Unbekannte schleudern fünf mit Farbe gefüllte Weihnachtsbaumkugeln gegen das Wohnhaus des Hamburger Innensenators Heino Vahldieck. VON DENIS FENGLER
HAMBURG. Drei Wochen, bevor sich die deutschen Innenminister in Hamburg zu ihrer Herbstkonferenz treffen, haben Unbekannte einen Anschlag auf das Wohnhaus von Innenminister Heino Vahldieck verübt. Sie warfen am frühen Freitagmorgen zwischen 2 und 3 Uhr fünf mit roter Farbe gefüllte Christbaumkugeln gegen den Eingang des Mehrfamilienhauses auf der Uhlenhorst, in dem der Christdemokrat eine Wohnung bewohnt. Zuletzt hatten linksextreme Gruppen bereits ihren Widerstand gegen die Konferenz angekündigt.
Die Täter entkamen unbemerkt. Erst kurz nach 3 Uhr entdeckte eine Polizeiwagenbesatzung die mit roten Farbspritzern übersäte große Eingangstür. Die Beamten waren auf ihrer üblichen Streifenrunde zum Schutz des Präses der Innen- und Sportbehörde. Die Kugeln müssen aus mehreren Metern Entfernung auf das weiß getünchte Jugendstilhaus geworfen worden sein, die Aufschlagstellen verteilen sich ungezielt über das gesamte Eingangsportal. Die beiden Streifenbeamten lösten eine Großfahndung aus, die aber ohne Erfolg blieb. Unterdessen hat der Staatsschutz im Landeskriminalamt seine Ermittlungen aufgenommen, die Polizei geht von einem politisch motivierten Anschlag aus. Es ist nicht das erste Mal, dass Christbaumkugeln für linksmotivierte Farbwürfe missbraucht wurden. Dass Vahldieck das Ziel des Anschlags war, bezweifelt niemand. Der Innensenator selbst hatte nichts mitbekommen. Er schlief während des Anschlags fest, hieß es aus Polizeikreisen.
Vahldieck verurteilte den Anschlag wenige Stunden später als "feige" und reagierte mit Unverständnis: "Ich kann den Sinn und Zweck dieser Aktion nicht erkennen. Für eine sachliche politische Diskussion stehe ich immer zur Verfügung - dann aber bitte so, wie es in einem demokratischen Rechtsstaat üblich ist." Ähnlich klare Worte kamen von SPD-Fraktionschef Michael Neumann: "Wir dürfen uns an solche Übergriffe nicht gewöhnen. Gewalt und psychischer Druck darf nicht bagatellisiert und vor allem nicht toleriert werden." Er hoffe, dass der Innensenator, wie auch die übrigen Bewohner des Hauses, über den Schrecken der Nacht schnell hinwegkomme.
Anschläge auf die Wohnhäuser der Hamburger Innensenatoren folgen einer unsäglichen Tradition: Bereits vor fast genau einem Jahr, Anfang Oktober 2009, waren zwei 20 und 24 Jahre alte Männer festgenommen worden, nachdem sie mehrere Steine und mit Farbe gefüllte Flaschen auf das Altonaer Mehrfamilienhaus geworfen hatten, in dem der heutige Bürgermeister und ehemalige Innensenator Christoph Ahlhaus (ebenfalls CDU) wohnte. Dem damals 40-Jährigen, der als "Hardliner" galt, war in einem Bekennerschreiben vorgeworfen worden, er sei ein "gefährlicher Überzeugungstäter" und agiere als Verfechter eines "Kontroll- und Sicherheitsstaates". Eine Bekennung im Fall Vahldieck, der als Chef des Verfassungsschutzes vor knapp drei Jah-ren schon einmal Opfer eines Farbanschlags geworden war, blieb bis zum späten Freitagabend aus.
Erst in der Nacht zum Donnerstag hatten Unbekannte einen Anschlag auf das Auto des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, verübt. Sie hatten in Lohbrügge die Scheiben des Mercedes CLK 200 eingeworfen, die Reifen zerstochen und blaue Farbe in das Innere des Coupés gekippt. Auch hier gab es bis gestern Abend kein Bekennerschreiben.
Unter dem Motto "IMK sprengen" kündigen linke Gruppen bereits seit Wochen an, auf die vom 13. bis zum 19. November tagende Innenministerkonferenz mit Gewalt reagieren zu wollen. Polizeisprecher Mirko Streiber hatte dazu bereits im Hamburger Abendblatt gesagt: "Wir bereiten uns darauf vor, dass es Störungen geben könnte." Erst am vergangenen Wochenende hatten sich sieben Hausbesetzer in einem Gebäude an der Ecke Schulterblatt/Juliusstraße verbarrikadiert und auf Flugblättern neben ihrem Protest gegen Wohnungsleerstand auch zu Aktionen gegen die Konferenz der Innenminister aufgerufen. Die Polizei nahm die vier Frauen und drei Männer nach mehreren Stunden fest, die sich mit Böller- und Flaschenwürfen wehrten. Gegen sie wird weiter ermittelt.
Eine Radikalisierung der linken Bewegung sieht die Polizei aber nicht: Auch die für den heutigen Sonnabend angemeldete Demonstration, die vom Uni-Campus zum Astraturm ziehen soll und zu der etwa 2000 Menschen erwartet werden, wird aller Voraussicht nach ruhig bleiben, sagte Polizeisprecher Streiber. Ausschreitungen werden nicht erwartet.