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Ulmer Kessel soll Thema im Landtag werden
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Erstveröffentlicht:
04.12.2010
Ulm. Der Polizeieinsatz zur NPD-Demo am 1. Mai 2009 wird ein politisches Nachspiel haben. Die Grünen wollen den Ulmer Kessel im Landtag diskutieren und kritisieren das harte Vorgehen der Polizei.
Vor ziemlich genau 19 Monaten sind knapp 1000 Jungnationalisten durch Ulm marschiert, jetzt könnte der Auflauf zum Politikum werden. Zumindest was den Polizeieinsatz am 1. Mai 2009 betrifft, der vom Verwaltungsgericht Sigmaringen diese Woche für teilweise rechtswidrig erklärt wurde. Gerügt wurde die Einkesselung und das stundenlange Festhalten von rund 300 Gegendemonstranten in der Sattlergasse - weit ab vom Demonstrationszug der NPD-Jugend.
Diesen Einsatz und den in Stuttgart bei den Protesten gegen das Bahnprojekt nehmen die Grünen zum Anlass, im Landtag eine Generaldebatte zur Polizeistrategie führen zu wollen. Der Ulmer Abgeordnete Thomas Oelmayer sagte gegenüber der SÜDWEST PRESSE, seine Fraktion bereite derzeit einen entsprechenden Antrag vor: "Es geht um die grundsätzliche Frage, wie der Staat mit seinen Bürgern umgeht, die demonstrieren. Oelmayer nimmt Bezug auf das Urteil, nach dem der Ulmer Kessel rechtswidrig war. "Nimmt man die beiden Ereignisse, kann man den Eindruck gewinnen, dass sich die Polizeistrategie der Deeskalation verändert hat", sagte der Abgeordnete.
Oelmayer hatte bereits im Mai vergangenen Jahres nur wenige Tage nach der NPD-Kundgebung eine Stellungnahme der Landesregierung eingefordert und zur Antwort bekommen, dass die Ulmer Polizei "stets den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" gewahrt habe. Nachdem das Gericht diese Frage nun völlig anders bewertet, müsse dieser Umstand im Parlament diskutiert werden. Oelmayer: "Wir wollen das Ministerium zwingen, die Polizeistrategie offen zu legen."
Auf das Ergebnis dürfte auch der Ulmer Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser gespannt sein, der das Verfahren in Sigmaringen geführt und gewonnen hat. Er kritisiert die Äußerungen der Ulmer Polizeiführung, die nur von formalen Fehlern spreche und den Eindruck zu erwecken versuche, das Urteil sei nur wegen einer unzureichenden Dokumentation des Einsatzes erfolgt.
"Da muss man sich doch die Frage stellen, ob der Polizeichef Nebelkerzen wirft", sagt Oberhäuser, der darin wenig Unrechtsbewusstsein sieht. Der Anwalt will sich eine Strafanzeige gegen Ulms Polizeichef wegen Freiheitsberaubung im Amt vorbehalten - sofern nicht die Staatsanwaltschaft von sich aus aktiv werde, wozu es seiner Meinung nach genug Anlass gäbe. Offen bleibt für ihn auch die Frage des Schmerzensgeldes, wenngleich es dabei um nur sehr geringe Beträge gehe. In beiden Fällen aber müsse er erst die schriftliche Begründung des Urteils abwarten.
Für OB Ivo Gönner hat sich nichts verändert. "Die Deeskalation bleibt Linie in Ulm", sagte er gestern, warnte jedoch alle, die dies ausnutzen wollen. "Wenn es Rabatz gibt, muss die Polizei einschreiten." Er warnt davor, im Nachhinein die Situation zu verklären und die Polizei als die Schuldigen an der Eskalation hinzustellen. |