Der Prozessmarathon gegen eine Atomkraftgegnerin vor dem Amtsgericht Dannenberg geht weiter. Hintergrund ist eine Aktion vor dem Atommüllzwischenlager in Gorleben im Sommer 2008. Während der Tatvorwurf des Widerstands inzwischen vom Tisch ist, zeigen sich Gericht und Staatsanwaltschaft unnachgiebig, was den Vorwurf des Hausfriedensbruchs angeht. Am nächsten Verhandlungstag, Montag den 21.02., werden die Plädoyers und das Urteil erwartet.
Bei einer Versammlung von AtomkraftgegnerInnen am Atommüllzwischenlager Gorleben soll die Angeklagte im Sommer 2008 durch einen Zaun geschlüpft sein. Anschließend soll sie sich gegen die Durchsetzung eines Platzverweises gewehrt haben. Sie wurde deshalb wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Hausfriedensbruch vom Amtsgericht Dannenberg angeklagt.
Es folgte ein absurder Endlos-Prozess, der sich mittlerweile über 14 Prozesstage erstreckt. Berichte von früheren Prozesstagen finden sich hier:
http://de.indymedia.org/2011/01/297737.shtml
http://de.indymedia.org/2010/12/296846.shtml
http://de.indymedia.org/2010/12/296730.shtml
http://de.indymedia.org/2010/12/295938.shtml
http://de.indymedia.org/2010/11/294857.shtml
In die Beweisaufnahme selbst wurde erst im Januar eingestiegen. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass das Vorbringen der sich selbst verteidigenden Angeklagten von grundsätzlicher Bedeutung für das Verfahren sein würde. Ihre rechtliche Argumentation hatte sie gleich offen gelegt und in Beweisanträgen die Rechtsmäßigkeit des damaligen Polizeieinsatzes gegen sie in Frage gestellt. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist aber nur dann strafbar, wenn die angegriffene polizeiliche Maßnahme rechtmäßig ist.
Die Vernehmungen der beteiligten PolizistInnen bestätigten die Annahme, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hat. Der Durchsetzung eines Platzverweises gegen die Demonstrantin fehlte augenscheinlich jegliche rechtliche Grundlage. Gegen VersammlungsteilnehmerInnen darf nämlich kein Platzverweis ausgesprochen werden, das Versammlungsrecht hat Vorrang gegenüber Maßnahmen nach Polizeirecht wie z.B. Platzverweisen.
Auch für Staatsanwalt Vogel war dieser Zweifel nach der Vernehmung der damaligen Polizeizugführerin und eines weiteren Beamten am 01.02. nicht mehr aus dem Weg zu räumen. Er beantragte daraufhin die Einstellung des Anklagepunktes "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte". Die Angeklagte stimmte der Einstellung zu. Es wurde ausschließlich wegen "Hausfriedensbruch" weiter verhandelt.
Am letzten Verhandlungstag, Montag dem 07.02., wurde zunächst ein Einsatzvideo der Polizei vorgeführt, dass aber nicht sehr aussagekräftig war und keine neuen Erkenntnisse brachte.
Als nächstes beantragte die Angeklagte, dass Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Nach dem Wegfall des Anklagepunktes des Widerstandes ginge es nur noch um eine lange zurückliegende Bagatelle, und es sei nicht angebracht, die Versammlungsfreiheit durch eine Fortsetzung der Strafverfolgung zu beschneiden. Oberstaatsanwalt Vogel lehnte die Einstellung des Verfahrens ab. Die Angeklagte habe durch ihren Protest eine Grenze überschritten, was nicht zu tolerieren sei.
Anschließend stellte die Angeklagte eine Reihe von Beweisanträgen, die den Vorwurf des Hausfriedensbruchs in Frage stellten. So habe die Betreibergesellschaft des Atommüllzwischenlagers kein Recht gehabt gegen sie als Versammlungsteilnehmerin vorzugehen, da nicht in den Betriebsablauf des Zwischenlagers eingegriffen worden sei. Außerdem sei der Bereich zwischen den beiden Zäunen, wo sie sich aufgehalten haben soll, ohnehin kein üblicher Aufenthaltsort für den Hausrechtsinhaber, und werde daher nicht durch den Paragraphen des Hausfriedensbruches geschützt. Obwohl die Angeklagte sich in ihren Anträgen auf Rechtsprechung anderer (teil höherer) Gerichte berief, wurden alle Beweisanträge die sie stellte, von Richter Stärk pauschal als bedeutungslos verworfen.
Schließlich wurde ein Auszug aus dem Handelsregister betrachtet, mit dem Oberstaatsanwalt Vogel nachweisen wollte, dass der Strafantrag von den hierzu berechtigten Personen unterschrieben wurde. Am nächsten Verhandlungstag sollen Unterschriftenproben vorgelegt werden, mit denen die Echtheit der Unterschriften bewiesen werden soll.
Der nächste Verhandlungstag soll am Montag den 21.02. um 09:30h im Amtsgericht Dannenberg beginnen. Oberstaatsanwalt Vogel und die Angeklagte werden sehr wahrscheinlich ihre Plädoyers halten, möglicherweise wird auch am selben Tag ein Urteil gesprochen werden. Angesichts der vielen Verhandlungstage ist die Unterstützung für die Angeklagte vor Ort deutlich abgeflaut, aber gerade während der Plädoyers ist es ihr nocheinmal sehr wichtig, dass viele solidarische Menschen anwesend sind, um ihr den Rücken zu stärken!