Fünf Beamte sollen einen Libanesen misshandelt haben. Die Polizisten widersprechen. Ihrer Wache wurde schon öfter rassistische Gewalt vorgeworfen.
HANNOVER taz | Von der Begegnung mit Polizisten der Inspektion Hannover-Mitte hat ein 20-jähriger Student mit libanesischem Familienhintergrund zahlreiche Verletzungen davon getragen. Wunden an Augen, Nase, Rücken und im Lendenbereich mussten im Krankenhaus behandelt werden. Der Mann behauptet, grundlos von den Beamten verprügelt worden zu sein. Die weisen den Vorwurf zurück und haben ihrerseits Anzeige gegen den Studenten gestellt.
Die Auseinandersetzung ereignete sich bereits im Herbst 2010. In ihrer Freizeit sollen die fünf Polizisten den Studenten in Hannovers Innenstadt zunächst rassistisch beleidigt und dann überwältigt haben. "So einen Kanaken wie dich will ich gar nicht kennen", soll einer der Beamten nach Angaben von Rechtsanwalt Heinrich-Wilhelm Langrehr, der das mutmaßliche Opfer vertritt, gesagt haben.
Aus Angst habe sein Mandant einen Schlagstock gezogen, ihn jedoch gleich wieder weggesteckt. Daraufhin sei er von den Männern, die sich erst dann als Polizeibeamte ausgegeben hätten, gewaltsam zu Boden gebracht worden. Weitere Verletzungen seien dem Studenten dann auf der Wache in der Herschelstraße beigebracht worden, wo drei weitere Beamte an den Misshandlungen beteiligt gewesen sein sollen.
Die Version der beschuldigten Polizisten klingt anders. Demnach soll der Student die Beamten angepöbelt und bespuckt haben, woraufhin sie ihn verhaftet hätten, berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes haben die Beamten ein Verfahren gegen den Mann eingeleitete.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen vier der beschuldigten Beamten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt. Ihr seien "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" zugetragen worden, die die Ermittlungen rechtfertigten, sagt Oberstaatsanwältin Irene Silinger. "Was dabei rauskommt, kann man überhaupt noch nicht prognostizieren." Wie der Student sich die Verletzungen nach Ansicht der Polizisten zugezogen haben soll, dazu schweigen sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen.
Nicht der erste Fall
Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizeiwache in Hannovers Innenstadt negative Schlagzeilen macht. Zuletzt sahen sich Beamte im Dezember 2008 dem Vorwurf der "rassistischen Polizeigewalt" ausgesetzt. Sie sollen einen Togolesen schikaniert, demütigend behandelt und ohne Kleidung wieder auf die Straße gesetzt haben. Der damalige Vorwurf des Drogenhandels sei "offensichtlich substanzlos und rassistisch motiviert" gewesen, kritisierte damals der niedersächsische Flüchtlingsrat.
In 156 Fällen ermittelte die Staatsanwaltschaft in den vergangenen drei Jahren gegen BeamtInnen der Polizeiinspektion Mitte. Meist ging es um Körperverletzung im Amt. Die Inspektion begründet die hohe Zahl der Anzeigen damit, dass sie es in ihrem Zuständigkeitsbereich häufig mit Betrunkenen zu tun habe, die Widerstand gegen die BeamtInnen leisteten. Auf Anzeigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte folgten dann häufig "Gegenanzeigen", so eine Polizeisprecherin.
In keinem der 156 Fälle kam es zu einer Verurteilung. "Die Beweislage ist immer schlecht, wenn eine Gruppe von Polizisten gegen eine Einzelperson tätig ist", sagt Anwalt Langrehr. Er hofft, im aktuellen Fall die Geschehnisse aufklären zu können. Zwei Zeugen würden die Aussagen seines Mandanten stützen. "In der Zelle war er alleine", bedauert der Anwalt, "aber selbst hat er sich die Verletzungen wohl nicht zugeführt."
Auf der Internetplattform Indymedia bekennen sich inzwischen offensichtlich Linke zu einem Racheakt an der Polizei. "Rassistisch motivierte Polizeigewalt" sei "Teil der beschissenen Normalität", heißt es dort. Eine Polizeiwache in Hannover-Herrenhausen hätten sie mit Farbe beworfen, "um diese Normalität kenntlich zu machen". Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung.