Als der verdächtige Umschlag im Briefkasten Frank Henkels auftauchte, informierte der CDU-Spitzenkandidat zuerst die Medien. Die Polizei reagiert irritiert.
Über die Berliner Polizei sagt Frank Henkel normalerweise nur Gutes. Doch die Briefbombe, die der CDU-Spitzenkandidat Sonntag früh in seinem Briefkasten vorgefunden hat, strapaziert die Beziehung zwischen beiden. Das hat zwei Gründe: Henkels Umgang mit dem Drohbrief – damit hat der Politiker in Ermittlerkreisen Erstaunen und offenbar auch Misstrauen hervorgerufen – und der Umgang der Polizei mit Henkel.
Der CDU-Mann hatte am Sonnabend während eines Wahlkampfauftritts von einer Boulevardzeitung den Hinweis bekommen, dass ihm eine „Briefbombe“ zugestellt werden solle.
Auf der Internetplattform indymedia war ebenfalls seit Sonnabend, 12.15 Uhr, das Bekennerschreiben zu lesen. Darin wurde Henkel als „geistiger Brandstifter“ bezeichnet. Henkel setzte sich mit der Polizei in Verbindung. Wie er schildert, habe diese ihn aufgefordert, ab Montag seine Post nicht mehr selbst zu öffnen, sondern zu sammeln und der Polizei zu übergeben. So sollten auch seine Mitarbeiter verfahren.
Der Brief aber war am Sonntag früh in Henkels Briefkasten. Auf dem Weg zu einem Wahlkampftermin habe er zwischen seinen Zeitungen einen Din-A5-Umschlag gefunden, sagt Henkel: mit Adresse, aber ohne Absender. Er habe sich gewundert – und den Umschlag zurück in den Kasten gelegt.
Hier liegt eine Ursache der Missstimmung zwischen Polizei und Henkel. Nach der Warnung vom Sonnabend soll der Bedrohte so leichtfertig gehandelt haben? Das sei nicht schlüssig, heißt es in Ermittlerkreisen. Henkel begründet das Zurücklegen des Umschlags mit „Naivität und Pflichtbewusstsein“: Er habe seine Wahlkampftermine halten wollen, habe sich auch nicht bedroht gefühlt – und er habe sich auf die Polizei verlassen. Die habe ihm geraten, ab Montag vorsichtig mit seiner Post umzugehen – und so habe er es auch machen wollen.
Mittags allerdings, sagt Henkel, habe er beim Telefonat mit einer Zeitung den Umschlag erwähnt. Die Nachricht machte rasch die mediale Runde – und die Polizei erfuhr durch eine Nachrichtenagentur, dass die Briefbombe den Adressaten deutlich vor Montag erreicht hatte. Daraufhin rückte die Polizei bei Henkel an, erst in Gestalt einiger Streifenpolizisten, dann mit einem Laborfahrzeug. Henkel erfuhr, der Brief habe einen Mechanismus enthalten, der „Spiel mir das Lied vom Tod“ spielt. Von Schwarzpulver sei keine Rede gewesen. Davon habe er erst am Abend durch einen Anruf des Staatsschutzes erfahren – einschließlich der Mitteilung, er sei eine gefährdete Person. Man müsse am nächsten Tag über Schutzmaßnahmen sprechen. Nun wird Henkel bei Außenterminen von zwei Personenschützern begleitet.
Das alles klingt, als hätten alle Beteiligten die Angelegenheit erst zu leicht und erst am Sonntagabend ernst genommen – und werfen sich jetzt die Leichtfertigkeit gegenseitig vor. Ermittlerkreisen schließen nicht aus, dass ein Unbekannter Henkel einen Aufmerksamkeitsschub verschaffen wollte. Das macht Henkel wütend: „Ich brauche das Auffinden einer Briefbombe nicht!“, grollt er. „Ich brauche es nicht, dass meine Adresse im Internet veröffentlicht wird!“
Tatsächlich begeben sich mögliche Verschwörungstheoretiker, die eine Inszenierung vermuten, in zwielichtige Gesellschaft. Unter den „Kommentaren“ zum Bekennerschreiben war auf indymedia zu lesen: „Ihr Superhirne wollt doch, dass die CDU in Berlin an die Regierung kommt. Wenn ich Henkel wäre, hätte ich mir selbst so einen Brief geschickt.“