Neonazi verlässt das Amtsgericht ohne Strafe

Erstveröffentlicht: 
04.02.2011

Heidelberg. (cum) Sechs Stunden Verhandlung, 15 geladene Zeugen, Lücken in der Beweisführung, am Ende eine Verfahrenseinstellung und eine Geldstrafe: Wie schwer sich die Justiz damit tut, Neonazis mit rechtlichen Mitteln beizukommen, zeigte gestern ein Prozess vor dem Heidelberger Amtsgericht.

 

Im Oktober vor dreieinhalb Jahren verteilten der NPD-Funktionär Christian H. und drei weitere Aktivisten aus der rechten Szene vor der Eberbacher Realschule so genannte Schulhof-CDs der NPD und Exemplare der rechten Jugendzeitschrift "Perplex".

 

Die Aktion richtete sich gegen einen Heidelberger, der in Eberbach kurz zuvor seinen Dienst als Lehrer angetreten hatte. Der Mann war wegen seiner Mitgliedschaft in der linksgerichteten Antifaschistischen Initiative Heidelberg vom Land über mehrere Jahre hinweg die Einstellung verweigert worden. Über das "Berufsverbot" des "linken Lehrers" wurde bundesweit berichtet. Erst nach zähem Rechtsstreit bekam dieser recht. Seinen Frieden bekam er damit nicht. Kaum im Dienst, kreuzten die Rechten an seiner Schule auf.

 

Kurz nach der Aktion stand auf Youtube ein Video: Bilder eines Autonomen im Kampfanzug, ein brennendes Auto, eine Großaufname des Lehrers, dann Christian H., der verkündet, die Schule noch häufiger heimsuchen zu wollen.

 

Gestern stand der in der rechten Szene einschlägig bekannte 40 Jahre alte Ludwigshafener nun vor Gericht. Die Anklage lautete auf Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz durch das Verteilen der einen Monat nach der Aktion indizierten Zeitschrift "Perplex" und Verletzung des Rechts am eigenen Bild sowie Beleidigung durch das Video.

 

Zwei der Mitstreiter in Eberbach waren in einem getrennten Verfahren von Richterin Regina Kaufmann-Granda kurz zuvor bereits wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz zu Geldstrafen verurteilt worden. Beim vierten wurde das Verfahren eingestellt. Auch H., bei dem bei einer Wohnungsdurchsuchung nur ein Perplex-Exemplar sichergestellt wurde, kam gegen Verzicht auf Herausgabe dieses einen Exemplars mit Verfahrenseinstellung davon. Der Grund: H. war im Mai 2009 vom Amtsgericht Mannheim wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Eine weitere Verurteilung wäre zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst worden und kaum mehr ins Gewicht gefallen.

 

Nicht so glimpflich davon kam einer, der in Eberbach gar nicht dabei war. Der 31 Jahre alte Mathias H., ein blasser Typ mit rechtem Seitenscheitel, lieh den vier rechten Aktivisten sein Auto für die Verteilaktion. Das legte Staatsanwalt Florian Pistor als Beihilfe aus. Am Rechner in der WG, in der H. damals wohnte und der von der Polizei beschlagnahmt wurde, soll H. die Zeitschrift bestellt und auch das Video zusammengeschnitten haben. Auf dem Rechner findet sich eine Bestellung für eine Zeitschrift, allerdings von 2005 und ohne nähere Angaben. Christian H. sagt, er habe die Zeitschrift bestellt. Ob es Mathias H. war, der das Video auf Youtube veröffentlicht hat, können die als Zeugen befragten Polizisten nicht zweifelsfrei sagen. Denn das wurde ebenso wenig überprüft wie der Adressat der Bestell-Mail.

 

Gefunden wurden auf dem Computer aber mehrere Versionen des Youtube-Videos und auch nicht im Film verwendete Szenen, darunter ein Versprecher von Christian H., gefolgt von den Worten: "Das soll der Mathias rausschneiden."

 

Richterin Kaufmann-Granda sah es als erwiesen an, dass H. an der Herstellung des Videos, in dem der Eberbacher Lehrer zu sehen ist, zumindest beteiligt war. Verurteilt wurde Mathias H. wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild zu einer Geldstrafe von 3000 Euro. Von der Beihilfe zur Verbreitung jugendgefährdender Schriften wurde er frei gesprochen. Richtig zufrieden ist der betroffene Lehrer mit dem Ausgang nicht. Verteidiger Dirk Waldschmidt auch nicht. Er plant, in Berufung zu gehen.