Repression gegen Antifas in Bochum (Teil 2)

demo_gegen_pogewalt.png

Fortsetzung von Teil 1

 

[-> W I C H T I G E R   N A C H T R A G  <-]

 

4. Überblick über die Verfahren vom 10.4.

 

Bei einer Demonstration gegen Polizeigewalt zwei Wochen nach der Blockade wurden erneut zwei Demonstranten festgenommen. Ein 26jähriger Mindener, der bereits am 26.3. festgenommen wurde, und ein Bochumer bekam eine Anzeige wegen versuchter Gefangenenbefreiung, Körperverletzung und Widerstand. Alle Vorwürfe wurden in die Anklage der Staatsanwaltschaft übernommen. Das Sammelverfahren gegen den Mindener wurde bereits abgeschlossen (s. u.). Der Verhandlungstermin des Bochumers steht bevor.

 

 

5. Zu den Vorwürfen nach der Bullenprovokation

 

Rückblick

 

(Aus einem früheren Bericht:)

Die besagte Demonstration fand zwei Wochen nach dem Pro NRW-„Aktionswochenende“ statt, in deren Rahmen die RassistInnen auch eine kleine „Mahnwache“ in Bochum-Ehrenfeld „trotz heftiger linker Proteste“ durchführen konnte. [...] Aus diesem Anlass entschieden wir uns, die Demonstration zwei Wochen später (am Samstag, den 10.4.) gegen den „Humbug der Wahlen“ um das Thema der eskalierten Polizeigewalt zu erweitern. Die Route wurde ebenfalls angepasst und führte nun an der Polizeiwache vorbei. Und gerade hier kam es wiederum zu einem Übergriff seitens einiger Cops, die laut einiger ZeugInnen gezielt eine Frau angehen wollten. Im Tumult konnte sich die Frau der Festnahme entziehen und so wurden zwei andere Demonstrationsteilnehmer brutalst festgenommen.“


 

Gefangenenbefreiung, Körperverletzung, Widerstand

 

Tatsächlich eskalierte die Situation am Rande der Demonstration, als sich der Zug dem Polizeipräsidium auf der Uhlandstraße näherte. Aus unersichtlichem Gründen hatten es Polizeibeamte auf der linken Flanke des Demonstrationszugs plötzlich auf eine Gruppe von Leuten abgesehen, die sich in die Demo einreihen wollte. Dabei ergriff ein Polizist eine Frau aus dieser Gruppe und zog sie an sich heran. Laut AugenzeugInnen wirkte die Art und Weise dieser „Maßnahme“ wie ein sexueller Übergriff, denn die Hände glitten hierbei augenscheinlich vorsätzlich über die Brust der Betroffenen. Aus diesem Grund stürmte ein Demonstrant zusammen mit anderen auf den Polizeibeamten zu, schrie ihn an, er solle die Finger von ihr lassen und griff ihn an. Der Polizeibeamte war gezwungen von der Frau zu lassen, die daraufhin flüchtete (leider konnten wir die Betroffene nicht ausfindig machen, um diesen Sachverhalt genau aufzuklären). Mehrere Polizeibeamte stürzten sich nun auf den 26jährigen Mindener, der sich vehement gegen seine Festnahme wehrte. Von den umstehenden DemonstrantInnen entschied sich ein weiterer in die Situation einzugreifen und den Mindener aus der Rauferei herauszuziehen. Dieser deeskalierende Einsatz wurde ebenfalls mit einer Festnahme quitiert, mit der frei erfunden Begründung er habe einen Polizeibeamten mit einem Hammer angegriffen.

 

 

Polizeiliche Taktik war von Anfang an auf Provokation aus

 

Wie leicht es für die Hüter(Innen) von Recht und Ordnung ist, friedliche Aktionen und Demonstrationen zu torpedieren, und dazu noch völlig unbehelligt von der (Medien-)Öffentlichkeit, hat sich bereits am 26.3. eindrucksvoll gezeigt (siehe Teil 1: „Der 26.3. in der Gesamtschau ...“). Im Zusammenhang mit der Demonstration am 10.4. lässt sich nur noch ergänzen, dass es dem Einsatzleiter natürlich nicht schmecken wollte, einige jugendliche AntifaschistInnen durch die halbe Bochumer Innenstadt ziehen zu lassen, die es mit scharfer Kritik und ACAB-Rufen auf seine eigene Behörde abgesehen hatten. Nein, das war zu viel des guten. Augenscheinlich hatte die Niederschlagung der Blockade am 26.3. nicht ausgereicht um der Aufmüpfigkeit dieser Jugendlichen das Handwerk zu legen. Also musste noch eins oben drauf gesetzt werden. Den Anfang nahm die Repression an diesem Tag, als die Polizei absichtlich die Vorbereitungen für die Demo behindern wollte, indem sie OrganisatorInnen vor der Demo mit Personalienkontrollen überzog. Gefolgt wurde diese erste Schikane von der Totalabfilmung des späteren Demonstrationszugs durch mit zwei Videowagen (vorn und hinten) und zwei mobilen Video Trupps. Der enge Spalier vor dem Front-Transparent tat zur Abschottung natürlich sein übriges. Als dann vor der Polizeiwache aus unerfindlichen Gründen eine Zehnerschaft erschien und auf die Demonstration zu maschierte, eskalierte die Situation. Willkürlich sollte eine Demonstrationsteilnehmerin festgenommen werden, wobei der „Polizeigriff“ wohl stark zur sexualisierten Gewalt tendiert haben muss. Wie gesagt, der Sachverhalt konnte leider nicht aufgeklärt werden, da wir die Betroffene bisher leider nicht ausfindig machen konnten. In jedem Fall ist die Wut über diesen Übergriff, der in einer affektierten Attacke auf den Polizeibeamten mündete, nach zu vollziehen und als eine Art von (übertriebener) Nothilfe zu sehen.

 

 

Prozess gegen einen Mindener endet mit einer richterlichen „Lektion“ in Versammlungsrecht


Gegen einen 26jährigen Mindener am 11.10. wurde wegen diverser Vorwürfe, die seine Beteiligung und Festnahmen an der Blockade am 26.10. und der Demonstration am 10.4. nach sich zogen, verhandelt. Er legte ein umfassendes Geständnis ab, protetestierte aber, weil die PolizistInnen seiner Meinung nach zum damaligen Zeitpunkt gegen die Verfassung verstoßen haben. Die Staatsanwaltschaft war der Meinung, auf ein „generalpräventives“ (=politisch-exemplarisches) Strafmaß zu plädieren und beantragte einen 9-monatigen Freiheitsenzug ohne Bewährung. Völlig außer Acht lies sie, dass der Angeklagte nie zuvor in seinem Leben polizeilich aufgefallen oder gar vorbestraft war. Der Vorsitzende Richter lies sich von diesem drakonischem Antrag nicht beeindrucken und verurteilte den Angeklagten „lediglich“ zu 1200 Euro Geldstrafe. Allerdings lies er es sich nicht nehmen zumindest die rechtstaatliche Keule zu schwingen: das hohe Gut der Versammlungsfreiheit gelte in Deutschland auch für Faschisten, aber nichtsdestotrotz sei ein friedlicher Protest legitim. In diesem Zusammenhang war der Richter sich nicht zu blöde, auf das „positive Beispiel“ von „Stuttgart 21“ zu verweisen. Außerdem drohte er dem Angeklagten mit Knast, falls dieser nochmal auffallen sollte.

 

Nachdem durch Fotos nachweislich wurde, dass der Mindener bei seiner Abführung grundlos von einem Polizeibeamten von hinten mit einem Tonfa auf den Kopf geschlagen wurde, erwägt er – jetzt, nach Abschluss seines Verfahrens – gegen den Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt vorzugehen.


 

Exkurs: Deutsches Polizeihandwerk - so einfach, wie einem Kind seinen Lolli zu klauen

 

Ein Nebenschauplatz ereignete sich nach der Demonstration im Bochumer Hauptbahnhof, als sich Beamte durch einen ACAB-Pullover beleidigt und aufgrund selbigens dazu bemüßigt fühlten, ihn dem minderjährigen Träger zu entwenden. Zur Rechtfertigung dieses Diebstahls wurde selbstverständlich eine Anzeige wegen „Beleidigung“ geschrieben. Der Vorwurf lautete, der Minderjährige hätte den Beamten absichtlich seinen Rücken, auf dem der Schriftzug zu lesen war, zugewandt. Tatsächlich wandte der Junge seinen Rücken der Polizei zu, als er im Bahnhof in Richtung Gleise ging, in dessen Eingangsbereich in zehn Metern Entfernung sich zufällig eine Rotte der Bundespolizei aufhielt. In diesem Sinne wäre gewiss auch der Sonnenkönig beleidigt gewesen. Würde ein nichtswürdiger Diener beim Verlassen seiner hoheitlichen Gemächer ihm den Rücken zuwenden: Kopf ab! Das lässt sich heutzutage aber so nicht mehr als rechtmäßig verkaufen und deshalb reichte es der Bundespolizei, seiner Mutter, die bei der Beschuldigtenvernehmung zugab ihrem Sohn den Pullover einen Tag zuvor gekauft zu haben, ebenfalls mit einer Anzeige zu drohen. Dass der Tatbestand der „Anstiftung zur Beileidigung“ mehr als kreativ zusammengreimt ist, war nicht weiter absonderlich. Schließlich begnügte sich der Staatsanwalt mit einer Einstellung des Verfahrens unter der Auflage von 20 Sozialstunden und den Pullover einzubehalten (sic!).


 


 

Zeugenbericht von "derwesten.de":


(Artikel zur Verurteilung des 26jährigen Mindeners, die Halbsätze vor den Doppelpunkten sind Zitate des Prozessberichts)

Hm, es ist schon interessant, wie die Wahrheit verdreht werden kann. Der Text geht überhaupt nicht auf den Grund des Geschehens ein.
Eine weibliche Person, die es wagte an der Demo teil zu nehmen wurde von dem Besagten Polizisten heraus gerissen, fast gegen ein Auto geworfen und teilweise körperlich misshandelt. -


Beleidigung: Nicht Polizisten, sondern ein Polizist, der das Mädchen heraus gegriffen hat.
Unberechtigt: Nein, er hat die Sache nur nicht in den wenigen Sekunden überblickt. Er erkannte nicht das der Polizist das Mädchen an der Teilnahme der Demo hinderte, sondern unterstellte dem Polizisten, auf Grund eigener Erfahrung mit Bochumer Polizei, sexuelle Nötigung.
er schlug mehrere Polizisten: Falsch. Er schlug lediglich auf den einen Polizisten ein. Als man ihn allerdings festnahm hielt er nicht still, wie Polizei es vielleicht erwartete, sondern schlug wie wild um sich. 3 Leute mussten ihn "fixieren". Und Polizisten kann man unterstellen, dass sie wissen, wie sie einen Mensch auf Eis legen können.


spuckte ins Gesicht: Richtig dem einen Polizisten spuckte er ins Gesicht. Der geschlagene Polizist meinte später das ihm "alle" Demonstranten ins Gesicht gespuckt hätten.
und riss einen zu Boden: richtig, den Polizisten der das Mädchen fast gegen das Auto warf.

Aus dem Text könnte man lesen, das der Demonstrant sich auf 5 Leute gestürzt hätte, um sie alle nieder zu machen - in Asterix und Obelix Manier. Tatsache ist aber, dass er sich "nur" auf den einen Polizisten stürzte und sich der Polizei bei der Festnahme mit Händen und Füßen widersetzte.

Rechtschreibfehler können sie behalten.

von Grahel , am 14.10.2010 um 11:38

 


 

Frühere Artikel:

 

Gegen „Pro NRW“ am 26.3.

 

Demonstration gegen Polizeigewalt (und den „Humbug der Wahlen“):

 

Anklagen und Prozessberichte: