Herdern: ein richtig teures Pflaster

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Erstveröffentlicht: 
16.07.2011

BZ FRAGT NACH: Bei Telefonbefragung nennt jeder Zweite Miethöhe als Hauptproblem / Trotzdem Top-Note für Leben im Quartier.

 

HERDERN. Einerseits fühlen sich die Herdermer total wohl. Für das Leben im Quartier vergeben sie die Note 1,7 – die beste Bewertung aller sechs Stadtteile, in denen bislang die Telefonumfrage "BZ fragt nach" stattfand. Andererseits fühlen sie sich total abgezockt. Als größtes Problem nennt mehr als die Hälfte aller 550 Befragten die als zu hoch empfundenen Mieten, eine extrem hohe Quote. Weitere Befragungsthemen waren der immer wieder aufflackernde Streit um moderne Architektur, die Idee eines Herdern-Hauses und der Jugendtreff.

 

Ein so klares Ergebnis hat es auf die Frage nach dem größten Problem im Stadtteil noch nicht gegeben: Aus einer Liste von fünf vorgegebenen Themen (siehe Grafik unten) nannten 53,1 Prozent die hohen Mieten als Top-Ärgernis. Zwar tauchten die Kosten für die Wohnungen auch in den bisher befragten Stadtteilen immer weit oben im Ranking auf, der höchste Wert bislang waren aber 36,5 Prozent im Rieselfeld. Laut dem städtischen Zahlenwerk "Mietspiegel" gehört Herdern tatsächlich – nach der Innenstadt – zum teuersten Pflaster in der Stadt. Der "Herdern-Zuschlag" beträgt satte 11 Prozent. Und dieser Extra-Obolus, den die Vermieter mit Verweis auf die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen dürfen, gilt beileibe nicht nur für die vornehmen Villengegenden am Hang, sondern ebenso für die längst nicht so mondänen Bezirke zwischen Habsburgerstraße und Bahn. Ein Fakt, der in den Mietspiegeldebatten der vergangenen Jahre immer wieder für Empörung gesorgt hat.


Die Miethöhe ist übrigens für Männer wie Frauen und für alle Altersgruppen gleichermaßen das Herdermer Hauptproblem. Auf Platz zwei folgt (mit weitem Abstand) für etwa ein Fünftel der Befragten die Verkehrssituation. Hier gibt es in der Altersbetrachtung nur eine Abweichung: Die 18- bis 29-Jährigen halten nicht Verkehrsgefahren und -lärm für das zweitgrößte Ärgernis, sondern ("punktgleich" mit je 13,7 Prozent) fehlende Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.

"HERDERN-HAUS"
Mit einem "Ja, aber" beantworten die Herdermer die Frage, ob ein eigener Stadtteiltreff gebraucht wird. Eine solche Idee hatte der Bürgerverein bei der Arbeit an einem Stadtteilentwicklungskonzept unter dem Namen "Herdern-Haus" entwickelt. Es soll die Möglichkeit für Gruppen bieten, sich zu treffen, gemeinsam zu proben und auch kleinere öffentliche Veranstaltungen anzubieten. Für Veranstaltungen müsse man bislang auf schulische oder kirchliche Räume ausweichen – oder gar ins Bürgerhaus Zähringen im Nachbarstadtteil, so die Vereinsvorsitzende Ingrid Winkler. Die "Herdern-Haus"-Idee finden die Herdermer mehrheitlich gut, besonderen Eilbedarf sehen aber die wenigsten. Nur jeder Zehnte gibt an, ein solcher Treff sei "dringend nötig" und müsse notfalls neu gebaut werden. Knapp 54 Prozent geben hingegen an, man solle warten, bis ein geeignetes Gebäude frei wird. Und ein gutes Drittel sieht für das "Herdern-Haus" gar keinen Bedarf.

JUGENDTREFF
Sehr wohl Bedarf sieht eine große Mehrheit der Befragten dafür, die personelle Ausstattung des Jugendtreffs deutlich zu verbessern. Das "Jugendforum Herdern" (in Räumen der Weiherhofschulen) bekommt von der Stadt eine halbe Stelle finanziert, die sich ein Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin teilen. Trotz des erheblichen Engagements vieler Ehrenamtlicher reicht das nur für begrenzte Öffnungszeiten – und für Angebote, die weit mehr Kinder als Jugendliche ansprechen. Dabei gibt es mit rund 2000 Kindern und Jugendlichen in Herdern (samt dem Quartier Neuburg) ähnlich viele wie in Haslach, Weingarten oder St. Georgen, wo die Jugendtreffs über ein Vielfaches an Personalstärke verfügen. Selbst Hochdorf mit nur halb so vielen Unter-18-Jährigen ist weitaus besser ausgestattet. Ziemlich genau 70 Prozent der Herdermer finden das unangemessen und fordern, dass die Stadt auch für Herdern noch etwas drauflegt. Ein knappes Viertel sagt hingegen, dass ein bürgerlicher Stadtteil wie Herdern sich mit einem kleinen Jugendtreff begnügen müsse und die Mittel zu Recht auf Stadtteile mit mehr sozialen Problemen konzentriert würden.

MODERNE ARCHITEKTUR
Über moderne Architektur lässt sich trefflich streiten – in Herdern ganz besonders. Immer wieder gibt es Konflikte, weil einzelne Bürger oder der Bürgerverein als Ganzes bemängeln, neue Häuser in teils futuristischem Erscheinungsbild passten überhaupt nicht zur gewachsenen Bebauung des einstigen Winzerdorfes mit mehr als 1000-jähriger Geschichte. Gleich mehrere Kontroversen dieser Art gab es rund um die Neubaupläne auf dem Areal der einstigen Kurklinik St. Urban. Immerhin ein knappes Drittel der Befragten ist dafür, mit strengeren Vorgaben von vorneherein sicherzustellen, dass Neubauten zur bestehenden Bausubstanz passen, knapp 20 Prozent finden die Kontraste zwischen Alt und Neu hingegen meistens reizvoll. Die Hälfte der Befragten plädiert ganz pragmatisch dafür, immer den Einzelfall zu betrachten und auf dessen Basis zu entscheiden. Auch in dieser Frage gibt es keine nennenswerten Unterschiede in der Auswertung nach Geschlecht und Alter. Generell sind sich die Befragten in Herdern so einig wie bislang in keinem anderen Stadtteil. Das spricht für die Aussagekraft der Telefonumfrage, auch wenn sie im statistischen Sinne wegen der Zufallsauswahl nicht als repräsentativ gilt.

Weiter geht’s: Eine Doppelseite mit dem "Stadtteilcheck Herdern" zur Alltagstauglichkeit des Quartiers finden Sie in der Ausgabe von Freitag, 22. Juli. Die Ergebnisse der zu Ende gegangenen Telefonbefragung in Brühl-Beurbarung stellen wir am Samstag, 23. Juli, vor. Nach einer Sommerpause folgt die nächste Telefonbefragung ab Montag, 15. August, in Landwasser.