Die deutsch-französische Non-Nein-Achse

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Erstveröffentlicht: 
11.12.2010

Wieder einmal blockieren Deutschland und Frankreich Vorschläge, diesmal verhindern sie sinnvolle gemeinsame Euro-Anleihen

Die beschauliche Provinzstadt Freiburg war gestern der Ort des Geschehens. Die Stadt am Oberrhein befand sich angesichts des deutsch-französischen Gipfels im unerklärten Ausnahmezustand, weil hier die Bundeskanzlerin Angela Merkel den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy empfangen hat. In einer abgeriegelten Innenstadt und Militäraufmärschen auf dem Münsterplatz wurde die Bürgernähe der Regierungschefs dokumentiert.

 

Doch die eiserne Kanzlerin und der kleine Franzose haben am Freitag erneut vielen in der EU vor den Kopf gestoßen, weil sie sich vor dem EU-Gipfel in der nächsten Woche erneut zur Nein-Non-Blockade entschlossen haben. Vor dem Gipfel im Oktober hatten sich Merkel und Sarkozy im französischen Seebad Deauville getroffen und gemeinsam die halbe EU gegen sich aufgebracht. Sie legten fest, was die Regierungschefs später auf dem EU-Gipfel abnicken sollten. Der Stimmrechtsentzug für Defizitsünder war inbegriffen. Doch viel entscheidender war der zu diesem Zeitpunkt unsinnige Merkel-Vorstoß, Staatsinsolvenzen zu ermöglichen, an denen sich Banken beteiligen sollten.

 

Dieser Vorschlag, obwohl beides so nicht beschlossen wurde, hat den Absturz von Irland beschleunigt und andere Länder im Sog mit nach unten gezogen. Der Absturz von Portugal und Spanien kann weiterhin genauso wenig ausgeschlossen werden, wie eine Ansteckung das schwerkranke Italien ins Wanken bringen könnte, womit es für den Euro eng werden würde.

 

Obwohl die vordergründige Strategie offensichtlich nicht aufging, wurde in Freiburg von Merkel und Sarkozy erneut die Konfrontationsstrategie gewählt. Sie erteilten den Vorstößen zu sogenannten Euro-Bonds eine definitive Absage. Der Chef der Euro-Gruppe bringt sie immer wieder in die Diskussion. Zuletzt schlug der luxemburgische Ministerpräsidenten Jean Claude Juncker die gemeinsamen Euro-Anleihen im Rahmen der Nothilfe zur Bankenrettung in Irland vor. Die Euro-Bonds sollen Druck von den Ländern nehmen, die durch spekulativ hochschießende Zinsen in den Ruin getrieben werden.

 

Doch auf ihren Ablehnungskurs hat die Kanzlerin nun in Freiburg Sarkozy eingeschworen. "Ich glaube, wir sind nicht zu Rate gezogen worden, ehe diese Idee auf den Tisch gebracht wurde. Deshalb sollte niemand beleidigt sein, wenn wir sagen, dass wir nicht damit einverstanden sind", erklärte Sarkozy. Juncker hatte zuvor Merkel öffentlich vorgeworfen, den Vorschlag den vor allem das gestresste Italien unterstützt, nicht einmal geprüft zu haben. Gegenüber der Zeit warf er der Kanzlerin vor "da ein bisschen simpel" zu denken. "Man lehnt unseren Vorschlag ab, bevor man ihn studiert hat". Es würden in Europa "Tabuzonen" errichtet, um sich nicht mit den Ideen anderer zu beschäftigen. Berlin habe "eine uneuropäische Art, europäische Geschäfte zu erledigen", fügte er an.

 

Tatsächlich ist die Argumentation von Merkel, die auch der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trägt, sehr simpel. Deutschland müsste für die Schulden anderer Staaten mithaften und damit höhere Zinsen, sprich eine höhere Risikoprämie, zahlen, argumentieren sie. "Es darf keine Vergemeinschaftung der Risiken geben", sagte Merkel, die eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms über die 750 Milliarden Euro hinaus ablehnt, wie sie der IWF und einige EU-Länder mit Blick auf Italien fordern. Man fragt sich, ob der Rettungsschirm nicht längst eine solche Verallgemeinerung ist. Ohnehin hatte Juncker ausdrücklich keinen einheitlichen Zinssatz vorgeschlagen, gegen den die Kanzlerin noch am Freitag argumentierte. Stattdessen würden "wir einen Teil der nationalen Schuld auf europäischer Ebene bündeln und mit Euro-Anleihen bedienen. Der größte Teil der Schulden würde aber zu nationalen Zinssätzen verzinst", hatte Juncker der Kanzlerin noch einmal erfolglos erklärt.

 

"Wir haben also mal locker 6 Mrd. Euro gespart, dank der "Weichwährung" Euro!"


Doch man darf davon ausgehen, auch Juncker tut das, dass die Nein-Sagerin auch an diesen beiden Punkten umfallen wird, wenn es wirklich wieder einmal eng wird. Denn schließlich wollte die schwarz-gelbe Regierung vor einem Jahr auch Griechenland nicht retten. Erst als das Kind in den Brunnen gefallen war und es vor allem für Griechenland richtig teuer wurde, lenkte auch Merkel ein. Ähnliches ist erneut zu erwarten, zumal vor allem Deutschland vom Euro profitiert. Man kann sogar mutmaßen, dass Merkel mit ihrem Kurs auf Kosten der angegriffenen Länder gezielt Unsicherheit zu schaffen sucht, um den Euro gegenüber dem Dollar zu schwächen und damit die Exporte anzutreiben, die unter dem starken Euro zuletzt eingebrochen sind. Es könnte sich also auch um eine deutsch-nationalistische Variante des Währungskriegs handeln.

 

Die Freiburger Äußerungen hatten sofort Konsequenzen für die Risikoländer, denn die Renditen für ihre Staatsanleihen stiegen sofort wieder. Auch der Kurs des Euro fiel und sank unter die Marke von 1,32 US-Dollar. Dass Deutschland von der Lage in den Risikoländern nicht nur durch die Exporte in diese Länder profitiert, sondern ganz konkret auch von deren Misere, wird an den Staatsanleihen deutlich. Hochschießende Zinsen für Anleihen von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien sorgen auch für die Flucht in scheinbar sichere Papiere Deutschlands und Frankreichs. Das hat zur Folge, dass die Zinsen für deren Anleihen in den Keller gingen.

 

So macht Deutschland nicht nur Gewinne, weil es sich das Geld, dass es Irland und Griechenland leiht, für einen Zinssatz von etwa 2,5% beschafft, aber zum Beispiel an Irland für sehr teure 5,8% weiter leiht. Der Leiter des Büros der Financial Times Deutschland beziffert in einem Beitrag, wie sich der Gewinn im Haushalt der Bundesregierung spiegelt. "2009 hat der Bund für 974 Mrd. Euro Gesamtschulden 38,1 Mrd. Euro Zinsen bezahlt. 2011 sind im Haushalt für 1107 Mrd. Schulden nur 36,1 Mrd. Euro Zinsen eingeplant - also 2 Mrd. weniger." Doch so rechnet Peter Ehrlich richtig vor, wären bei gleich gebliebenen Zinsen für gut eine 10% höhere Gesamtverschuldung auch eine etwa 10% höhere Zinslast fällig geworden. "Wir haben also mal locker 6 Mrd. Euro gespart, dank der "Weichwährung" Euro!" Solidarität sieht anders aus und so herum versteht man auch den Vorwurf von Junker an Berlin, sich alles andere als europäisch zu verhalten.

 

Ralf Streck

11.12.2010