[B] Freispruch im zweiten "Badelatschen-Prozess"

Badelatschen gegen Bomber

Am 30.6.2009 wurde im Reichstagsgebäude die Ausstellung „Bundeswehr im Einsatz“ eröffnet. Diese Feier von 15 Jahren Kriegseinsatz der Bundeswehr im Ausland nahmen Antimilitarist_innen zum Anlass, gegen die Kriegspolitik Deutschlands zu protestieren. Die Rede des Kriegsministers Jung wurde lautstark gestört, ein Transparent mit der Aufschrift „Wir geloben zu rauben und zu morden“ wurde entrollt und Jung und seine militaristische Zuhörerschaft mit Unmengen von rosa Badelatschen und Flyern eingedeckt.

 

Wegen dieser Aktion flatterten mehrere Antimilitaritst_innen Bußgeldbescheide in Höhe von 200 Euro ins Haus, weil sie gegen die Hausordnung des Deutschen Bundestags verstoßen hätten. Gegen diese ihnen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit legten einige Betroffene Widerspruch ein. Im folgenden nun ein zusammenfassender Bericht der beiden Prozesstage gegen einen Antimilitaristen am 23.2. und am 8.3.2011.

 

Der erste Prozesstag begann bereits vor dem Gerichtsgebäude. Unterstützer_innen des Angeklagten zeigten vor dem Gerichtsgebäude Transparente, Schuhe und rosa Badelatschen. Anlass dafür war der vorangegangene Prozess zur selben Sache, indem die Angeklagte zur Zahlung der 200 Euro plus 300 Euro Ordnungsstrafe verurteilt wurde. In diesem Prozess hatte sich gezeigt, dass es keiner Beweise bedarf, um Antimilitarist_innen zu verurteilen, sondern politischer Wille dazu ausreicht. Damit wurde seitens des Gerichts klargestellt, dass es sich bei den „Badelatschen-Prozessen“ um politische Prozesse handelt. Darauf wurde mit der Aktion vor dem Gerichtsgebäude aufmerksam gemacht.

 

Die Verhandlung selbst begann dann mit einer Erklärung des Angeklagten, in der er sich auf die Farce des letzten Prozesses bezog und auf die Rolle deutscher Gerichte bei der Durchsetzung deutscher Kriegspolitik hinwies. Mit Bezug auf das Massaker von Kunduz und den Verweis darauf, dass die Verantwortlichen dafür nie zur Rechenschaft gezogen wurden, erklärte der Angeklagte, dass es anscheinend nicht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und deutscher Gerichte sei, „den Mord an 180 Afghanen in Afghanistan zu verfolgen, sondern Menschen, die sich gegen diese Kriegsordnung einsetzten, auf ihr ordnungswidriges Verhalten hinzuweisen. Sie sind dazu da, die Illusion von Frieden zu Hause aufrecht zu erhalten, um einen reibungslosen Ablauf der Kriegsmaschinerie zu gewährleisten.“ Zu der ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit sagte er abschließend: „Insofern ist es scheinbar konsequent, antimilitaristische Intervention als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Würde aber hinter die Fassade dieser rechtlichen Ordnung geblickt werden, würde auffallen, dass es hier und heute um nichts anderes geht, als darum Kriegspolitik zu legitimieren. Woher Sie diese Legitimität nehmen, bleibt mir ein Rätsel. Dass antimilitaristische Intervention legitim ist, daran habe ich angesichts dieser Zustände keinen Zweifel.“

 

Eigentlich wäre diese Erklärung ein guter Auftakt dafür gewesen, sich über die politische Dimension des Prozesses zu streiten. Aber wie schon im ersten Prozess gaben sich Richterin und Staatsanwalt lieber ihrem forensischen Faible hin und versuchten dem Angeklagten nachzuweisen, dass er an der Aktion beteiligt war. Dazu wurden zunächst zwei Zeugen gehört, die sich nicht an den Angeklagten erinnern konnten und zwei Videos geguckt, auf denen niemand zu sehen ist. Damit hätte es auch schon vorbei sein können. Doch so schnell wollte die Richterin nicht aufgeben und setzte einen zweiten Termin an, um weitere Zeugen zu hören und andere Videos zu gucken, die aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht gesichtet werden konnten.

 

Überraschenderweise hatte die Richterin aber dann zum zweiten Prozesstag kein Zeug_innen geladen, sondern berichtete nur über die Telefonate, die sie mit ihnen geführt hatte. Diese ergaben auch nichts weiter, als nicht schon in der Akte gestanden wäre, weshalb von allen Seiten darauf verzichtet wurde, die Zeugen dennoch hören zu wollen. So wurden nur noch zwei weiter Videos geguckt, auf denen wieder niemand zu sehen ist. Und nach kurzem Prozess wurde der Angeklagte freigesprochen. Dennoch konnte sich die Richterin in ihrer Urteilsbegründung nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass es wahrscheinlich sei, dass der Angeklagte in irgendeiner Weise an der Aktion beteiligt gewesen sei. Doch leider müsse ihm das auch nachgewiesen werden, was im Prozess leider nicht gelungen sei.

 

Über Sinn und Unsinn der Aktion verlor die Richterin kein Wort. Ihr ging es nur um die Frage, ob der Angeklagte ordnungswidrig gehandelt hat oder nicht. Und dieser Frage ging sie akribisch nach und nahm sich zwei Prozesstage Zeit, sie zu beantworten. Wünschenswert wäre diese Akrebie auch bei der Aufarbeitung der Verbrechen der Bundeswehr in Afghanistan. Aber dafür sind, wie der Angeklagte richtig bemerkte, deutsche Gerichte anscheinend nicht zuständig. Spannend wäre in diesem Zusammenhang auch gewesen, was Dr. Enrico Brissa zu diesem Sachverhalt gesagt hätte. Der heutige Protokollant des Bundespräsidenten war damals Sekretär des Kunduz-Untersuchungsausschusses. Und er hätte als Zeuge am zweiten Prozesstag aussagen sollen. Leider kam es nicht dazu.