Konspirativ gegen »Euroanarchisten«

Erstveröffentlicht: 
22.02.2011

BKA-Chef bestätigt im Innenausschuß europaweite Einsätze verdeckter Ermittler

Von Anna Perlstein

 

Die Bundesrepublik setzt verdeckte Polizeiermittler innerhalb der linksradikalen Szene im Ausland ein. Das räumte der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, laut einem dem Nachrichtenmagazin Spiegel vorliegenden Protokoll des Bundestagsinnenausschusses ein. Es ist laut Spiegel als »Nur für den Dienstgebrauch« eingestuft.

 

Die Linksfraktion hatte in der Sitzung des Innenausschusses am 26. Januar Auskunft zum Fall des auch in Deutschland in linksradikalen Zusammenhängen und Protesten gegen den G-8- und den NATO-Gipfel eingeschleusten britischen Polizeiagenten Mark Stone alias Kennedy gefordert. Laut Ziercke handelt es sich um Gegenseitigkeit. So seien beim G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles 2005 mehrere deutsche Polizisten verdeckt unter Führung des britischen Staatsschutzes im Einsatz gewesen. Die europäischen Polizeibehörden unterstützten sich gegenseitig im Kampf gegen »Euroanarchisten, militante Linksextremisten und -terroristen«, aber auch gegen Hooligans im Umfeld von Sportereignissen. Dazu begleite man »die Szene in die jeweiligen Länder«. Gegen die organisierte und konspirative Vorgehensweise solcher Gruppierungen müsse die Polizei »genauso international und konspirativ« agieren.

In Deutschland tätige ausländische verdeckte Ermittler werden nach Darstellung eines Vertreters des Innenministeriums im Innenausschuß als »Vertrauenspersonen« geführt. Damit gemeint sind normalerweise Privatpersonen, die auf längere Dauer und ohne Wissen ihres Umfeldes mit der Polizei zusammenarbeiten. Den Status des »verdeckten Ermittlers« könnten nur deutsche Polizeibeamte bekommen. Dabei räumte Ziercke eine gesetzliche »Lücke« ein, da die Dienstanweisungen über die Inanspruchnahme von Informanten und Vertrauenspersonen bei der Strafverfolgung keine Aussagen zum verdeckten Einsatz ausländischer Polizisten in Deutschland enthalten.

Laut Ziercke war Kennedy dem BKA bis zu seiner Enttarnung nicht namentlich bekannt, da den zuständigen deutschen Behörden nur die Legende, nicht aber der Klarname des ausländischen Beamten mitgeteilt würden. Das BKA habe lediglich den Einsatz des britischen Agenten in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Berlin vermittelt, dann sei er unter Zuständigkeit der Länder erfolgt. In der Praxis sei es üblich, daß die Kommunikation nicht direkt mit dem verdeckt tätigen ausländischen Beamten, sondern mit dessen ausländischem Führungsbeamten erfolge.

Bei Kennedys Tätigkeit in Berlin – wo der Agent offensichtlich eine »sexuelle Beziehung taktischer Natur« zu einer linken Aktivistin unterhielt – habe es sich nicht um einen Einsatz mit dem Ziel der Erkenntnisgewinnung gehandelt, sondern um eine »legendenstützende Operation«, so Ziercke. Gleichwohl sei die klare Zustimmung durch das SPD-Linke-regierte Bundesland erfolgt. Für das BKA gäbe es keine Anhaltspunkte, daß Kennedy in Deutschland zu Straftaten angestiftet habe. Die Teilnahme an der Blockade einer Bundesstraße während des G-8-Gipfels 2007 in Heiligendamm sei als Ordnungswidrigkeit verjährt. Ein Verfahren wegen Anzündens eines Müllcontainers während einer Demonstration Ende 2007 in Berlin sei wegen »Geringfügigkeit« eingestellt worden.