Nicht jeder will Soldaten auf dem Schlossplatz sehen

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Erstveröffentlicht: 
30.07.2010

Vor dem Neuen Schloss in Stuttgart legen heute 650 Rekruten der Bundeswehr ihr Gelöbnis ab. Elf Jahr lang hatte es in der Landeshauptstadt keine solche öffentliche Veranstaltung mehr gegeben. Rund um das Gelöbnis werden Proteste von Friedensaktivisten erwartet.

 

Christian Hofmann hat heute Nachmittag in Stuttgart seinen großen Auftritt. Beim öffentlichen Gelöbnis im Ehrenhof des Neuen Schlosses darf der 19-Jährige Rekrut aus Ellwangen eine Rede halten. Stellvertretend für die 650 Wehrdienstleistenden, die an dem Gelöbnis teilnehmen, wird er seine Eindrücke aus den ersten Wochen der Grundausbildung schildern. „Ich freue mich darauf, das wird etwas ganz Besonderes“, sagte Hofmann gestern der Nachrichtenagentur ddp.  Neben den Rekruten des Transportbataillons aus Ellwangen sind weitere Einheiten aus ganz Süddeutschland vertreten. Die Veranstaltung steht unter der Aufsicht des in München stationierten Wehrbereichskommandos IV. Befehlshaber Generalmajor Gert Wessels wird das Gelöbnis der Wehrdienstleistenden abnehmen.

 

Als Ehrengäste sind Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) eingeladen. Mappus wird dem Landeskommando Baden-Württemberg bei dieser Gelegenheit ein Fahnenband verleihen. Laut Bundeswehr ist diese „höchste Ehrung, die einem Militärverband erwiesen werden kann“ ein „Zeichen der Anerkennung und Verbundenheit der Regierung gegenüber den Verbänden“.  „Kein Werben fürs Sterben“  Doch das Gelöbnis ruft auch Protest hervor.

 

In Stuttgart schlossen sich mehrere Friedensinitiativen, aber auch die Jugendorganisationen von SPD, Grünen und Linken, zum „überregionalen Bündnis Gelöbnix“ zusammen. „Ein Bundeswehr-Gelöbnis im öffentlichen Raum verfolgt auch das Ziel einer Gewöhnung der Gesellschaft an das Militärische“, begründet Oliver Hildenbrand, Landessprecher der Grünen Jugend, den Protest.

 

Das Bündnis Gelöbnix, dessen Motto „Kein Werben fürs Sterben“ lautet, will ab dem frühen Nachmittag auf der anderen Seite des Schlossplatzes demonstrieren, unter anderem mit Samba- und Schalmeienmusik. Allerdings darf laut einer Auflage je Stunde nur 20 Minuten lang Musik über die Lautsprecher dröhnen.  Andere Aktivisten wollen das Gelöbnis durch Sitzblockaden stören. Ariane Raad, Sprecherin der Initiative „Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart“, sagte der Nachrichtenagentur dpa insgesamt seien für heute 14 Versammlungsorte angemeldet. Bereits ab dem frühen Morgen sollen die Blockaden beginnen. Insgesamt werden bis zu 1000 Demonstranten erwartet.  Der Ellwanger Rekrut Hofmann sieht die Proteste gelassen. „Solange sich die Demonstranten friedlich verhalten, ist es jedem selbst überlassen, ob er sich an einer Demonstration beteiligt.“

 

Auch der Sprecher des Landeskommandos Baden-Württemberg, Oberstleutnant Heinz-Wolfgang Spranger, sieht die Lage nüchtern. „Alles hängt davon ab, ob sich die Gegner an die Auflagen halten. Wir sind aber zuversichtlich.“  Die zentrale Veranstaltung in Stuttgart sei in der Folge des Gelöbnisses im vergangenen Jahr auf dem Marienplatz in München vereinbart worden, sagt Spranger. Er freut sich, dass die jungen Soldaten ihr Gelöbnis „im Herzen Stuttgarts“ ablegen können. „Wir sind Teil der Gesellschaft. Warum sollen wir uns verstecken?“ Insgesamt sei man bei der Bundeswehr inzwischen bestrebt, bei solchen Gelegenheiten „möglichst oft raus aus den Kasernen zu gehen“. Die Entscheidung darüber müssten aber die jeweiligen Kommandeure treffen. Viele Gelöbnisse würden in Kommunen abgehalten, die eine Patenschaft für eine Bundeswehreinheit übernommen haben, so Spranger. 

 

Bevor die 650 Rekruten heute um 15 Uhr antreten, ist in der nahe gelegenen Domkirche Sankt Eberhardt ein Gottesdienst geplant. Dagegen hatte es bereits am vergangenen Sonntag Protest gegeben. 25 Friedensaktivisten wollten die Kirche besetzt halten, um den Gottesdienst zu verhindern. Doch nach einigen Stunden rückte die Polizei an und räumte das Gebäude.  Zumindest seitens der Witterung erwartet Kommando-Sprecher Spranger keine Probleme. Seine Prognose: „Es wird schönes Wetter.“