Grüne werfen Innensenator Körting vor, sich nicht für eine friedliche Lösung zu engagieren. 45 linke Projekte unterstützen das räumungsbedrohte Hausprojekt.
Irgendwann platzte Ehrhart Körting der Kragen. Es sei bisweilen schwer, "die Contenance zu wahren", polterte der SPD-Innensenator gegen die Grünen. Vorausgegangen war am Montag ein Streit im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses über die Räumung des linken Friedrichshainer Hausprojekts Liebig 14 am nächsten Mittwoch. Die Grünen hielten Körting vor, sich nicht genug um eine friedliche Lösung bemüht zu haben.
"Der Senat hat keine einzige Wohnalternative für das Projekt im Friedrichshain angeboten", kritisierte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Auch habe sich die SPD an keinem runden Tisch beteiligt. "Da herrscht Gleichgültigkeit." Die Liebig 14 soll am 2. Februar um 8 Uhr geräumt werden. Im November 2009 hatten die Bewohner nach Kündigung der Eigentümer alle Mietverträge vor Gericht verloren. Runde Tische über Alternativquartiere scheiterten, auch weil die Besitzer alle Gespräche verweigerten. Der Senat hätte die Eigentümer stärker zu einem Dialog bewegen sollen, so der Grüne Dirk Behrendt.
Der Innensenator wies die Kritik zurück. "Ich habe kein Interesse an einer unfriedlichen Lösung, aber daran, dass rechtsstaatliche Entscheidungen akzeptiert werden." Die Räumung sei rechtskräftig, daher müsse die Polizei Vollzugshilfe leisten. "Eine Ablehnung der Räumung wäre rechtswidrig", so Körting. Sehr wohl habe er den Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne) bei der Suche nach Ausweichwohnungen unterstützt. Diese sei erfolglos gewesen. Ihm jetzt Gleichgültigkeit vorzuwerfen sei "unterhalb der Gürtellinie", schimpfte Körting.
Die CDU warf den Grünen "Sympathien mit Radikalen, die zum Bürgerkrieg aufrufen", vor. Die Partei würde dazu beitragen, dass sich die Situation vor der Räumung hochschaukle, so CDU-Mann Robbin Juhnke. Selbst die Linken-Abgeordnete Marion Seelig sprach von "Theaterdonner" der Grünen.
Die Grünen hielten entgegen, dass auch alternative Wohnformen in der Innenstadt ihren Platz haben müssten. "Jede Gewalt und Eskalation lehnen wir aber selbstverständlich ab", so Behrendt. SPD-Mann Frank Zimmermann appellierte nochmals, nach Ersatzquartieren zu suchen. "Vielleicht lässt sich die Räumung ja noch verhindern."
Die Unterstützer der Liebig 14 glauben daran nicht mehr. Man habe monatelang folgenlos diskutiert, heißt es in einem Aufruf. "Wir appellieren schon lange nicht mehr, wir drohen. Die Räumung wird teuer." Die Polizei ermittelt inzwischen wegen des Verdachts des Aufrufs zu Straftaten gegen unbekannt, hat mehrere Internetseiten im Visier.
Inzwischen gibt es Bekennerschreiben zu drei Farb- und Brandanschlägen, die sich auf die Liebig-Räumung beziehen. Auch eine jüngste Farbattacke auf das Rote Rathaus und ein Steinwurf auf ein Polizeigebäude in Adlershof werden auf einer Internetseite unter "Soli-Aktionen" gezählt. Eine Unterstützerliste für die Liebig 14 umfasst 45 linke Projekte aus Berlin und dem Bundesgebiet.
Die Polizei hält sich zur Räumungsstrategie weiter bedeckt. Man werde "ausreichend Kräfte bereitstellen", sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch nur. Die Schließung von Kitas und Schulen in der Umgebung weise man nicht an. Wie berichtet hatte die benachbarte Liebig-Grundschule von sich aus für den 2. Februar alle Ferientermine abgesagt.