Akribisch hatte sich Marianne Fritzen (weitere Bilder), die Mitbegründerin der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) auf die Anhörung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Gorleben am vergangenen Donnerstag vorbereitet. In vielen Aktenordnern, die sie anlegte und die inzwischen im Gorleben Archiv lagern, sind Zeitungsberichte, Aktenmaterial und Briefwechsel dokumentiert, die vor allem aus den ersten Jahren des Gorleben-Konflikts datieren. Deshalb wurde Fritzen auch als Zeitzeugin benannt, denn die Frage, ob die Bundesregierung unter Helmut Kohl 1983 politischen Einfluss nahm, um die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle nur auf Gorleben zu beschränken, erfordert geradezu, sich mit den merkwürdigen Umständen der Standortbenennung zu befassen.
"Die Öffentlichkeit wurde nie richtig informiert", sagte Marianne Fritzen vor dem PUA. "Schon vor der Entscheidung der Bundesregierung im Juli 1983 erfuhren wir, dass die Aufträge für die Schachtvorbohrungen bereits vergeben gewesen waren". Daraufhin habe die BI ihre Teilnahme an Informationsveranstaltungen mit den Behörden abgesagt.
Das klingt äußerst aktuell, denn fast dreißig Jahre später kommt ein Bundesminister ins Wendland mit einem Dialog-Angebot und möchte die Kritiker einbinden, um die weitere "untertätige Erkundung" voranzutreiben.
"Angesichts der alternativlosen Festlegung auf Gorleben im Jahr 1983 wird auch ein Norbert Röttgen mit seinem Honiggesäusel von Transparenz und Offenheit niemanden mehr einbinden können, er ist dieser Tradition der Alternativlosigkeit zu Gorleben verhaftet", ergänzt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
"Auch heute sind Aufträge bereits vergeben, nämlich zur vorläufigen Sicherheitsanalyse. Röttgen liegt voll auf der Linie der Kohl-Regierung."
Ein Blick zurück auf die Vorgeschichte - die 86-Jährige BI-Zeugin vor dem PUA Gorleben sagte: "Die Probebohrungen waren geheim, aber wir wollten informiert sein." Teilweise sei dies indirekt und unfreiwillig geschehen.
So habe zum Beispiel der Hamburger Geschichtsprofessor Helmut Bley während einer Zugfahrt im Intercity zufällig einer Diskussion im Speisewagen zugehört, in dem Vertreter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und Ministeriumsvertreter die Breite der geplanten Erkundungsschachte diskutiert hätten. "Die sollten gleich so gestaltet werden, dass man sie später auch nutzen kann", merkte Fritzen an.
So geschah es auch, fast die Hälfte der rund 1,5 Milliarden Euro, die bisher für den Ausbau Gorlebens ausgegeben wurde, sind der Tatsache geschuldet, dass Erkundung und Ausbau in einem geschah.
Wolfgang Ehmke 0170 510 56 06
Quelle: Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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