Wie rechts ist noch recht?

Erstveröffentlicht: 
21.07.2011

Burschenschaften

 

Papiere der Deutschen Burschenschaft bestätigen, dass einige Verbindungen nationalistisch sind. Der eigentliche Skandal: Die anderen distanzieren sich nicht.

 

Auf dem Gipfel gegenüber der Wartburg waren sie noch einmal zusammengekommen. Mit Fackeln und Fahnen zogen Hunderte uniformierte Akademiker zum Burschenschaftsdenkmal hinauf, um dort das Deutschlandlied zu intonieren – erste Strophe inklusive. Es war der Abschluss des Burschentages 2011 im Juni, des jährlichen Treffens der 123 Mitgliedsbünde im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB).

 

Angesichts solcher Bilder überraschen die vergangene Woche aufgetauchten Protokolle und Strategiepapiere aus der DB nicht wirklich, auch wenn Spiegel Online sie als »brisante« Enthüllungen einstufte. Die Dokumente, die unter anderem aus dem internen Nachrichtenblatt und den Sitzungsberichten einzelner Bünde stammen, belegen: Teile der Burschenschaften sind tatsächlich so rechtslastig, wie es ihnen seit Langem vorgeworfen wird und wie ihr Auftreten oder der »Deutschland, Deutschland über alles«-Gesang vermuten lassen.

 

Antrag: Nur Deutsche in die Burschenschaft

 

Zuletzt hatte ein auf dem Burschentag vorgesehener Antrag Aufsehen erregt, dem zufolge nur noch Söhne deutschstämmiger Eltern aufgenommen werden sollten. Der Antrag kam aus den Reihen der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, die wiederum zur extrem rechten Burschenschaftlichen Gemeinschaft gehört. Nach massiven Protesten anderer DB-Burschenschaften verzichteten die Raczeks auf ihren Antrag – und auch auf einen zweiten, nämlich gleich einen Burschenschaftler auszuschließen, weil seine Eltern aus China stammen.

 

Die Auseinandersetzungen innerhalb der Deutschen Burschenschaft zeigten, dass man hier differenzieren müsse, sagt die Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth, führende Studentenverbindungsforscherin: »Nicht alle Burschenschaften sind rechtsradikal, und die Burschenschaften sind nur eine Minderheit innerhalb der Szene der Studentenverbindungen.« Doch nach außen verwischten schnell die Unterschiede, so Kurth, denn allen Verbindungen gemeinsam sei das Festhalten an alten Ritualen und Umgangsformen. »Für unbeteiligte Beobachter wirken sie wie der Ausdruck einer fremden Kultur, die man mit einer Mischung aus Faszination und Schaudern beobachtet.«

 

Die größte Gruppe stellen die etwa 280 Katholischen Studentenverbindungen, es folgen die rund 160 Korps, die betonen, bei ihnen könne jeder Mitglied werden – unabhängig von seiner »Nationalität, Herkunft, Religion« oder auch der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst. Erst dann folgen die betont politischen Burschenschaften, von denen die meisten in der DB organisiert sind. 

 

Und hier werden die jüngsten »Enthüllungen« dann doch noch spannend – oder vielmehr die Reaktion darauf: Warum kommentiert sie keine Verbindung, auch auf Nachfrage der ZEIT nicht? Warum schafft es die große Mehrheit der nicht radikalen Verbindungen bestenfalls, sich halbherzig von den Umtrieben zu distanzieren? (Allein das muss schon als Fortschritt gelten.) Warum lehnen die in der Stuttgarter Initiative organisierten liberalkonservativen Burschenschaften den Austritt von »Burschenschaften der Mitte« aus der DB ab? Reicht es als Begründung, dass man den Dachverband nicht extremistischen Tendenzen überlassen wolle? Und warum hat selbst der Cartellverband der Katholischen Verbindungen bis zum diesjährigen Burschentag gebraucht, um zu erklären, dass eine Zusammenarbeit mit der DB nicht mehr infrage komme? 

 

Kaum eine Verbindung hat ihre Vergangenheit aufgearbeitet

 

»Die Verbindungen finden häufig in den eigenen Reihen keinen Konsens darüber, wo die Grenze zwischen national und nationalistisch verläuft«, sagt Kurth. Auf der einen Seite betone man Demokratie und Weltoffenheit, auf der anderen Seite wolle man auf keinen Fall mit der eigenen Tradition brechen. »Teil dieser Tradition ist zum Beispiel, dass kaum eine Verbindung ihre Verstrickungen in der NS-Zeit aufgearbeitet hat.«

 

Hoffnungen, nach den jüngsten Skandalen werde das Herumlavieren beendet, dürften verfrüht sein. Zumindest wenn man die Erfahrungen vom Wochenende zum Maßstab nimmt: Die extrem rechte Burschenschaftliche Gemeinschaft feierte in München unverdrossen ihr 50-jähriges Bestehen. Und in Gießen hatten sich weit über 100 gesellschaftliche Gruppen, vom DGB bis zur Jungen Union, zum Aktionsbündnis »Gießen bleibt bunt« zusammengefunden, um ein Stadtfest gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen auf die Beine zu stellen. Von den rund 20 Studentenverbindungen in der Stadt hat keine einzige mitgemacht.