Wir sind nicht im Knast für Graffities – Brief von Olivier

Vous ne pouvez pas nous tuer, nous sommes déjà morts !

In Frankreich wurden am 12. Januar 2011 drei Anarchist_innen von den Bullen festgenommen, unter dem Vorwand Graffiti in Solidarität mit den Aufständen in Algerien und Tunesien gemalt zu haben: „Algerien-Tunesien, Aufstand. Es lebe die Anarchie.“ Eine von ihnen wurde unter Arrest entlassen. Die Gefährten Daniel und Olivier sind weiter in Haft.

 

Sie waren bereits angeklagt in Solidarität mit den Revolten in dem Abschiebeknast Vincennes Sabotageaktionen gemacht zu haben (siehe ältere Entfesselt Ausgaben). In Frankreich sowie anderen Ländern gab es die letzten Jahre viele Aktionen gegen humanitäre Organisationen wie z.B. das Rote Kreuz, die maßgeblich an der Verwaltung und Organisation von Abschiebeknästen und Lagern beteiligt sind.

 

Aktionen dieser Art werden Dan und Olivier anscheinend vorgeworfen. Unsere Gedanken, unsere Solidarität sind bei den beiden und denen die weiter gegen das Einsperren kämpfen. Hier ein Brief aus dem Knast von Olivier:

 

Wir sind nicht im Knast für Graffiti Wir wurden auf der Straße im Viertel Belleville von der BAC (brigade against criminality) festgenommen. Zwei Streifen fuhren herum und wussten was sie suchen. In einer Tasche fanden die Cops eine Sprühdose und unsere Hände waren ihnen wohl ein bisschen zu dunkel. Die Fahrt zur Wache war nicht lang, aber gerade lang genug für die Bullen ihr gewohntes Repertoire rauszuhohlen. Weniger um uns zum Reden zu bringen als uns einzuschüchtern.

 

Am Nachmittag des 13. Januar holte uns die SAT-Criminal Brigade (Anti-Terrorismus-Abteilung der Criminal Brigade) grinsend ab. Deshalb erscheint es ziemlich klar, dass Graffiti nur ein unwichtiges Detail, ein Aufhänger, sein wird, um uns klein zu kriegen. „Zu blöd, dass ihr nicht aufgehört habt, wir waren durch mit all dem, aber nun habt ihr alles wieder von vorne gestartet.“

 

Einige Versuche von Verhören fürs Protokoll. Davor gab es Hausdurchsuchungen um ihr Archiv von Publikationen auf den neusten Stand zu bringen und ein bisschen Unordnung anzurichten. In Büros informieren uns aufgehängte Notizen über Strafanzeigen vom Roten Kreuz. Schon in der Polizeiwache des 20 Bezirks redeten die Cops über ein spezielles Treffen nachdem es einen Anruf von 36 Quai des Orfevres gab über das Zerlegen von mehreren Rote Kreuz Gebäuden in Paris, in der Nacht des 11. und 12 Januar.

 

Andere Graffiti verzierten das Haus der Justiz und des Gesetzes im 10ten Bezirk. Die Anti-Terror-Abteilung zeigt ihre Zähne wegen Graffiti? Hier stimmt irgendwas nicht. In der Nacht unserer Festnahme wurden Graffiti in Solidarität mit den tunesischen Revolten der letzten Wochen, sowie den algerischen, gegen den Staat, egal ob demokratisch oder unter Diktatur, gesprüht. Also befragten sie uns zu diesen, sowie zu denen der Vornacht und behaupteten, dass es ja der selbe Hintergrund sei. (Es stimmt, dass nur wenige dem Staat ihre Feindschaft zeigen…) Und Ausdrücke wie „Tod dem Staat“ wurden in beiden Fällen gefunden.

 

Neben diesen spezifischen Fakten beschuldigen sie uns der Fortsetzung unserer Aktivitäten, unserer Beteiligung im Kampf und somit den Beziehungen basierend auf Komplizenschaft und Freundschaft gefestigt während dieser Kämpfe. In diesem Kontext, Knast als Bestrafung für den Verstoß gegen juristische Kontrolle, die zwei von uns verbot sich zu sehen und zu kommunizieren, war ganz klar, dass diese hinter dem demokratischen Vorhang und der sozialen Kontrolle darauf abzielt alle Formen des Kampfes und der Organisation zu zerstören.

 

Kriminelle Vereinigung, selbst wenn das in unserem Fall nicht so benannt wird, bleibt die Idee derer die sich auf jedes Vorkommnis stürzen, sei es so „trivial“ wie Graffiti, Rauchbomben, Poster um es in das Muster „anarcho-autonom“ zu passen. Ein sehr praktisches Konstrukt um einige mit Zwang zu separieren, andere zu terrorisieren, eventuell die „Anführer_innen“ von den „Unterstützer_innen“ zu unterscheiden, die „Theoretiker_innen“ und „Plakatierer_innen“, die „Vorbereiter_innen“ und „Ausführer_innen“ auszumachen, also in Kürze dem hierarchischen und autoritären Modell dieser Gesellschaft entsprechend, die wir bekämpfen und die uns täglich so anwidert.

 

Diese Art von Druck tauchte auf als einige Kämpfe gegen Abschiebezentren und alle Formen des Eingesperrtseins stattfanden, um anscheinend in einem Akt von Vorbeugung jeden Versuch von Konflikt gegen das was uns unterdrückt im Keim zu ersticken. Die regelmäßigen Strafanzeigen des Roten Kreuzes passen gut zu dieser Offensive der Bullen, nie eine Möglichkeit verpassen mit ihnen zu kollaborieren. Hand in Hand für das Management der Gefängnisse, Hand in Hand bei der Kleinhaltung der antiautoritären Kämpfe. Ein bisschen Farbe für diese Humanitären mit roten Händen, ist kein hoher Preis zu zahlen…

 

Neben den verschiedenen Praktiken und Bedeutungen, die im Kampf genutzt werden (wie neben Feuer, gezielter Zerstörung, einfache Beschädigung, kollektive Besetzungen…) ist es der Kampf selbst und was er bedeutet bezüglich unserer Vorstellungen und Perspektiven (eine Welt ohne Ausbeutung, ohne Geld, ohne Knäste, ohne Staat) was die Machthabenden ersticken wollen.

 

Dies ist nichts anderes als die Konsequenz eines Staates, oder der „Notstandsgesetze“. Freiheit und Demokratie haben nichts miteinander zu tun. Man muss schon ein ziemlicher Lügner sein, um das Gegenteil zu behaupten. Was sie anpisst ist, dass unsere Wut, unsere Revolte und unsere Kämpfe nichts fordern, nichts Anbieten, nichts Verwehren und nach nichts betteln.

 

Wir sind glücklich all dies den Professionellen und den Opportunisten der Politik zu überlassen. Genau wie unsere Freundschaft unsere Affinität nicht verhandelbar ist. Die Freiheit, die wir wollen ist bedingungslos. Ein Slogan der Revolte in Kabylia sagt: „Ihr könnt uns nicht töten, wir sind schon tot.“

 

Der Staat mag uns also im Knast unterdrücken, aber die existierenden sozialen Verhältnisse sperren uns schon ein. Eine Sache sollten wir nie vergessen: Wir haben nur ein Leben. Zusammengefasst: Sie sagen uns: „Keine Freiheit für die Feinde der Macht.“ Wir sagen: „Kein Frieden für die Feinde der Freiheit.“

 

Olivier

 

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