Scheiben wurden eingeschlagen, Mauern beschmiert, Knallkörper gezündet: Nachdem eine Mehrheit in der Schweiz für die Abschiebung krimineller Ausländer gestimmt hat, hat es in mehreren Städten wütende Proteste gegeben. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Randalierer ein.
Bern - Die Schweiz hat sich das schärfste Ausländergesetz Europas verordnet. Bei einem Referendum hat mehr als die Hälfte der Wähler dafür gestimmt, Kriminelle künftig in ihre Heimatländer abzuschieben: Nach dieser Entscheidung hat es in mehreren Städten des Landes Ausschreitungen gegeben, unter anderem in Bern und Zürich.
In Zürich zogen am Sonntag mehrere hundert Demonstranten durch die Innenstadt, sie protestierten zunächst friedlich gegen das Gesetz. Einige trugen Plakate mit der Aufschrift "Schluss mit dem Hetzen, jetzt fliegen die Fetzen" - das sollte sich wenig später bestätigen. Einige Teilnehmer der Kundgebung warfen laut "Tages-Anzeiger" mit Steinen und Flaschen. Die "Neue Zürcher Zeitung" berichtete, Knallkörper seien gezündet worden. Die Polizei ging mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Demonstranten vor.
In Bern sind den Berichten zufolge 500 Personen auf die Straße gegangen, teilweise seien sie vermummt gewesen und hätten Fackeln angezündet. Später seien die Eingangstür eines Hotels und die Scheiben einer Großbank eingeschlagen worden. Viele Teilnehmer der Kundgebung hätten auf die Gewalt aber mit Buhrufen reagiert.
Die Wut richtete sich auch gegen Parteibüros der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Der "Tages-Anzeiger" meldete, in der Nacht auf Montag seien in Bern Scheiben des Sekretariats der SVP eingeschlagen worden, außerdem seien Mauern beschmiert und Autos beschädigt worden. Die Kantonspolizei spreche von "erheblichem Sachschaden".
"Fatale Sehnsucht nach Idylle"
Die SVP hatten den Vorstoß für die Abschiebungen auf den Weg gebracht. Bei der Volksabstimmung hatten 52,9 Prozent für das Gesetz gestimmt, wonach verurteilte Ausländer automatisch des Landes verwiesen werden sollen. Das soll auch Schwarzarbeiter und Sozialhilfebetrüger betreffen.
Das Ergebnis fiel allerdings knapp aus: Gegen die Initiative der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) sprachen sich 47,1 Prozent aus. Eine überwiegende Ablehnung wurde in Teilen der französischsprachigen Schweiz registriert. Da das Parlament nun einen Katalog von Delikten ausarbeiten und verabschieden muss, bei denen das Gesetz greift, können bis zum Inkrafttreten der Verfassungsänderung bis zu fünf Jahre vergehen.
Die meisten Schweizer Tageszeitungen werten das Ja zur "Ausschaffungsinitiative" als Ausdruck der Verunsicherung der Bevölkerung angesichts eines rasanten gesellschaftlichen Wandels. Die SVP habe es ein weiteres Mal geschafft, die Ängste der Leute für ihre Sache einzuspannen. Das Volk habe einer "fatalen Sehnsucht nach Idylle" nachgegeben, schreibt der "Tages-Anzeiger".
Die Zeitung "Der Bund" aus Bern meint, die Entscheidung zeige: "Fragen zur schweizerischen Identität und Kultur, ausgelöst durch den rasanten Wandel und die Migration, beschäftigen die Schweizerinnen und Schweizer wie kaum ein anderes Thema." Die "Neue Zürcher Zeitung" warnt, die Umsetzung des Gesetzes sei "voller sachlichem wie politischem Konfliktpotential".
Andreas Auer, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Zürich, macht eine fremdenfeindliche Stimmung in seinem Land für das Ergebnis der Volksabstimmung verantwortlich. Es sei eine allgemeine Stimmung, die eigentlich schon sehr lange andauere, sagte Auer am Montag im Deutschlandradio Kultur. "Es gibt seit mehr als 30 Jahren fremdenfeindliche Initiativen, die bisher alle abgelehnt wurden, und jetzt ist eine mal durchgekommen."
kgp/dpa