Polizei konspiriert europaweit

Schnüffler Simon Bromma
Erstveröffentlicht: 
28.01.2011

28.01.2011 / Schwerpunkt / Seite 3Inhalt


Polizei konspiriert europaweit

 

Die grenzüberschreitende Spitzelei ruft nach gründlicher und schonungloser Aufklärung

 

Von Mathias Monroy

 

Ein französischer Polizist prügelt im Wendland, ein britischer Polizeispitzel zündelt in Berlin, ein deutscher Kollege treibt sich konspirativ in Brüssel herum – die Bundesregierung trägt sehr wenig zur Aufklärung dieser höchst dubiosen Einsätze bei.

Die Linksfraktion im Bundestag wollte bereits im November per Kleiner Anfrage an die Regierung Details wissen: Wo wurden grenzüberschreitende Spitzel eingesetzt? In welcher Weise waren deutsche Polizisten beteiligt?

Wie die britische Tageszeitung Guardian berichtet, war der Polizist Mark Kennedy unter falschem Namen in fast allen EU-Mitgliedsstaaten aktiv. In Großbritannien wurde diese Enthüllung erst recht zum Skandal, als herauskam, daß verdeckte Ermittler auch ihre Sexualität zum Erschleichen von Vertrauen einsetzen. Diese »taktischen Liebesbeziehungen« sind dort womöglich ein Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung, was laut Guardian auch so in einem Polizeihandbuch dargestellt wird.

Nach deutscher Rechtsprechung dürfte der polizeiliche Einsatz von Sexualität die Privatheit der Sexualsphäre verletzen. In Ländern mit anderer Rechtskultur würde wegen »Sexualität ohne Einverständnis« ermittelt – betroffene Frauen sprechen gar von Vergewaltigung. Anfang der Woche hatten mehrere Dutzend Demonstranten vor dem Hauptquartier von Scotland Yard in London gegen eine derartige sexuelle Ausbeutung durch Polizisten protestiert. In Großbritannien wird jetzt eine unabhängige Untersuchungskommission gefordert.

Ein Untersuchungsausschuß könnte wohl auch in Deutschland Sinn machen, zumal nach den Innenausschuß-Sitzungen im Berliner Senat und im Bundestag mehr Fragen als Antworten zurückbleiben. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, behauptet etwa, Kennedys Aufenthalte in Berlin hätten nur der »Pflege seiner Legende« gedient, er habe »nicht berichtet«. Hingegen erzählt der Spitzel dem Boulevardblatt Daily Mail, daß er seinen Führungspersonen sehr wohl Details über die Berliner linke Szene lieferte. Seine Zielpersonen hätten ihm eine »Anleitung« zum Herstellen von Brandsätzen ausgeliehen, die er sofort an Vorgesetzte weitergegeben habe.

Wenn diese Information das Berliner Landeskriminalamt nicht erreicht haben sollte, läge ein Verstoß gegen internationale Verträge vor: Ein ausländischer Spitzel bzw. seine Führungspersonen müssen der Polizei des Hoheitsgebietes, auf dem er herumschnüffelt, regelmäßig berichten. Gewöhnlich reisen die Führungspersonen hierfür eigens mit und übernachten in Hotels in der Nähe des Einsatzes.

Ungeklärt ist, mit welchem Ermittlungsziel die Landeskriminalämter in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg die Spitzeldienste nachfragten und wer die Einsätze finanzierte. Damit bahnt sich nachträglich rund um den NATO-Gipfel 2009 ein neuer Skandal im Ländle an, nachdem Landesinnenminister Heribert Rech (CDU) erst kürzlich wegen eines Heidelberger LKA-Spitzels unter Druck geriet. Der Polizist Simon Bromma hatte, als er von Aktivisten enttarnt wurde, als Einsatzziel vage das Sammeln von Informationen angegeben. Das allerdings ist laut Polizeigesetz zu wenig, um einen Spitzeleinsatz zu rechtfertigen. Rech schob nach, daß es sich zwar um Gefahrenprävention handelte, Bromma allerdings auf konkrete Zielpersonen angesetzt gewesen sei.

Bromma sollte indes ebenfalls in internationale Zusammenhänge eingeführt werden, jedenfalls war er im Oktober beim Brüsseler Grenzcamp dabei. Die belgischen Behörden hätten vom LKA Baden-Württemberg darüber unterrichtet werden müssen. Vom Camp hatte Bromma innerhalb von fünf Tagen 35 SMS an ein deutsches Handy geschickt, als dessen Anschlußnehmer die Frankfurter Rundschau das Landeskriminalamt vermutet.

Während des deutschen EU-Vorsitzes hatte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Mai 2007 eine Entschließung zum »vereinfachten grenzüberschreitenden Einsatz von Verdeckten Ermittlern« auf den Weg gebracht. Stück für Stück wird seitdem eine polizeiliche Konspiration öffentlich, an der mindestens Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Island und Dänemark beteiligt sind.