Vermummt demonstriert: 18 Strafbefehle liegen vor
Auf eine Demonstration im November 2009 folgen nun Prozesse.
Kaum zehn Monate liegt das Ereignis zurück, auf das sich in diesen Wochen eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren am Amtsgericht bezieht: Am 14. November demonstrierten die knapp tausend Teilnehmer eines Protestzugs durch die Freiburger Innenstadt für autonome Zentren und gegen Nazis. Die Demo war nicht angemeldet und etliche Demonstranten waren zumindest zeitweise vermummt. Die Folge: eine umfangreiche Einkesselung, 374 Ermittlungsverfahren und schlussendlich 18 Strafanzeigen der Staatsanwaltschaft.
356 der Ermittlungsverfahren führten zu erkennungsdienstlichen Behandlungen und wurden danach eingestellt. Aus den 18 Strafanzeigen folgten die Strafbefehle des Amtsgerichts – die zwei ersten davon wurden in den vergangenen Tagen vor Gericht verhandelt. Die Vorwürfe in den Verfahren lauten in allen Fällen ähnlich: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und gegen das Vermummungsverbot. In den Widersprüchen gegen die Strafbefehle wird damit argumentiert, dass die Teilnehmer die Beobachtung und das Fotografieren oder Filmen durch Mitglieder der rechten Szene befürchteten, folglich habe man versucht, sich unidentifizierbar zu machen.
Ganz aus der Luft gegriffen war die Idee nicht, dass auch Rechte auf der Demo auftauchen hätten können, gibt als Zeuge der Abschnittsleiter der Polizei beim damaligen Einsatz, Harry Hochuli, an. Immerhin hatte es im Mai 2009 einen solchen Vorfall im Zusammenhang mit einer Demonstration von Linken gegeben: "Da sind auch für uns überraschend plötzlich Rechte in aggressiver Weise auf den Demo-Zug zugelaufen." Um eine solche Situation zu verhindern habe man am 14. November den Versammlungsraum von vornherein abgeriegelt, Rechte seien nicht aufgetaucht.
Die Argumentation einer Vermummung gegen Rechte wurde denn auch in den beiden Auftaktverhandlungen nicht für stichhaltig befunden – obschon im Mai 2009 ja auch niemand mit deren Auftauchen gerechnet hatte. Wohl aber erkannte die Vorsitzende Richterin für eine der beiden Angeklagten an, dass diese angeblich nach Intervention des Anti-Konfliktteams ihren Schal vom Gesicht genommen habe. Das Polizeivideo zeigte die möglicherweise entlastende Begegnung, die Aufzeichnung aber brach just im entscheidenden Moment ab.
Die Sympathisanten der Angeklagten quittierten das mit Spott, die Kripobeamten in den Zuschauerreihen hatten da schon ihre ermittlungstaktische Arbeit getan. Dafür werden auch die nächsten Prozesse in Sachen 14. November genutzt, wie Polizeisprecher Ulrich Brecht sagt: "Wir haben alles zu tun, um unsere Ermittlungsarbeit zu leisten – unter Umständen natürlich auch im Gerichtssaal." Vor dem Gerichtssaal hatte einer der Szene-Zuschauer ein "Gefährde-Einschreiben" von zwei Kripobeamten in die Hand gedrückt bekommen, das ihn auffordert, binnen zwei Wochen zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung zur Polizei zu kommen.
Ein anderer Zuschauer wurde in der Verhandlungspause beim benachbarten Bäcker angesprochen und für eine erkennungsdienstliche Behandlung ins Revier gebracht. Beim ersten Urteil fehlte darum dieser Zuschauer – als nämlich der Richterspruch die beantragten 40 Tagessätze à 10 Euro bestätigte. Beim zweiten war er dabei, als die Richterin das Strafmaß von den beantragten 30 Tagessätzen auf 15 Tagessätze à 5 Euro reduzierte.