Zum Abriss der ALGE: „Ein Blick sagt mehr als tausend Worte"

Ein ALGE-Mitglied protestiert umringt von Polizeibeamten gegen Räumung und Abriss des Vereinssitzes. Foto: Mathias Müller
Erstveröffentlicht: 
15.10.2010

Zum Abriss der ALGE in Oschersleben.


„Ein Blick sagt mehr als tausend Worte" sagt der Volksmund. Sicherlich gilt das auch für den Blick auf ein Bild, das so leider nie zu sehen war.

 

Ein Bagger reißt zuerst einen ehemaligen Proberaum ein, dann ein Café, Küchen, Bäder, dann Räume, die Menschen ihr Zuhause nannten. Ein Bagger reißt Ideen ein, Träume, Sinnbilder der Eigeninitiative und Erinnerungen, die Jugendliche des Bördekreises zusammen über Jahre erschaffen haben.

 

Anhänger der rechten Szene stehen bei Bier und Schnaps auf einem Parkplatz gegenüber des ehemaligen ALGE-Geländes und johlen. Wenn alle Trümmer beseitigt sind, wird es an der Straße den nächsten Parkplatz geben. Das Sprichwort „Ein Blick sagt mehr als tausend Worte" gilt auch für deren Blicke.

 

Sollte hier nicht bei Jung und Alt eine Alarmglocke läuten? Und ist dieses Bild nicht ehrlicher als alles, was bis jetzt zu diesem Thema zu lesen war? Dass und was der rechte Mob skandiert, beweist, es geht um mehr als die vorgeschobenen Argumente der letzten Wochen und Monate, die Gründe liefern wollten, weshalb man mit einer Räumung des Geländes angeblich nicht warten konnte.

 

Die Verantwortlichen scheinen über jeden Zweifel erhaben. Wie auf Schloss Mammon erstreckt sich ihr Reich weit über den Paragraphendschungel bis hin zur Betonwüste. Und sie sind wahrlich unangefochten auf ihrem Territorium. Um zu erkennen, dass die rigide Herrschaft jenseits des großen Tellerrands Unrecht zu Recht macht, fehlt ihnen die Weitsicht oder schlicht die Phantasie. Sollte es an beidem nicht mangeln, scheinen die johlenden Hyänen ihre Freude wohl teilen zu müssen.

 

Herr Walker, Herr Klenke ich lade Sie zu einem Gedankenspiel ein. Stellen Sie sich vor, eines nachts steht ein Bagger vor Ihrer Tür. Männer befehlen Ihnen und Ihrer Familie innerhalb von 15 Minuten Ihre Habe auf Händen aus Ihrem Haus zu tragen. Natürlich wehrt sich Ihre Familie. Deshalb werden Ihnen die Hände gefesselt, Sie werden auf den Boden geworfen und liegend getreten. Ein Papier soll versichern, dass Ihnen gerade Gerechtigkeit widerfährt. Derart behandelt sieht Ihnen die Person in die Augen, die gerade den Bagger bedient und die Schaufel auf Höhe bringt, um Ihr Heim abzureißen. Aus dem Hintergrund gibt es zynischen Beifall.Was würde uns Ihr Blick wohl in diesem Moment sagen?

 

Es hätte für die Anhänger der rechten Szene keinen Grund für die massivsten Angriffe auf linke Jugendliche und die größte Naziparty in Oschersleben seit über 10 Jahren gegeben, wenn Sie, Herr Walker und Herr Klenke, sich aktiv dafür eingesetzt hätten, dass das Projekt für Alternative LebensGEstaltung an anderer Stelle weiter fortgeführt werden kann. Ebenso hätte es keinen Grund für den erbitterten Widerstand durch den ALGE e.V. gegeben.

 

Ein Projekt, mit dem ich wunderbare Erinnerungen verbinde, in dem ich mich aufregen konnte, über mich, über uns und über andere. Ein Ort, an dem man Fehler haben und machen darf. Vor allem ein Ort, an dem Rassismus, Sexismus und sonstige Diskriminierungen nie toleriert wurden und der Oscherslebens Aushängeschild für praktischen Antifaschismus ist.

 

Aus meiner Sicht muss das Grund genug für jeden Demokraten sein, hier jede Unterstützung zu leisten, die in seiner Macht steht. Für Sie, Herr Walker und Herr Klenke, gilt das insbesondere. Sie sind in der Verantwortung und haben unglaublich viel wieder gut zu machen. Die Stadt Oschersleben und ihre Bürger haben Ihre Politik, die von Rechtsextremisten aus ganz Sachsen-Anhalt bejubelt wird, nicht verdient!

 

EinE BürgerIn Magdeburg