort Papst Benedikt XVI. ans Rednerpult tritt - so wie die Plätze vieler anderer Mitglieder ihrer Fraktion.
"Der Papst hat im Parlament nichts zu suchen", sagt Jelpke. Er sei "in jederlei Hinsicht" sexualfeindlich. "Verbrecherisch finde ich, wie er sich zur Aidsverhütung verhalten hat über die Jahre." Jelpke schätzt, dass mehr als die Hälfte der 76 Mitglieder der Linksfraktion der Rede des Papstes fernbleiben und stattdessen gegen das Kirchenoberhaupt demonstrieren könnte.
Auch bei Grünen und SPD regt sich Unmut über den Auftritt des Papstes im Parlament, besonders ausgeprägt aber ist er bei den Linken. Zum Beispiel nennt das Bündnis "Der Papst kommt", das zu einer Demonstration gegen den Besuch aufruft, den linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko einen "prominenten Unterstützer".
Hunko sieht in dem Forum, das dem Papst im Bundestag geboten wird, eine unzulässige Bevorzugung einer Religion. Tatsächlich hat in der Geschichte des Bundestages noch nie ein Religionsführer zu den Abgeordneten gesprochen; Benedikt XVI. ist allerdings auch Oberhaupt des Vatikanstaates. "Seine Behandlung als Staatsoberhaupt halte ich für vorgeschoben", sagt Hunko.
Empfang mit Kondomen an den Fingern
Der Ärger über die Rede Benedikts im Bundestag geht so weit, dass er in der zerstrittenen Linksfraktion geradezu versöhnend wirkt. Jelkpe und Hunko gehören zum weit links stehenden Lager der "Antikapitalistischen Linken", doch einen leeren Stuhl haben auch Vertreter des gegnerischen "Forums Demokratischer Sozialismus" angekündigt. "Ich bin Atheist und für die strikte Trennung von Religion und Staat", sagt etwa der Reformer Jan Korte. Außerdem empöre ihn die Haltung des Papstes gegenüber Homosexuellen.
Gemunkelt wird in der Linksfraktion, einzelne Gegner des Papstes könnten doch ins Plenum kommen und ihn dort unfreundlich empfangen - etwa mit Kondomen an den Fingern. Das freilich wird Fraktionschef Gregor Gysi zu verhindern trachten; er hält von der demonstrativen Ablehnung ohnehin nichts. Wie die anderen Fraktionschefs hatte auch er Bundestagspräsident Norbert Lammert seine Zustimmung zur Rede des Kirchenoberhaupts signalisiert.
Eine Katholikin gibt es laut Abgeordnetenhandbuch in der Linksfraktion. Allerdings, schränkt Kornelia Möller ein, sei sie vor anderthalb Jahren aus der Kirche ausgetreten - aus Protest dagegen, dass der Papst mit der rechtslastigen Organisation Opus Dei zu freundlich und die Amtskirche mit den Missbrauchsskandalen nicht richtig umgegangen sei. Möller sagt, sie habe Verständnis für alle, die der Papst-Rede fernblieben, sie selber aber werde kommen. "Ich möchte ihn von Angesicht zu Angesicht sehen."