Den Brandanschlag auf eine Datenleitung der Bahn in Berlin haben anscheinend militante Atomkraftgegner verübt. Es gibt ein Bekennerschreiben, das Morgenpost Online vorliegt. In dem Text wird die Tat detailliert beschrieben.
Das Feuer, das zum Einbruch des Bahnverkehrs in Berlin geführt hat, ist offenbar vorsätzlich gelegt worden - und zwar von militanten Atomkraftgegnern. Im Internet ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Unterzeichnet ist das Schreiben, das um 13.25 Uhr veröffentlicht wurde, mit „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ – der Name bezieht sich auf den isländischen Vulkan, der bei seinem Ausbruch, wie es in dem Text heißt, "das europäische Wirtschaftsleben 'bestreikte'".
Die Tat wird recht detailliert beschrieben - es scheint insofern durchaus möglich, dass das im internet veröffentliche Schreiben tatsächlich von den Tätern stammte: „An einer Kabelbrücke haben wir die Schutzgitter unterhalb der Türen durchtrennt und Feuer gelegt, um damit etwa einhundert Signal-, Telekommunikations- und Stromkabel kurz zu schließen. " Weiter heißt es: „Unsere Aktion ist ein Haltesignal. Wir haben die Schnauze voll!“ Als Begründung wird angeführt: „Berlin ist Hauptstadt eines der führenden Waffenexporteure, Berlin ist Hauptstadt des mächtigsten EU-Staates. In Berlin wurde ein ‚Ausstieg’ aus der Atomenergienutzung mit langen Restlaufzeiten beschlossen, aus dem dann ausgestiegen wurde, um nun erneut in einen ‚schnellst möglichen’ Pseudo-Ausstieg einzusteigen.“
Es folgt einen Reihe von politischen Statements: gegen dem Umgang der EU mit Flüchtlingen, gegen Atomkraft, gegen die Atomkatastrophe von Fukushima – dass die Bahn Ziel des Anschlages wurde, begründen die angeblichen Täter so: "Über die Schienen der Deutschen Bahn werden Atomtechnik und Atommüll transportiert. " Die unbekannten Verfasser des Bekennerschreibens äußern sich kritisch zu den bisherigen Protestformen der Anti-Atomkraft-Bewegung. Die Rede ist von "Ohnmacht" - und von "Sabotage" als Alternative.
Ob das Bekennerschreiben echt ist, prüft die Polizei derzeit noch. Ein Brandkommissariat des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) ermittelt bereits wegen vorsätzlicher Brandstiftung. Ermittler haben an der betroffenen Kabelbrücke am Verkehrsknotenpunkt Ostkreuz Reste einer brennbaren Flüssigkeit gefunden, die vermutlich als Brandbeschleuniger genutzt wurde.
Gegen 3 Uhr früh hatte ein Mitarbeiter der S-Bahn-Aufsicht am Markgrafendamm in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Ostkreuz Feuer an einer über die Straße führenden Kabelbrücke entdeckt und die Feuerwehr alarmiert. Die Lösch- und Aufräumarbeiten dauerten bis gegen 8 Uhr. Am Vormittag übernahm das Brandkommissariat die Ermittlungen. Neben den Resten des Brandbeschleunigers entdeckten die Beamten in Tatortnähe auch ein Transparent. Dessen Text lasse allerdings keine Rückschlüsse auf ein politisches Motiv der Täter zu, sagte die Polizeisprecherin. Ermittler wollten am Nachmittag allerdings nicht ausschließen, dass sich dies im Verlauf der weiteren Untersuchung noch ändert.
Das Landeskriminalamt übernahm mit seinen Brandexperten die Ermittlungen übernommen. Anfang November hatte es einen ähnlichen Kabelbrand gegeben. Damals hatte sich eine autonome Gruppe zu einem Brandanschlag bekannt.
Durch den jüngsten Kabelbrand ist der Bahnverkehr im Osten Berlins seit den Morgenstunden massiv gestört, ein Ende der Störung ist noch nicht abzusehen. Nach Angaben der Bahn wurde dadurch ein zentraler Kommunikationsknoten der IT-Sparte DB System erheblich beschädigt. Signalanlagen, der Fahrstrom, Lautsprecher und Fahrplananzeiger wurden außer Gefecht gesetzt. Fahrgäste mussten sich auf erhebliche Verspätungen und den Totalausfall von Zügen einstellen. Betroffen waren Regional- und der Fernverkehr sowie die S-Bahn. „Die Einschränkungen werden voraussichtlich den ganzen Tag über andauern“, sagte ein Bahnsprecher.
Mobilfunknetze beeinträchtigt
Auch Internetseiten der Deutschen Bahn waren zeitweise nicht erreichbar oder in ihrer Funktion eingeschränkt - darunter auch die Hauptseite www.bahn.de. Vorerst seien keine Ticketbuchungen, Reservierungen und keine Fahrplanauskünfte möglich, teilte der Konzern mit.
Die Störungen trafen gleichzeitig auch Internet- und Mobilfunknutzer in Berlin. Kunden des DSL-Anbieters Alice hatten in Folge des Grandes keine Internetverbindung mehr. „Einige DSL-Kunden von Alice können derzeit nicht ins Internet, weil sie an einer betroffenen Glasfaserleitung hängen. Die Kollegen arbeiten gerade an einer Lösung“, sagte Pressesprecher Markus Oliver Göbel. Die Zahl der betroffenen Kunden konnte er nicht benennen.
Vodafone-Presseprecher Dirk Ellenbeck sagte, durch den Brand sei eine „niedrige fünfstellige Zahl von Vodafone-Kunden im Mobil- und Festnetz“ betroffen. "Es wurden dort wichtige Kabelverbindungen zu einer Basisstation zerstört“, sagte Ellenbeck. Durch den Ausfall der Basisstation könnten die Mobiltelefone von Vodafone-Kunden vor allem im Bereich Ostkreuz keine Sprachverbindung herstellen. Lediglich mit UMTS-fähigen Handys könnte weiterhin telefoniert werden. Bei Kunden der Telekom gibt es nach Angaben eines Sprechers keine Beeinträchtigungen durch den Kabelbrand.
Erhebliche Einschränkungen
Der Brand beeinträchtigt vor allem den Bahnverkehr im Osten Berlins. S-Bahn-Strecken nach Strausberg Nord, Erkner, Schönefeld und Königs-Wusterhausen konnten nicht bedient werden, wie ein Bahnsprecher sagte. Mehrere Regionalexpress-Linien konnten nicht wie üblich über Hauptbahnhof und Alexanderplatz fahren, sondern wurden über Gesundbrunnen und Lichtenberg umgeleitet.
Da das Ausmaß so groß war, konnte die Bahn den sonst bei Störungen üblichen Ersatzverkehr mit Bussen nicht anbieten. Viele Fahrgäste versuchten daher, in Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) umzusteigen. Vor allem viele U-Bahnen waren im morgendlichen Berufsverkehr überfüllt. Den Kabelschaden zu spüren bekam auch das ICE-Werk Rummelsburg. Die Folge waren Verspätungen im Fernverkehr, zahlreiche Züge hielten nicht am nahen Ostbahnhof.
Genaue Informationen finden die Fahrgäste im Internet unter www.s-bahn-berlin.de sowie unter der Telefonnummer (030) 29 74 3333. Wenn diese überlastet ist, rät der Sprecher die Nummer der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) unter 19449 anzurufen. Nach Angaben des Sprechers sind die S1, S2 und S25 nicht betroffen, weil sie keine Berührungspunkte mit dem Bahnhof Ostkreuz haben. Verspätet und nur noch im 20-Minuten-Takt fahren die S7 und S75.
Die Regionalbahnen RE1 und RE2 wurden zweitweise über Lichtenberg und Gesundbrunnen umgeleitet. Die Ringbahn werde komplett befahren – allerdings unregelmäßig im Zehn- oder 20-Minuten-Takt. Der Flughafen Schönefeld wird ausschließlich mit Bussen angefahren. Günstig sei der Schnellbus SXF1, sagte der Sprecher. Völlig ausgefallen ist der Bahnverkehr auf den Linien S9, S46 und S47. Weitere Linien verkehrten nur im 20-Minuten-Takt. Die S3 fährt nur zwischen Spandau und Ostbahnhof.
Behinderungen im regionalen Schienenverkehr gab es gleichzeitig durch einen Streik der Lokführergewerkschaft GDL bei der Ostdeutschen Eisenbahn (Odeg). Es fielen Züge auf mehreren Regionalstrecken in Brandenburg aus. dpa/dapd/BMO