Ein neuer Träger für alte die alte Überwachung

Okerstraße

Am 6. Mai eröffnet um 13 Uhr das neue Büro des Monitoring- und Überwachungsprojekts Taskforce Okerstraße (TFO) des Neuköllner Bezirksamtes unter verantwortlicher Leitung des  Quartiersmanagment Schillerkiez in der Okerstraße 3 offiziell. Das Ziel und die Aufgabe des TFO-Büros ist es explizit Daten zur sozialen Situation der Bevölkerung im Schillerkiez zu sammeln und diese mit den Ämtern sowie den Sicherheitsbehörden abzugleichen. Weil sich der erste Träger Integra e.V. dem Kontroll- und Überwachungsaufgaben verweigerte und eine klassische, niederschwellige Sozialarbeit anbot, wurde er im Dezember vergangenen Jahres unter obskuren Umständen gekündigt und durch den neuen Träger Interkulturelles Bündnis für Berlin gGmbH (iBfB) ersetzt.

 

Der Standort des neuen Büros ist genau gegenüber von dem alten TFO-Büro von Integra in der Okerstraße 44. Offenbar wollen Arnold Mengelkoch, der Migrationsbeauftragte und Verantwortliche im Neuköllner Bezirksamt, Kerstin Schmiedeknecht, die Angestellte der Brandenburgischen Stadterneuerungsgesellschaft mbH (BSG) und Leiterin des Quartiersmanagment Schillerkiez, und der neue Träger den Eindruck erwecken, daß sich wenig geändert hat. Das Mitternachtsboxen soll es, wie im Bericht zur Quartiersratssitzung vom 14. April zu lesen ist, auch wieder geben. Allerdings muß die Simulation des nahtlosen Übergangs von Integra e.V. zum Interkulturelles Bündnis für Berlin gGmbH (iBfB) äußerst skeptisch betrachtet werden. Mitnichten wird lediglich ein Träger von Sozialarbeit im Kiez durch einen anderen ersetzt.

 

Mit Integra e.V. wurde ein gemeinnütziger Verein ohne wirtschaftliches Interesse erst unter Druck gesetzt, dann obskur und bis heute nicht ordentlich aufgearbeitet gekündigt, um die einzelnen Sozialarbeiter_innen und den Verein selbst zu kriminalisieren. An die Stelle von sozial engagierten Menschen wurde nun ein Dienstleister gesetzt, dessen Gemeinnützigkeit einzig und allein darin besteht, den Gewinn durch die „Sozial-Arbeit“ in den eigenen Verwaltungsapparat zu reinvestieren. Deshalb hier ein paar Informationen zum neuen Träger Interkulturelles Bündnis für Berlin gGmbH (iBfB).

 

Über die iBfB ist wenig bekannt. Diese gemeinnützige Gesellschaft gehört zum Firmenkonglomerat und Netzwerk verschiedener sozialer Fachbereiche der navitas gGmbH mit Sitz in der noblen Schöneberger Schloßstraße 48 A. Erst am 31. Januar 2011 wurde, laut Handesregistereintragungen, die Zweigniederlassung in der Karl-Marx-Straße 206 ordnungsgemäß angemeldet und wird heute als Geschäftsstelle angegeben. Gegründet wurde die navitas gGmbH übrigens am 22. November 2005 und residiert(e) seitdem im bürgerlichen Stadtbezirk Schöneberg.

 

Die iBfB gGmbH gibt es offenbar seit Mai 2009. Die dazugehörige (gemeinnützige) Gesellschaft wurde am 8. April 2010 registriert und als Geschäftsadresse die Dominicusstr. 32 in Schöneberg aufgeführt. Unter dieser Adresse war lange der Verein ESPERANTO – Aufsuchende Hilfe e.V. ansässig, der als Ausgangspunkt von navitas beschrieben wird. Erst am 27. Januar 2011 wird die Karl-Marx-Straße 206 als Geschäftsstelle angegeben (und registriert). Die iBfB hat keine eigene Homepage. Die aktuelle Geschäftsführung ist nirgendwo einsehbar. Im Bericht zum Geschäftsjahr 2009 sind als Geschäftsführer_innen noch Jamal El-Moghrabi, Adnan Gündogdu, Thomas Gervink und Herr Candan Ögütcü aufgeführt, wobei die beiden letzteren auch die Geschäftsführer von navitas sind. El-Moghrabi und Gündogdu tauchen im (gemeinnützigen) Gesellschafts- und Gesellschafter_innengeflecht nicht mehr auf.

 

Der Auftritt von navitas kommt recht professionell daher. Da ist viel von Management, Qualität, oder auch mal beides zusammen, was sich dann QM (Qualitätsmanagment) nennt die Rede, oder auch von der Berliner Soziallandschaft (was immer das auch sein mag) und Projekten. Außerdem wird von „gelebter Integration“ und Völkerverständigung gefaselt. Zu sozialen Projekten ist lediglich ein hübsches PR-Sprech Statement zu lesen, daß nämlich navitas „ständig bemüht [ist] neue Ideen zu entwickeln und voran zu treiben, die sich an den Anforderungen unserer bewegten Gesellschaft orientieren“. Mehr gibt es offenbar zu sozialen Aufgabe durch die Sozial-Manager_innen nicht zu sagen.

 

Erstaunlich ist, daß die navitas gGmbH, die mit der iBfB gGmbH und der Miges gGmbH zwei Filialen besitzt, einen relativ großen Verwaltungsapparat aufgebaut hat, wo in verschiedenen Fachbereichen zu verschiedenen Themen gearbeitet wird. Dies ist wichtig, da die Besonderheit der vermeintlich gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) darin besteht, daß Verwaltungskosten aus den Gewinnen und Zuschüßen bezahlt werden, und nicht, wie bei einem eingetragenen Verein, eine weitestgehend ehrenamtliche Arbeit geleistet wird, die soziales Engagement aktivieren will. Die navitas kann deshalb intern durch ihre Untergesellschaften (Verwaltungs-) Kosten verbuchen, die der navitas zu Gute kommen und den Gewinn durch die Gegend schieben. Hinzu kommen Steuererleichterungen. Inwieweit navitas von 1-Euro-Jober_innen Zuweisungen profitiert, ist unklar.

 

So professionell die navitas daherkommt, so wenig hat sie mit sozialem Engagement zu tun. Vielmehr gehört diese Firma eher zu einem Sozial-Markt, der mit „integrativen“ Angeboten, Sozial-Beratung usw. Geld erwirtschaften soll. Die soziale Perspektive ist hierbei lediglich ein „Zweck“ und die Kennzeichnung des Gewerbes, als ein integrativer Ansatz. Sozialarbeit interessiert die Firma nicht. Mit navitas / iBfB wird das Bezirksamt und der rassistische Migrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch sehr viel einfacher an persönliche (Verwaltungs-) Daten von „Klient_innen“ der gemeinnützigen Gesellschaft herankommen. Mit navitas ist neben der Polizei, den Ämtern und eine Bau- und Sanierungsfirma (die das QM Schillerkiez als Vorortbüro / Filiale betreibt) nun auch ein quasikommerzieller Sozial-Dienstleister mit an Bord. Das erwünschte TFO-Netzwerk aus Behörden, Baufirmen und sozialen Befriedungsinstitutionen mit dem Ziel der sozialen Überwachung und Kontrolle kann nun kräftig sprießen! Solange wir es zu lassen...

 

Scheiß auf soziale Kontrolle!

 

aka berlin