Das Mietshäuser-Syndikat kämpft weiter für den Erhalt der "Kleinrentner"-Wohnungen in Herdern, die Stadtbau will sie abreißen.
Die Baugruppe "Wem gehört die Stadt?", ein Arbeitskreis des Mietshäuser-Syndikats, hält weiterhin an ihren Plänen fest: Sie will die 95 "Kleinrentner"-Wohnungen der Freiburger Stadtbau (FSB) in der Johann-Sebastian-Bach-Straße in Herdern kaufen, obwohl die FSB kein Interesse daran hat. Die Gruppe will dort günstigen Wohnraum erhalten – für Senioren mit niederer Rente, sozial Schwache und Flüchtlingsfamilien. "Wir wollen eine soziale Entmischung in Herdern verhindern", sagt Syndikatsmitglied Stefan Rost.
In den stark sanierungsbedürftigen Wohnungen aus den 1950er Jahren haben bislang ältere Menschen mit niedriger Rente zu einem Mietpreis von zirka 6,50 Euro pro Quadratmeter gewohnt. Die FSB plant den Abriss der Wohnzeilen im Herbst und anschließend bis 2013 den Bau von 40 Miet- und Eigentumswohnungen (Kosten: zirka 11 Millionen Euro), das Baugesuch soll demnächst eingereicht werden.
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft FSB rechnet für die neuen Wohnungen mit 11,50 Euro Miete pro Quadratmeter. Sozialer Wohnungsbau sei in Herdern bei den Vorgaben (niedrige Bauweise) und Grundstückspreisen nicht möglich, sagt FSB-Geschäftsführer Ralf Klausmann. Er betont nach einem Gespräch mit Syndikatsvertretern, dass er an den Abriss- und Neubauplänen festhalten wolle: "Ich kann meinen Gesellschaftern nichts Neues empfehlen."
Klausmann nennt ein Beispiel für seine Ablehnung: Das Syndikat, ein
Zusammenschluss selbst organisierter Hausprojekte, würde die Altbauten
gerne zum symbolischen Preis von 1 Euro erwerben; dafür, sagt Klausmann,
könne er die Gebäude mit einem Buchwert von 1,3 Millionen Euro nicht
abgeben. Das Mietshäuser-Syndikat will sich dadurch aber nicht
abschrecken lassen: Es will beim Stadtbau-Aufsichts- sowie dem
Stiftungsrat der Heiliggeistspitalstiftung, welcher das Grundstück
gehört, für seine Idee werben. "Wir sind noch nicht entmutigt"; selbst
bei 1,3 Millionen Euro könne man die Miete immer noch unter 8 Euro pro
Quadratmeter halten, versichert Stefan Rost, der bislang von 7 Euro
Miete ausgegangen war. Alt- durch Neubauten zu ersetzen, diese Rechnung
geht für ihn nicht auf. Syndikatsmitglied und Architektin Helma
Haselberger sagt: "Der Altbaubestand ist gar nicht so schlecht."
Das Syndikat kalkuliert wie folgt: Für die energetische Sanierung
(Wärmedämmung, neue Fenster, Blockheizkraftwerk) und Modernisierung von
3200 Quadratmetern Wohnfläche inklusive neuer Wohnungszuschnitte sowie
den Ausbau der Dachgeschosse (800 Quadratmeter) werden rund 3,7
Millionen Euro benötigt, inklusive Grunderwerbssteuer rechnet man mit
vier Millionen Euro. "Wir wollen Schritt für Schritt sanieren", kündigt
Rost an. Mit Eigenkapital kalkuliert das Syndikat nicht: Ein Drittel der
Summe sollen Privatpersonen mit niedrig verzinsten Direktkrediten ab
500 Euro (null bis maximal 3 Prozent) beisteuern; Rost glaubt, dass die
Nachfrage an einer solchen "ethischen Geldanlage" seit der Finanzkrise
größer geworden ist. Den Rest will das Syndikat über günstige Kredite,
etwa von der staatlichen KfW-Bank, und Förderprogramme finanzieren. Sehr
stark setzt es auf die angekündigten Landeswohnungsbauprogramme der
neuen grün-roten Landesregierung. Davon ausgehend, dass das Grundstück
im Besitz der Heiliggeistspitalstiftung bleibt, geht es von einem
jährlichen Erbbauzins von 140 000 Euro aus, pro Quadratmeter wären das
knapp unter 3 Euro im Monat. Rechnet man einen weiteren Euro für
Instandhaltung und Verwaltung, blieben bei einer kalkulierten
Quadratmetermiete von 7 Euro drei Euro für Zins und Tilgung (1 Prozent);
würde die Stadtbau 1,3 Millionen für die Gebäude verlangen, stiege der
Mietpreis auf zirka 7,70 Euro an.
DAS MIETSHÄUSER-SYNDIKAT
Das Syndikat ist ein Zusammenschluss von bundesweit rund 60 selbstorganisierten alternativen Hausprojekten und als Verein mit 300 Mitgliedern organisiert. Aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen hat der Verein eine zu 100 Prozent ihm gehörende GmbH. Für jedes Hausprojekt wird ein eigener Hausbesitzverein mit eigener Hausbesitz GmbH gegründet, in der neben dem Hausverein die Syndikat GmbH als Kontroll- und Wächterorgan der zweite Gesellschafter ist. Beide, Syndikat und Hausverein, haben in Grundlagenfragen (Hausverkauf, Umwandlung in Eigentumswohnungen) Stimmrecht, Veränderungen des Status quo können nur mit Zustimmung beider Gesellschafter beschlossen werden; bei allen anderen Fragen hat der Hausverein alleiniges Stimmrecht.
von Frank Zimmermann
Bildunterschrift: Verbarrikadiert sind viele der leerstehenden Wohnungen in der Johann-Sebastian-Bach-Straße, nur wenige sind noch bewohnt. Foto: M. Bamberger