Inspiriert durch die Klimacamps die in Großbrittanien ihren Ursprung
hatten und seitdem an vielen Orten auf der ganzen Welt erfolgreich darin
waren eine radikale Kritik an den strukturellen Ursachen der
Klimazerstörung zu vermitteln, wollen wir noch einen Schritt
weitergehen: Wir wollen ein dauerhaftes Klimadorf als Aktions- Bildungs-
und Organisierungsort aufbauen – und als Ort für das Erlernen eines
klimaneutralen Lebens, das wir nicht mit Verzicht assoziieren wollen,
sondern mit Kreativität.
Als Ort dafür haben wir die Region ausgewählt, die am meisten CO2 in
ganz Europa emittiert, das rheinische Braunkohlerevier.
Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Es ist eine seltsame Sache mit der Klimaproblematik: Sie ist allseits
bekannt, allgemeine Aufklärung zu betreiben ist nicht mehr nötig.
Jede_r ist scheinbar auf der Seite jener die das Problem bekämpfen
wollen. Und dennoch ist das Einzige was in der realen Welt zu beobachten
ist eine rasante Verschärfung der Klimakatastrophe. Dadurch drängt sich
der Verdacht auf, dass die Lösung nicht darin liegen kann, dass die so
degradierten Konsument_innen die „richtigeren“ Waren in ihren
Einkaufskorb packen, die Manager_innen der Großkonzerne
verantwortungsbewusstere Entscheidungen treffen und die
Wissenschaftlerinnen die richtigen „Erfindungen“ machen. Nein. Wir haben
die Vermutung, dass das Koordinatensystem, innerhalb dessen alles grün
sein soll faul ist. Um ein Beispiel aus dem Blauen zu pflücken (bevor es
dann grün gemacht wird): Erdöl wird gefördert um industrielle
Landwirtschaft zu betreiben und damit essbare Waren herzustellen.
Essbare Waren werden hergestellt um sie um die halbe Welt zu
verschiffen. Um die halbe Welt werden sie verschifft um am Zielort
verbrannt zu werden. Verbrannt werden sie um die Preise für
Nahrungsmittel stabil zu halten. Verhungern tun währenddessen täglich 24
000 Menschen, weil sie nichts zu Essen haben. Nichts zu Essen haben
sie, weil der Zweck Nahrungsmittel herzustellen, innerhalb der
herrschenden Verhältnisse nicht darin liegt Menschen zu sättigen, sonden
die Konten von Konzernen.
Ein Koordinatensystem, in dem viel Energie und Arbeitsaufwand betrieben
wird, damit Menschen verhungern, ist nicht dasjenige, innerhalb dessen
das Klima zu retten ist, und auch nicht das, innerhalb dessen Menschen
sich sinnvoll organisieren können. Jeder Versuch dessen führt
zwangsläufig auf Irrwege. Die Frage, ob mensch Teil der Lösung oder Teil
des Problems sein will, ist also nicht mit dem Verweis auf den Grünton
der Verpackungen der eingekauften Waren zu beantworten, sondern vielmehr
durch die Logik innerhalb derer mensch die Lösungen gegen den
Klimawandel denkt, und die gefundenen Handlungskonsequenzen, die mensch
daraus zieht.
Dieser Aufruf richtet sich an alle Menschen, die die Lösung nicht
alleine in kapitalistischen, herrschaftsförmigen Koordinaten denken
können und auch nicht (mehr) denken wollen.
Klimacamps
Einen wichtigen Impuls für die radikale Klimabewegung schafften die
Klimacamps, die ihren Ausgangsort in Großbrittanien hatten. Aufbauend
auf den vier Säulen – Direkte Aktionen gegen Klimazerstörung, radikal
klimaneutrales Leben auf den Camps, Weiterbildung über die
Klimaproblematik und richtige und falsche Lösungen, und Vernetzung –
treffen sie genau den richtigen Vierklang der Selbstermächtigung. Durch
den Rahmen der Camps, der alle 4 Elemente verbindet, wird deren Wirkung
multipliziert. Denn klimaneutrale Praktiken sind zwar auch nett, wenn
sie im eigenen Hintergarten ausprobiert werden, ihre einzige Relevanz
sind dann aber die konkret gesparten Emmissionen. Im Kontext eines
Klimacamps sind sie aber mehr: Nämlich eine Anklage an die herrschende
kapitalistische Produktionsgesellschaft, durch das konkrete Aufzeigen
möglicher, besserer Alternativen.
Direkte Aktionen sind für sich genommen zwar immer nervende Nadelstiche
für die Akteur_innen des Untergangskommandos. Mit einem Klimacamp als
Hintergrundskulisse für die Angriffe auf klimazerstörende Industrien,
können diese auch gesamtgesellschaftlich eine ganz andere diskursive
Legitimität erfahren. Weiterbildung ist für sich genommen auch eine
jederzeit erstrebenswerte Sache, wo sich aus ihr aber keine konkreten
Handlungsoptionen ergeben, bleibt sie eine akademische Irrelevanz. Ein
nettes Analysegespräch auf der Zuschauer_innebank.
Die 4 Säulen zusammengeführt können aber genau das Notwendige erreichen:
Zu gleichen Teilen das bestehende Koordinatensystem samt seiner
konkreten Auswirkungen anzugreifen und in den entstehenden Lücken zarte
Pflänzchen eines selbstorganisierten, klimaneutralen Lebens zu pflanzen,
auf dass sie zu Wäldern der Ressilienz werden. Und bei all dem
jederzeit genug theoretische Reflektion über den einzuschlagenden Weg
haben, nach dem Motto: Fragend schreiten wir voran.
Warum ein dauerhaftes Klimacamp?
Temporär konnten viele der vergangenen Klimacamps genau diese
Zielsetzung umsetzen. Und doch ist all das zu wenig! Denn nach 5 bis 10
Tagen Klimacamp heißt es jedesmal „back to reality“ anstatt „change
reality“. Über das Camp herausgehende Organisierungsprozesse sind selten
oder nur im kleinen Rahmen. Das Camp bleibt ein Event und der
ansonstige Alltag der beteiligten Menschen weit hinter der angemessenen
Radikalität, die die Verhältnisse erfordern zurück.
Von dieser Analyse ausgehend wollen wir einen Versuch wagen. Wir wollen
einen Teil des Schwungs, der für temporäre Klimacamps erzeugbar ist mit
in den Alltag nehmen. Und zwar ebenfalls als gemeinsamer Prozess und
einem dafür geeigneten Ort – ein dauerhaftes Klimacamp. Dabei gehen wir
nicht davon aus dauerhaft die Anzahl an Menschen mobilisieren zu können
wie auf einwöchigen Klimacamps. Das ist aber auch nicht die Zielsetzung.
Wir wollen mit einigen Dutzent – auch wechselnden – Menschen
dauerhaftere, tiefere Strukturen aufbauen.
Das Konzept sehen wir dabei nicht in erster Linie als Kritik oder
Gegensatz zu temporären Klimacamps, sondern als Ergänzung. An einer
möglichst tiefen Kooperation mit den drei deutschsprachigen Klimacamps
im Sommer ’11 sind wir interessiert. Deshalb haben wir auch unsere
Planungstreffen auf die beiden Camps in Deutschland gelegt.
Warum im rheinischen Braunkohlerevier?
Wie schon erwähnt ist die Region mit seinen 3 Braunkohletagebauen,
Garzweiler, Hambach und Inden, sowie den 6 Mega-Kraftwerken, Neurath 1
und 2, Niederaussem, Frimmersdorf, Goldenberg und Weisweiler in denen
diese Kohle gleich wieder verbrannt wird, der größte CO2 Emittent in
ganz Europa. Zudem kommt aber auch der Kohle als Energieträgerin eine
besondere Rolle bei der Klimazerstörung zu. Schon heute ist sie mit über
40 Prozent Anteil, diejenige fossile Energieträgerin auf die der größte
Batzen der CO2 Emissionen zukommt – noch vor dem Erdöl. Da andere
Energieträger in absehbarer Zukunft zur Neige gehen werden – das Erdöl
erlebt gerade seinen Peak, also die höchste Fördermenge – wird in
Zukunft noch mehr auf Kohle gesetzt werden. Mit der Technologie der
Kohleverflüssigung wird eventuell sogar versucht werden sie als
Antriebsenergie nutzbar zu machen, um die Autoflotten mit Kohle
betreiben zu können, wenn das Erdöl knapp wird. Dass dabei ein
vielfaches an Emissionen entstehen würde, obwohl der Status Quo des
Benzinantriebes schon suizidal ist, scheint nicht zu interessieren. Der
globalisierte Kapitalismus dessen Wachstum und Werteverwertung auf der
Nutzung billiger Energie beruht, gleicht dabei einem Drogensüchtigen bei
der Drogenbeschaffung: Sobald der Entzug droht wird jede Zerstörung auf
sich genommen um ihn zu verhindern.
Wie viele Länder setzt die BRD zur Zeit massiv
auf die Kohle bei der Stromerzeugung, da es die einzige heimische
Ressource ist und so eine Abhängigkeit von anderen Ländern und somit ein
geostrategischer Nachteil vermieden werden soll. Und das obwohl die
Verbrennung fossiler Energieträger ab sofort gestoppt werden müsste um
eine Verselbstständigung des Klimawandels aufzuhalten.
Als größtes europäisches Kohleabbaugebiet sehen wir deshalb das
rheinische Braunkohlerevier als einen sinnvollen Austragungsort der
Klimakämpfe der Zukunft. Was der Atomenergie das Wendland ist, muss der
Klimazerstörung das rheinische Braunkohlerevier werden.
Mit den lokal Betroffenen – ganze Dörfer werden umgesiedelt – wollen wir solidarisch gegen die Zerstörung zusammenarbeiten. Das Camp soll ein gesellschaftliches Gegenbild darstellen zur kapitalistischen Destruktivität. Hier das Ausprobieren einer klimaneutrale Zukunft, dort drüben die Abrisskante, das Loch, quatratkilometerweise Zerstörung. Wählen Sie jetzt! Durch das örtliche Gegenüberstellen wollen wir diese beiden Zukunftsoptionen bildlich verdeutlichen.
School of radikal transition
Neben den Aktionen soll ein weiteres Herzstück des Klimacamps die
„school of radikal transition“ sein. Ein Bildungs- und Seminarort, der
mit einem durchgängigen Programm die drei oben genannten Säulen
verbinden soll. Kurse und Seminare sollen dort angeboten werden, über
konkrete Praktiken des klimaneutralen Lebens, Theoretisches über
Allerlei im Zusammenhang mit der Klimazerstörung, seiner Ursachen und
potentiellen Lösungen und über konkrete Widerstandsmethoden gegen den
Klimawandel und seine Ursachen.
Und das Ganze in einer DIY-Kultur. Das heißt,
dass wir ein hochwertiges Programm organisieren wollen, bei dem jede_r
aufgefordert ist, sich daran zu beteiligen und eigenes Programm
anzubieten.
Zudem soll die school of radikal transition ein Ort der Debatte sein: Da
wir nicht an einheitlichen Konzepte von oben gegen den Klimawandel
glauben, und diese auch nicht erstrebenswert finden, halten wir eine
Debatte von unten darüber wie der Klimaproblematik entgegengewirkt
werden kann für notwendig. Eine Debatte, an der alle eingeladen sind
sich zu beteiligen, die nicht auf Expert_innenhierarchien setzt, die
nicht nach einer Vereinheitlichung strebt, sondern verschiedene
Positionen aushalten kann, in der Hoffnung, dass aus der Spannung
zwischen ihnen Synthesen erspringen.
Und action…
Das Camp soll als Ausgangsort für vielfältige Aktionen gegen die
Zerstörung dienen: symbolische, kreative und direkte. Wichtig ist es uns
dabei zusammen mit Menschen aus der Region, sowie temporär oder
dauerhaft im Camp anwesenden Aktivist_innen gemeinsam Aktionsweisen zu
entwickeln, die eine Selbstermächtigung der einzelnen Menschen zum Ziel
haben und Sand im Getriebe sind.
Der Weg bis zum Start des Camps
Wir wollen schnellstmöglich mit der Errichtung des Klimacamps beginnen
und deshalb beim weiteren Vorbereitungsprozess aufs Gas drücken, pardon,
natürlich in die Pedalen treten. Wir laden den Sommer über zu 3
Vorbereitungstreffen ein:
Das erste Treffen wird im AZ in Köln stattfinden vom 24. bis zum 26.
Juni. Das zweite Treffen wird auf dem Klimacamp in Manheim vom 26.
August bis zum 4. September stattfinden. Das dritte offene Treffen auf
dem Klimacamp in der Lausitz vom 7. bis zum 14. August stattfinden.
Das dauerhafte Klimacamp soll dann ab September 2011 aufgebaut werden.
Du bist gefragt!
Wenn du dich von diesem Aufruf angesprochen fühlst gibt es diverse
Möglichkeiten wie du dich einbringen kannst:
-Komm zu den offenen Vorbereitungstreffen und bringe deine Ideen und
Organisierungstalente ein.
-Melde dich, falls du etwas zur „School of radikal Transition“ beitragen
willst. Das kann ein Seminar zu Windrad-Eigenbau sei, ein
Permakultur-Kurs, ein Workshop über effektive Blockadetechniken oder ein
Vortrag über den Braunkohleabbau und seine Auswirkungen,…
-Verbreite diesen Aufruf
-Biete deine Fähigkeiten an: Layouten, Texte schreiben, vor Ort
Recherchen,…
Kontakt: waa@riseup.net