"Wir sind noch nicht entmutigt"

Verbarrikadiert sind viele der leerstehenden Wohnungen in der Johann-Sebastian-Bach-Straße, nur wenige sind noch bewohnt. Foto: M. bamberger
Erstveröffentlicht: 
13.05.2011

Das Mietshäuser-Syndikat kämpft weiter für den Erhalt der "Kleinrentner"-Wohnungen in Herdern, die Stadtbau will sie abreißen.

 

Die Baugruppe "Wem gehört die Stadt?", ein Arbeitskreis des Mietshäuser-Syndikats, hält weiterhin an ihren Plänen fest: Sie will die 95 "Kleinrentner"-Wohnungen der Freiburger Stadtbau (FSB) in der Johann-Sebastian-Bach-Straße in Herdern kaufen, obwohl die FSB kein Interesse daran hat. Die Gruppe will dort günstigen Wohnraum erhalten – für Senioren mit niederer Rente, sozial Schwache und Flüchtlingsfamilien. "Wir wollen eine soziale Entmischung in Herdern verhindern", sagt Syndikatsmitglied Stefan Rost.

 

In den stark sanierungsbedürftigen Wohnungen aus den 1950er Jahren haben bislang ältere Menschen mit niedriger Rente zu einem Mietpreis von zirka 6,50 Euro pro Quadratmeter gewohnt. Die FSB plant den Abriss der Wohnzeilen im Herbst und anschließend bis 2013 den Bau von 40 Miet- und Eigentumswohnungen (Kosten: zirka 11 Millionen Euro), das Baugesuch soll demnächst eingereicht werden.

 

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft FSB rechnet für die neuen Wohnungen mit 11,50 Euro Miete pro Quadratmeter. Sozialer Wohnungsbau sei in Herdern bei den Vorgaben (niedrige Bauweise) und Grundstückspreisen nicht möglich, sagt FSB-Geschäftsführer Ralf Klausmann. Er betont nach einem Gespräch mit Syndikatsvertretern, dass er an den Abriss- und Neubauplänen festhalten wolle: "Ich kann meinen Gesellschaftern nichts Neues empfehlen."


Klausmann nennt ein Beispiel für seine Ablehnung: Das Syndikat, ein Zusammenschluss selbst organisierter Hausprojekte, würde die Altbauten gerne zum symbolischen Preis von 1 Euro erwerben; dafür, sagt Klausmann, könne er die Gebäude mit einem Buchwert von 1,3 Millionen Euro nicht abgeben. Das Mietshäuser-Syndikat will sich dadurch aber nicht abschrecken lassen: Es will beim Stadtbau-Aufsichts- sowie dem Stiftungsrat der Heiliggeistspitalstiftung, welcher das Grundstück gehört, für seine Idee werben. "Wir sind noch nicht entmutigt"; selbst bei 1,3 Millionen Euro könne man die Miete immer noch unter 8 Euro pro Quadratmeter halten, versichert Stefan Rost, der bislang von 7 Euro Miete ausgegangen war. Alt- durch Neubauten zu ersetzen, diese Rechnung geht für ihn nicht auf. Syndikatsmitglied und Architektin Helma Haselberger sagt: "Der Altbaubestand ist gar nicht so schlecht."

Das Syndikat kalkuliert wie folgt: Für die energetische Sanierung (Wärmedämmung, neue Fenster, Blockheizkraftwerk) und Modernisierung von 3200 Quadratmetern Wohnfläche inklusive neuer Wohnungszuschnitte sowie den Ausbau der Dachgeschosse (800 Quadratmeter) werden rund 3,7 Millionen Euro benötigt, inklusive Grunderwerbssteuer rechnet man mit vier Millionen Euro. "Wir wollen Schritt für Schritt sanieren", kündigt Rost an. Mit Eigenkapital kalkuliert das Syndikat nicht: Ein Drittel der Summe sollen Privatpersonen mit niedrig verzinsten Direktkrediten ab 500 Euro (null bis maximal 3 Prozent) beisteuern; Rost glaubt, dass die Nachfrage an einer solchen "ethischen Geldanlage" seit der Finanzkrise größer geworden ist. Den Rest will das Syndikat über günstige Kredite, etwa von der staatlichen KfW-Bank, und Förderprogramme finanzieren. Sehr stark setzt es auf die angekündigten Landeswohnungsbauprogramme der neuen grün-roten Landesregierung. Davon ausgehend, dass das Grundstück im Besitz der Heiliggeistspitalstiftung bleibt, geht es von einem jährlichen Erbbauzins von 140 000 Euro aus, pro Quadratmeter wären das knapp unter 3 Euro im Monat. Rechnet man einen weiteren Euro für Instandhaltung und Verwaltung, blieben bei einer kalkulierten Quadratmetermiete von 7 Euro drei Euro für Zins und Tilgung (1 Prozent); würde die Stadtbau 1,3 Millionen für die Gebäude verlangen, stiege der Mietpreis auf zirka 7,70 Euro an.  

 


 

DAS MIETSHÄUSER-SYNDIKAT

 

Das Syndikat ist ein Zusammenschluss von bundesweit rund 60 selbstorganisierten alternativen Hausprojekten und als Verein mit 300 Mitgliedern organisiert. Aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen hat der Verein eine zu 100 Prozent ihm gehörende GmbH. Für jedes Hausprojekt wird ein eigener Hausbesitzverein mit eigener Hausbesitz GmbH gegründet, in der neben dem Hausverein die Syndikat GmbH als Kontroll- und Wächterorgan der zweite Gesellschafter ist. Beide, Syndikat und Hausverein, haben in Grundlagenfragen (Hausverkauf, Umwandlung in Eigentumswohnungen) Stimmrecht, Veränderungen des Status quo können nur mit Zustimmung beider Gesellschafter beschlossen werden; bei allen anderen Fragen hat der Hausverein alleiniges Stimmrecht.  

 

von Frank Zimmermann

 

Bildunterschrift: Verbarrikadiert sind viele der leerstehenden Wohnungen in der Johann-Sebastian-Bach-Straße, nur wenige sind noch bewohnt. Foto: M. Bamberger