Der „Extremismusdiskurs“ erreichte Oberhavel wie ein Tsunami und zerstört allmählich die Zusammenarbeit von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen, welche sich bei ihrer Gründung einmal dafür aussprachen, Neonazis und anderen Rassist_innen gemeinsam den Kampf anzusagen. Doch fangen wir mit dem Beben vor dem Tsunami an.
In den vergangenen sechs Monaten konnte die FDP ihr rechtsoffenes Profil schärfen und zeigen, dass sie weder Ahnung von Demokratie, noch von der politischen Landschaft in Oberhavel hat.
Bereits im Juni 2010 unterstützte die FDP samt CDU, sowie Teile der Grünen/Unabhängigen einen Antrag der NPD. In fast allen parlamentarischen Gremien gibt es Absprachen, Anträge der NPD abzulehnen und sie eben nicht als „Partner“ anzusehen oder ihr die Möglichkeit zu geben sich als akzeptiert in der demokratischen Gesellschaft zu präsentieren. Herr Reitmeyer, Fraktionsvorsitzende der FDP, zeigte bereits hier, dass er keinen Respekt vor Politiker anderer Parteien hat, wenn er meint, dass die Linkspartei „ nicht das Maul aufzureißen hat“. Nach dem Bruch der demokratischen Absprache zeigte sich die Verwirrtheit Reitmeyers erneut, indem er klarstellte, dass er „eine linksextreme Partei genauso unsympathisch wie eine rechtsextreme“ findet.
In die gleiche Kerbe haute der Vorsitzende der FDP Oberhavel Oberlack in der Märkischen Allgemeinen vom 25.01.2011. Dort skizzierte er den Extremismusirrglauben mit der Aussage, er stoße sich an dem Wort Kommunismus und denjenigen die es aussprechen, genauso wie „an Leuten, die die Worte Endlösung oder Selektieren nutzen“.
Den Vogel hat nun Reitmeyer aber komplett abgeschossen.
Nach dem die Rechtspopulistin und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder eine Gesinnungsprüfung bei politisch Aktiven forderte, haben viele engagierte Initiativen und Vereine eine Protestnote niedergeschrieben. Auch das lokale Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt, welches ein Bündnis von verschiedenen Gruppen – darunter die Antifa Gruppe Oranienburg – darstellt, lehnte öffentlich die geforderte Erklärung ab. Auch beteiligte sich das Forum an einem bundesweiten Aktionstag gegen die Extremismusklausel. In der Märkischen Allgemeinen Zeitung konterte nun Reitmeyer mit einer ganz speziellen These.
Er ist der felsenfesten Überzeugung, dass es Gruppen gibt, welche staatliche Gelder beziehen und gleichzeitig die Bundesrepublik als „faschistisch und imperialistisch“ bezeichnen. Dabei verwies er auf den Verfassungsschutzbericht, welcher z.B. behauptete, dass die Antifa Hennigsdorf und die Antifa Oranienburg „die demokratische Mehrheit für ihre Zwecke [einspannt], ohne inhaltliche Zugeständnisse an ein Bündnis machen zu müssen“(VS-Bericht 2009, Seite 165).
Reitmeyer sieht auch noch einen Sumpf aus „Linksextremisten“ in Oberhavel, welche er sowohl in der Antifa, wie „Teilen der Linkspartei“ sieht. Um die komplette politische Geistesabwesenheit zu zeigen schlägt er vor, dass man „ein Bündnis gegen Linksextremismus im Landkreis etablieren“ muss.
Doch was versteht die FDP in diesem Fall als Linksextrem? Initiativen die sich für ein soziales und ökologisches Leben einsetzen, wie die Linkspartei. Oder Initiativen, die Neonazistrukturen aufdeckt und den Aktionsradius von Neonazis einschränkt, wie die Antifa Oranienburg? Vermutlich meint sie sogar das Forum, in dem Lehrern, Pfarrer, und auch die Stadt organisiert sind um gegen Rassismus in Oberhavel und die klar rassistische Politik des Landkreises vorzugehen. Herr Reitmeyer fordert hier also eine Initiative, die sich gegen die Stadt Oranienburg stellt und stellt sie, dank der Extremismustheorie, in eine Ecke mit Neonazis.
In ihrem Kampf gegen den „Extremismus“ bekommt die FDP nun in Oberhavel Unterstüzung. Darunter finden sich Akteure, welche nun einen allgemeingültigen Angriff auf „alle Extremisten“ planen aber auch Personen, welche in totalitärer Manier gegen die Extremismusklauselgegnern hetzen.
Pfarrer Gabriel aus der Gemeinde Grüneberg, bezeichnet die geforderte Klausel nicht als „Gesinnungsschnüffelei“ um zu unterstreichen, dass er bei diesem Thema ein Experte (gegenüber vielen Politikwissenschaftlern Deutschlands) ist. In diesem Zusammenhang verweist Gabriel in der MAZ(vom 4.2.2011) auf seine Vergangenheit, in der er angeblich „DDR-Oppositioneller“ war und auf ihn „Stasi-Spitzel“ angesetzt waren.
Auch die Anti-Extremismusposition seitens Reiner Tietz (Abgeordneter des Kreistags OHV für die Linken) schmettert er ab mit den Worten, da es ihn bei Tietz aufstößt, wenn „ehemalige SED-Genossen beim Thema Gesinnungsschnüffelei aufheulen wie die Hunde“(OGA vom 1.2.2011). Die Gleichmacherei geht dabei in eine gefährliche Runde, wenn Gabriel meint, dass Gelder „weder an vermummte Steinewerfer von Links noch an Volksfestorganisatoren von Rechts darf Geld fließen“ sollen. Dies impliziert, neben der Gleichstellung von Rechts und Links auch noch das wirre Bild, dass Neonazis ausschließlich Missionieren würden, während Gruppen, wie unsere, täglich die Straßenschlacht mit Polizei, Neonazis, Hunden, Katzen oder sonst wen suchen würden. Gerade im Fall Oberhavel ist belegbar, dass dies nicht so ist und viele ihre Augen vor einer starken Neonaziszene verschließen.
Gruppen wie die Nordbahngemeinde mit Courage überlegten ihren Kampf gegen „Rechtsextremismus“ zu erweitern um auch gegen „Linksextremismus“ und „Ausländerextremismus“ vorzugehen(Sitzung vom 5.10.2010). Da fragen wir uns, wo gibt es diese Formen und wer bestimmt, wann jemand ein „Extremist“ sein soll und wann nicht? Der neue Jusos Oberhavel Chef Godjy kündigte im August 2010 bei seiner Wahl an, „dass auch künftig der Kampf gegen Extremismus[…] die Juso-Arbeit dominieren werde.“
Umso mehr freut es uns wenn es positive Beispiele gibt, wo sich Menschen und Gruppen nicht blenden lassen, sondern wissen was notwendig ist. Zum Beispiel in dem sie gemeinsam beschließen die Klausel nicht zu unterschreiben, wie es das „Netzwerk für lebendige Kultur“, das „Forum gegen rechte Gewalt und Rassismus“, sowie der „Kreisjugendring“ es getan haben. Auch erfreuen wir uns, dass langjährige Partner nicht aufschrecken und sich nun nach rechts bewegen und von der Regierung vereinnehmen lassen, sondern weiterhin den Kampf gegen Neonazis und ihre Strukturen auf die Fahne schreiben.(Siehe OGA vom 24.01.2011)
Auch wenn wir mit dem Kreisjugendring bisher nicht besonders viel zu tun hatten, danken wir hier namentlich Frau Lohmann-Nentwich und schließen ab mit ihrem Statement in der OGA vom 24.01.2011: „Will das Familienministerium jetzt 20 000 Euro zurück haben, weil ich mit jemanden zusammengearbeitet habe, der vielleicht mal Steine geworfen hat? Soll ich die Antifa aussperren?“
Randnotiz:
Wenn im Text von "Politiker" o.ä. die Rede ist, ist dies ein Zugeständnis an den Sprachfluss.
Kontakt zur Antifa Gruppe Oranienburg [AGO]
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