Witten. Weil Zeugen fehlten, war kein Urteil im Prozess gegen einen 28-jährigen Neonazi aus Dortmund möglich. Er soll im August 2009 in der Wittener Fußgängerzone Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt haben.
Der Revisionsprozess gegen einen 28-jährigen Neonazi aus Dortmund, der im August 2009 in der Wittener Fußgängerzone Opfer des Nationalsozialismus verunglimpft haben soll, ging am Dienstag vor dem Bochumer Landgericht ohne Entscheidung zu Ende. Mehrere Zeugen waren nicht erschienen, darunter einer, der den Angeklagten entlasten sollte.
Dagegen wurde das Verfahren gegen den ebenfalls 28-jährigen Mittäter aus Witten gleich zu Prozessbeginn gegen eine Auflage von 402 Euro eingestellt. Er befindet sich seit vergangenem Sommer in einem Aussteigerprogramm für Neonazis und konnte dem Schöffengericht glaubhaft versichern, einen neuen Lebensweg eingeschlagen zu haben. Der ehemalige Fraktionsassistent der NPD im Wittener Rat hat zudem keine Vorstrafen. Er gab die gegen ihn erhobenen Vorwürfe – wie schon in erster Instanz vor dem Amtsgericht Witten – zu und äußerte sich im Anschluss als Zeuge.
Verstorbene verhöhnt
Die beiden Aktivisten sollen am 15. August 2009 während einer spontanen Demonstration in der Wittener Innenstadt zahlreiche Opfer des Nationalsozialismus, die als Zwangsarbeiter in einer Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in Witten-Annen untergebracht waren, verhöhnt und ausgelacht haben. Zu der Spontandemo kam es, weil die NPD neben zahlreichen anderen Parteien einen Informationsstand zur Kommunalwahl aufgebaut und um Wähler geworben hatte. Um dies zu unterbinden, bildeten Anhänger der übrigen Parteien sowie des Bündnis gegen Rechts und des Vereins Tczew-Witten einen Halbkreis um den Stand der NPD. Darunter sollen auch teils vermummte Aktivisten der „Antifa“ gewesen sein.
Sie entrollten ein Banner mit einer Friedenstaube und 246 NS-Opfern, deren Namen und Alter sie per Megafon verlasen. Dabei sollen die beiden Angeklagten die Verstorbenen, darunter wenige Monate alte Kinder, mit Gelächter und Äußerungen wie „Ach wie schade“ oder „Das tut uns aber leid“ verhöhnt haben.
Verfahren gegen Mittäter aus Witten gegen Auflage eingestellt
Der 28-jährige Wittener, gegen den das Verfahren nun eingestellt wurde, gab an, über seine Worte „nicht nachgedacht“ zu haben und „übers Ziel hinausgeschossen“ zu sein. „Ich wollte zeigen, dass ich keine Angst vor den Linken habe, aber niemanden verhöhnen oder verunglimpfen.“ Der Mitangeklagte aus Dortmund, der auffällige Nazi-Symbole am Kopf und auf der Hand tätowiert hat und aufgrund einer Vorstrafe vom Amtsgericht Witten zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Große Aussichten auf ein milderes Urteil oder gar einen Freispruch dürfte er jedoch nicht haben, ließ der Vorsitzende Richter Gerhard Werner Riechert durchblicken: „Die Tendenz ist so, dass die Sache vor dem Amtsgericht richtig bewertet wurde.“ Der Prozess wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener wird demnächst fortgesetzt.
Angeklagter
Er bleibt in Haft
Bis zum endgültigen Urteil bleibt der 28-jährige Dortmunder definitiv in Haft. Er ist bereits wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft und nutzte einen Hafturlaub zum Besuch der Demo.
von
Dennis Sohner