Rauswurf wegen mangelnden Rassismus

Burschenschafter beim Festakt im Innenhof der Wartburg anläßlich des Burschen- und Altherrentages.
Erstveröffentlicht: 
16.06.2011

Burschenschaftler

 

Einer Mannheimer Verbindung droht der Ausschluss aus dem Dachverband: Sie hatte es gewagt, einen Studenten mit asiatischem Migrationshintergrund aufzunehmen.

 

Der Satz könnte aus dem Jahr 1935 stammen: "Besonders in Zeiten fortschreitender Überfremdung ist es nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamme sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden." Er steht jedoch in einem Antrag, der am Freitag auf dem Burschentag in Eisenach beschlossen werden soll. Der Burschentag ist das jährliche Treffen der in der Deutschen Burschenschaft (DB) zusammengeschlossenen Studentenverbindungen.

 

Die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn will mit ihrem Antrag, der ZEIT ONLINE vorliegt, den Ausschluss der Burschenschaft Hansea Mannheim erreichen. Deren Vergehen: Sie hat ein "chinesischstämmiges" Mitglied aufgenommen. Wohlgemerkt: keinen Chinesen. Dass nur deutsche Männer Mitglied sein können, ist ohnehin Konsens unter den 120 DB-Verbindungen, denen insgesamt rund 1.300 Studenten und mehr als 10.000 Alte Herren angehören. Laut Spiegel Online ist der junge Mann in Mannheim geboren, hat in der Bundeswehr gedient und die von seiner Verbindung vorgeschriebenen Fechtmensuren geschlagen.

 

Nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie

 

Doch den Raczeks zu Bonn reicht nicht, "dass der genannte Verbandsbruder sich subjektiv dem deutschen Volke zugehörig fühlt". Sie nehmen Anstoß am Äußeren des jungen Mannes: Menschen mit "nichteuropäischer Gesichts- und Körpermorphologie" gehörten offensichtlich "zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung", seien damit nicht "deutscher Abstammung"und könnten ergo kein Mitglied einer DB-Verbindung sein. 


Der Antrag hat gute Chancen, so beschlossen zu werden, denn er entspricht der in der DB geltenden Rechtsauffassung. In der als "Verfassung" bezeichneten Satzung steht in Artikel 9: "Die Burschenschaft bekennt sich zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen Heimat des deutschen Volkes. Unter dem Volk versteht sie die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche Sprache verbunden ist."

 

Höchste Lebensverpflichtung: Kampf fürs Vaterland

Ein internes Rechtsgutachten präzisierte 1958, dass deshalb nur Deutsche Mitglied werden dürften: "Ein nichtdeutscher Student ist nicht in der Lage, an der vollen Verwirklichung der Grundsätze der DB mitzuwirken. Mag er auch sonst ein freier und ehrlicher Bursch sein, so kann er daneben die höchste Lebensverpflichtung eines jeden Burschenschafters, für sein deutsches Vaterland zu leben und zu kämpfen, nicht erfüllen."

 

Erst kürzlich stellte der Rechtsausschuss der DB zudem klar, dass nicht die Staatsangehörigkeit maßgeblich sei, sondern "die Abstammung von Angehörigen des deutschen Volkes". Personen "mit außereuropäischen Vorfahren sind dementsprechend keine Angehörigen des deutschen Volkes". In Zweifelsfällen müssten die Mitgliedsverbände den Rechtsausschuss anrufen.

 

Abstammung spiele schon eine Rolle


Der CSU-Politiker Hans Merkel (77), Alter Herr der zur DB gehörenden Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania, hat laut Frankfurter Rundschau an dem Rechtsgutachten mitgeschrieben. Der Jurist sagte der FR, seine "persönliche Meinung" sei, dass die Gesichtszüge nicht über Aufnahmeanträge entscheiden dürften; entscheidend für eine Mitgliedschaft sei das "Bekenntnis zum deutschen Volk und zur deutschen Kultur" –  "aber die Abstammung spielt schon eine Rolle".

 

Die biologistische Auslegung teilen nicht alle Verbindungen. Für den Burschentag liegt auch ein Antrag der Burschenschaft Hilaritas vor, das jüngste Rechtsgutachten aufzuheben. Dieses widerspreche dem in der DB-Verfassung festgelegten "kulturellen Vaterlandsbegriff", heißt es in dem ZEIT ONLINE vorliegenden Papier.

 

Die Hilaritas gehört zu den Stuttgarter Burschenschaften, die schon im Vorjahr vor dem Eisenacher Burschentag Kritik am Kurs des Dachverbandes geübt hatten. "Provokationen durch indirekt ausgedrückte Verehrung von Personen und Gedanken der nationalsozialistischen Zeit"und andere Streitpunkte hätten zu einer "gedanklichen Spaltung" der DB geführt, kritisierten Alemannia, Hilaritas und die Vereinigung Alter Burschenschafter in einem Rundschreiben, aus dem mehrere Medien zitierten. Es sei nötig, "den erkennbaren rassistischen und extremistischen Tendenzen" entgegenzuwirken.

 

Rassismus-Vorwurf entbehre jeder Grundlage


Der Sprecher der DB, Stefan Dobner, verwahrte sich am Mittwochnachmittag gegen Kritik am internen Rechtsgutachten. So sei "der Vorwurf, es handele sich gleichsam um die Einführung eines 'Arierparagraphen' überzogen, faktisch falsch und kommt Rufmord gleich". Die DB mit Rassismus in Verbindung zu bringen, "entbehrt jeder Grundlage".

 

Gut möglich, dass aus der "gedanklichen Spaltung" vom vergangenen Burschentag diesmal eine reale wird. Zu den Idealen der karrierefördernden Männerbünde gehört es, das "bundesbrüderliche Verhältnis" zu ehren. Nicht einmal die Raczeks zu Bonn fordern die Mannheimer Hansea auf, sich von dem "Bundesbruder" mit den chinesischen Eltern zu trennen. Man sehe aber keinen "gemeinsamen Weg" mehr mit ihr.

Diese wiederum kündigt an, sie werde "sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf dem Burschentag 2011 gegen den Ausschlussantrag zur Wehr setzen und sich für eine liberale Ausrichtung der Deutschen Burschenschaft einsetzen". Sollte sie scheitern, könnten sich weitere, eher liberale Verbindungen mit den Mannheimern solidarisch zeigen und aus dem Dachverband austreten.