2. Verhandlungstag im S21-Baggerprozess: Rechtmäßigkeit von Polizeieinsatz und von der S21-Baugenehmigung in Frage gestellt

Ecureuil

- Angeklagte: "Stuttgart 21 ist rechtswidrig zustande gekommen, also darf der Protest nicht kriminalisiert werden"

- Kritik am Polizeieinsatz und an der gewaltsamen Räumung durch das SEK

- Fortsetzung am 24. Mai 2011 um 13:30 Uhr mit zwei Zeugenvernehmungen und weiteren Beweisanträgen

- gestellte Anträge online, zur weiteren freien Weiter-Verwendung/Verbesserung im Kampf gegen S21 und gegen die Urteilsfabriken  !

 

Am 10. Mai 2011 wurde der Prozess gegen zwei Robin Wood AktivistInnen, den vorgeworfen wird, im Sommer 2010, aus Protest gegen S21, einen Abrissbagger am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes besetzt zu haben, fortgesetzt.

 

Am ersten Verhandlungstag reagierte Richterin Probst noch sehr gereizt, als sie merkte, sie könne ihr Verfahren nicht wie üblich in wenigen Stunden durchziehen und schnell zu einer Verurteilung kommen. Stellungnahmen der Angeklagten unterbrach oder ließ sie erst gar nicht zu. Was aber den gesamten Ablauf nicht beschleunigte. Mit juristisch sehr präzise begründete Rügen und Befangenheitsanträge wehrten sich die Angeklagten."Ich habe natürlich nicht erwartet, dass unseren Anträgen statt gegeben wird, über die Befangenheit entscheidet eine andere Richterin, unter KollegInnen erklärt man sich doch nicht für gegenseitig befangen. Aber dadurch haben wir zumindest unsere Rechte, wie das Recht auf Stellungnahme nach jeder Beweiserhebung nach § 257 StPO durchgesetzt" fasst die Angeklagte Cécile das Ergebnis der Strategie der Verteidigung zusammen. (Rüge zum Verbot Stellungnahmen zu den Beweismitteln abzugeben als PDF) Ein bisschen Sand im Getriebe der Urteilsfabrik.

 

Ihre Argumentation bekräftigten die Angeklagten am Dienstag mit zahlreichen Beweisanträgen, die noch zu bescheiden sind.

" Fest steht, dass die damalige Versammlung auf dem Kran durch das SEK auf Anordnung von Einsatzleiter Feß ohne vorige Auflösung gesprengt wurde, die Räumung erfolgte laut Polizeioberrat nach Polizeirecht. Die Anwendung von Polizeirecht ist aber ohne vorige Versammlungsauflösung nicht zulässig. Selbst verbotene Versammlungen müssen aufgelöst werden. Das ist zum Beispiel der Fall bei Versammlungen auf der Schiene, gegen Castortransporte", erläutert die Portesterfahrene Cécile. die sich in der Vergangenheit ausgerechnet wegen antiatom Protest bereits verteidigen musste. Weil die Versammlung nicht aufgelöst wurde, habe für die Beteiligten keine Verpflichtung bestanden, sich aus dieser zu entfernen und den Kran zu verlassen. Die Dauer der Besetzung könne somit nicht gegen die Angeklagten ausgelegt werden.

 

Auf ein in Februar 2011 verkündetes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, was Versammlungen am Frankfurter Flughafen zum Gegenstand hatte, bezogen sich die Angeklagten weiter. Demnach unterliegen von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen einer Grundrechtsbindung; Versammlungen dürfen auf dem Gelände nicht ohne Weiteres untersagt werden. Da die Versammlung auf dem Gelände des Stuttgarter Hauptbahnhofes statt gefunden habe, sei das Flughafenurteil auf den in Stuttgart verhandelten Fall übertragbar. "Die Rechtsgüterabwägung zwischen Hausrecht und Versammlungsrecht muss zu Gunsten der Versammlung, also der Angeklagten erfolgen", so das Fazit der Verteidigung.(Beweisanträge zum Versammlungsrecht als PDF)

 

In der Kritik stand auch die unverhältnismäßige Räumung durch ein vermutetes Sondereinsatzkomando (SEK). "Vermummte Beamten gegenüber friedlichem Protest? Das ist doch ein Witz! Selbst die bereits vernommen Zeugen haben erklärt, dass seitens der Aktivisten zu keinem Zeitpunkt Gewalt angewendet wurde. Um so unverhältnismäßiger kommt die gefährliche unprofessionelle Räumung durch das SEK vor. Professionelle Kletter schneiden keine Sicherung mit dem Messer durch !" empört sich Kletteraktivistin Cécile Lecomte. "Die Polizei hat ausgebildete Einheiten, die eine Räumung der Beteiligten ohne  derartige Gefährdung der DemonstrantInnen durchführen können. Ich kenne sie aus Protesten gegen Atomtransporte, ich wurde schon dutzende male durch solche Einheiten geräumt" weiß die Aktivistin.(Antraege und Stellungnahmen dazu als PDF)

 

Auch die Berechtigung der Firma Wolf und Müller Spezialbau GmbH und Co KG , die die Arbeiten im Auftrag der Deutschen Bahn auf dem Gelände durchführte, Strafanträge zu stellen, stellten die AktivistInnen in Frage. Zur Problematik der Hausrechtes trug die Richterin aus der Akte vor. Woraufhin eine der Angeklagten etwas lauter wurde. Sie rügte, dass ihr der Vermerk, als sie Akteneinsicht erhielt, vorenthalten wurde. Man könne nicht über Dinge verhandeln, die der Verteidigung nicht bekannt sind, so die Angeklagte. Unterstützung bekamen die AktivistInnen aus dem Publikum, 2 ZuschauerInnen kommentierten die Justiz-Frace mit einem Transparent: "Gerichte sind zum Essen da", riefen sie dazu.  So viel ist von  dieser Institution  die der Aufrechterhaltung herrschender Verhältnisse dient, zu halten... Weil Kritik und freie Meinungsäußerung vor Gericht unerwünscht ist, wurden die zwei ZuschaerInnen aus dem Saal verwiesen.

 

Die AktivistInnen konnten durchsetzen, das sie am Tag vor dem nächsten Verhandlungstermin erneut Akteneinsicht bekommen. Strittig bleibt aber, dass die Richterin das kopieren oder abfotografieren der Akte nicht erlauben mochte. Was die Verteidigung erheblich einschränkt, die 300 Seiten Akte können die Angeklagten weder vollständig abschreiben, noch auswendig lernen! " dagegen werden wir uns noch wehren" versprechen die Angeklagten.

 

Auch die Verwerflichkeit der angeklagten Handlung stellten die AktivistInnen in Frage und wiesen mit begründeten Beweisanträgen zu den Gefahren von S21 und der Art und Weise wie die Genehmigung für S21 zustande gekommenen ist, auf dem Notstandsparagraf des Strafgesetzbuches hin. Am 24. Mai werden sie weitere Anträge in diese Richtung stellen und Stuttgart 21 den Prozess machen. (gestellte Beweisanträge) Das Gericht behauptet Hausfridensbruch, den Freiden haben aber Bahn und Politik schon lange gebrochen! Ansischtssache also... viele sehen diese Aktionen wohl als notwendig an... Weil von der Politik von oben nichts zu erwarten ist, außer vielleicht ein Einleken auf Grund entschlossenem Protest von unten.

 

Entschlossener Widerstand und Sand im Gertrieb der Urteilsfabriken  kann auch vor Gericht zum Erfolg bringen. Wie der Fall von Franziska es zeigt.

Am Dienstag stand die Flughafenausbaugegerin in Rüsselsheim vor Gericht. Ihr wurde Hausfriedensbruch vorgeworfen,  das ist der gleicher Vorwurf wie der Fall der AktivistInnen in Stuttgart. Das Verfahren konnte nach vier Stunden Verhandlung eingestellt werden, nachdem die Firma Fraport zu einer Rücknahme ihres Strafantrages motiviert werden konnte...  Hausfriedensbruch wird in der Regel nur auf Antrag verfolgt. Die Unterstützung zahlreicher  solidarischen Menschen, die  ein erster Prozesversuch letztes Jahr zum scheitern brachten und sich beim erneuten Prozessversuch nun mit Briefen an das Gericht und die Fraport beschwerten, trugen wesentlich zum Erfolg bei. Bericht

 

Im Baggerprozess hat die Firma Wolf und Müller Strafantrag gestellt. Aus der Homepage des Unternehmens ist zu entnehmen, dass  es seinen Sitz in Stuttgart hat. Über etwas Aufmerksamkeit und Protestbriefe freut es sich bestimmt.

 

Wolf und Müller Spezialbau GmbH und Co KG

Schwieberdinger Straße 107 - 70435 Stuttgart

Telefon +49 711 8204-0
Telefax +49 711 8204-335
info@wolff-mueller.de

 

 

Ach... und  die Soli-Faxaktion an das Stuttgarter Gericht läuft noch.... Kann frei umformuliert werden und auch für andere Prozesse - Proteste verwendet werden.

 

Weitere Infos:

http://blog.eichhoernchen.fr/

http://www.bei-abriss-aufstand.de/

http://www.robinwood.de/blog/

 

Vorige Berichte zum Prozess: Ankündigung - 1.Prozesstag-Eichhörnchen-Bericht - 1er Prozesstag Indy-bericht - 1. Prozesstag, die Strategie (mit den gestellten Anträgen als PDF)