Vor 31 Jahren geschah in Italien eines der schlimmsten faschistischen Verbrechen der letzten Jahrzehnte.
Valerio Verbano war ein Genosse der Autonomia Operaia, ein 19-jähriger Gymnasiast, der das römische Gymnasium Archimede im Quartier Nuovo Salario besuchte. Er war ein in seinem Quartier wie auch an seiner Schule engagierter Aktivist. Zudem führte er wertvolle Nachforschungen: er sammelte seit drei Jahren Material über den doppelten Faden, der die Polizei mit den Faschisten des „Dreiecks des Hasses“ verband: Trieste-Salario, Talenti und Montesacro.
Am 22. Februar 1980 klopfen drei Leute an die Tür seiner Wohnung. „Wir sind drei Freunde von der Schule“, „Valerio ist nicht da“, antwortet die Mutter, Carla, „er ist in der Schule“, „das wissen wir, aber er sagte uns, wir sollen hier warten“. Es ist nicht das erste Mal, dass Carla im letzten Moment einen Teller mehr kochen muss für die Freunde von Valerio und sie schöpft keinen Verdacht. Als sie die Tür öffnet, hat sie drei vermummte Personen vor sich. Sie reissen sie zu Boden und fesseln sie und ihren Mann. Sie durchsuchen minuziös die Wohnung auf der Suche nach dem gesammelten Material. Für die Eltern Valerios folgt eine schmerzhafte Wartezeit von einer Stunde, die extreme Hoffnung, dass ihr Sohn unvorhergesehen nicht zum Essen nach Hause komme, dass ein Freund ihn eingeladen oder seine Vespa eine Panne hatte. Doch gegen 14.30 Uhr kommt Valerio von der Schule nach Hause und trifft auf seine Mörder, die ihn erwarten. Mit seinem braunen Gurt im Judo lässt er sich nicht überraschen und reagiert. Es folgt ein sehr brutaler Nahkampf, während welchem Valerio es sogar schafft, einen seiner Angreifer zu entwaffnen und ihnen die Hasskappen runter zu reissen. Erst als er versucht über den Balkon zu flüchten, wird er von einer Kugel im Rücken getroffen. Er stirbt einige Minuten später im Krankenwagen, der ihn ins Spital bringen sollte.
Während der Beerdigung steht die Polizei gar im Innern des Friedhofs und schiesst mehrere Male.
Kein Dossier wird je wiedergefunden. Dasjenige, das von der Polizei beschlagnahmt worden ist, verschwindet letztes Jahr auf magische Art und Weise im Kommissariat. Die einzige Person, die es einsehen konnte, der Richter Mario Amato, wird von den NAR (Bewaffnete Revolutionäre Zellen) einige Monate nach Valerio ermordet.
Die polizeiliche Untersuchung war damals schnell abgeschlossen und endete mit dem Freispruch einiger Leute aus dem Umfeld der NAR (Nuclei Armati Rivoluzionari) und von Terza Posizione. Zur Überraschung aller, vor allem der Mutter von Valerio, wurde die Untersuchung vor einigen Tagen wieder aufgenommen. Der Verdacht fällt heute auf andere Faschisten, immer noch aus dem Umfeld der nebulösen Terza Posizione.
Seit 31 Jahren vergessen und vergeben die römischen Genossen nicht. Vor kurzem wurde ein Volksgymnasium, das seinen Namen trägt, eröffnet. Jedes Jahr versammelt sich eine Menschenmenge vor der Wohnung, wo Valerio lebte und seine Mutter Carla immer noch lebt. Mehr als 3000 Personen jeden Alters zogen vorgestern durchs Quartier mit roten Fahnen im Wind und dem Lachen von Valerio in den Augen.
Valerio vive, eine Idee stirbt nicht, die Revolte geht weiter!
Fotos und Videos auf https://lereveil.ch/contrib/valerio-verbano-31-ans-apres