Bunte Besetzer wollen nicht weichen

Erstveröffentlicht: 
18.07.2011

Freiburg - Man kann auch mit wenigen Leuten viel Aufsehen machen. Besonders in Freiburg und besonders, wenn man sich mitten ins Zentrum des grün-alternativen Lebensgefühls setzt: Knapp drei Dutzend meist junger Leute haben vor zwei Jahren einen Bauplatz direkt am Eingang des ökologischen Vorzeigeviertels Vauban mit Bauwagen, Hunden und bunten Regenbogenfahnen besetzt. Sie protestierten gegen den Bau eines Bürokomplexes, den man zum "Green Business Center" erklärt hatte. Das Ding, so sagen die Besetzer, passe nicht zum "Wobaah", wie das nach dem französischen Festungsarchitekten Sébastien Le Prestre de Vauban benannte Viertel im Volksmund ausgesprochen wird.

 

Das Quartier am Südrand Freiburgs ist nach dem Abzug der französischen Garnison in den 1990er Jahren von einer militärischen zu einer ökologischen Kaserne umgebaut worden, spotten notorische Vauban-Hasser, denen die dort zuweilen missionarisch ausartende politische Korrektheit auf die Nerven geht. Im autofreien Vauban wird der Müll besonders sorgfältig getrennt, die Dichte von Bioläden, Feng-Shui-Beratern und Selbsterfahrungsgruppen ist exorbitant höher als anderswo, die Straßenbahn fährt auf flüsterleisen Gleisen, und die Eigenheime wurden zu einem Großteil von Baugruppen erstellt. Das Vauban-Viertel mit seinen jetzt mehr als 5000 Bewohnern wird weltweit als städtebaulich vorbildliche Lösung für die neue Nutzung eines militärischen Areals gefeiert.

 

Zwei Jahre nach der Besetzung ist die bretterumzäunte Wagenburg, die sich "Kommando Rhino" nennt, immer noch da. Rhino hieß ein Haus in Genf, das 20 Jahre lang besetzt war. Doch der neue Freiburger Platzbesitzer, die kommunale Stadtbaugesellschaft, wird ungeduldig und besteht darauf, das Grundstück zu bebauen. Geplant ist außer Büros jetzt auch ein integratives Hotel, eine behindertengerechte Herberge, die Menschen mit Behinderung auch Arbeit bietet. Ein Verwendungszweck, gegen den niemand ernsthaft Einwände erheben kann und der den Besetzern ihre Protestgrundlage entzieht. Jetzt bleibt nur noch der Wunsch, dass auch alternative Lebens- und Wohnformen möglich sein müssten.

 

Der Platzbesitzer wird ungeduldig


Auch dafür gibt es Verständnis, weniger aber für den Anspruch der Wägler, an exponierter Stelle günstig Dauercamping betreiben zu wollen. Die von "der Stadt" eingeforderte "Pflicht", wenigstens einen Ersatzplatz für das kreative und experimentelle Sein zur Verfügung stellen zu müssen, stößt bei Zeitgenossen, die konventionell Miete oder Pacht zahlen oder ein Grundstück und ein Haus erwerben mussten, auf wenig Wohlwollen. Die direkten Anwohner sind geteilter Meinung. Der Vorsitzende des CDU-Stadtteilverbandes hat sich zu Wort gemeldet, um zu behaupten, das "Kommando Rhino" sei mittlerweile sehr unbeliebt. Dieses Schicksal teilt die CDU mit "Rhino", sie hat bei den Landtagswahlen im Vauban nur 3,8 Prozent errungen, die Grünen hingegen 73 Prozent.

 

Doch auch der grün-alternative Mainstream ist gespalten, der Stadtteilverein betont zwar, das "Kunst- und Wagenkollektiv" sei "friedlich, kreativ, lebensfroh und gastfreundlich". Wahrscheinlich ist das aber eher eine höfliche Umschreibung für den Unmut über diverse laute Feste. Auch der Verein ist "für eine rasche einvernehmliche und friedliche Lösung" und für einen Abzug der Wagenburg.

 

Nur, wohin? Die Stadt und das Büro des Oberbürgermeisters beteuern, sie hätten viele Optionen geprüft, aber keine Lösung gefunden. Mal wollten die Grundstückseigentümer nicht, mal die Wägler nicht. Letztere argwöhnen, es sei "Politik des Herrn Salomon, sozial unliebsame Gruppen aus der Stadt zu vertreiben". Wird es also am 31. Juli - das ist das Räumungsultimatum - einen ruppigen Großeinsatz der Polizei in der grünen Hochburg geben?

 

Suche nach einer Ersatzfläche


Jedenfalls haben die kapitalismuskritischen Besetzer jetzt unerwartet generöse Unterstützer bekommen. Nikolaus Freiherr von Gayling, Schlossherr im Freiburger Stadtteil Ebnet, Spross uralten Landadels und eigensinniger Gemeinderat der Freien Demokratischen Partei hat erneut sein Herz für Kreative(s) offenbart und nicht nur einen Platz auf einer seiner Ländereien in Aussicht gestellt, sondern auch seine drei FDP-Kollegen im Gemeinderat zur politischen Schützenhilfe überredet. Was diese bewirken kann, wird sich zeigen.

 

Der Freiburger Gemeinderat hat die Verwaltung 1996 - mit den Stimmen der FDP - auf die Linie verpflichtet: kein weiterer Standplatz für Wagenburgen. Doch die zwei bestehenden Plätze sind fast voll und könnten nur je einen Teil der "Rhinos" aufnehmen. Diese aber wollen zusammenbleiben und hoffen auf den liberalen Freiherrn, wahlweise auf die linken Unabhängigen Listen, denn auch die wollen in einem Gewerbegebiet eine geeignete Ersatzfläche ausgemacht haben. Am 26.Juli steht das Thema "Rhino" jedenfalls erneut auf der Tagesordnung des Stadtparlaments.