15.07.2010 / Inland / Seite 8
»Bundeswehr tritt vehement im öffentlichen Raum auf«
In Stuttgart mobilisieren zwei Bündnisse gegen Rekrutengelöbnis. Auch Gewerkschaften und Jusos wollen protestieren. Ein Gespräch mit Roland Blach
Interview: Mirko Knoche
Roland Blach ist Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) Baden-Württemberg
Die Friedensbewegung will am 30. Juli in Stuttgart gegen ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr demonstrieren. Wo soll der Protest stattfinden?
Zwei Zusammenschlüsse mobilisieren in die Stuttgarter Innenstadt. Zum einen das Gelöbnix-Bündnis, zu dem die DFG-VK gehört, zum anderen ein Blockadebündnis, mit dem wir solidarisch verbunden sind. Die Hauptkundgebung findet am Schloßplatz statt. Im Innenhof des Neuen Schlosses werden die Bundeswehr-Rekruten vereidigt. Außerdem sind mehrere Aktionen, Kundgebungen und Infostände in den umliegenden Straßen und auf Plätzen angemeldet. Die Aktivitäten ziehen sich über den gesamten Freitagnachmittag.
Was stört Sie am öffentlichen Gelöbnis?
Die öffentlichen Gelöbnisse kannten wir über Jahrzehnte nur aus der Nazizeit. Diese Tradition wurde in den frühen achtziger Jahren wieder aufgenommen. Nach einer ruhigeren Phase tritt die Bundeswehr seit zehn bis fünfzehn Jahren vehement im öffentlichen Raum auf. Sie will eine Normalisierung und eine Gewöhnung an das Militärische schaffen, um ihre Auslandseinsätze zu rechtfertigen.
Auch an den Schulen wirbt das Militär. Ist das für Sie ein Thema?
Auch damit mußten wir uns schon in den siebziger und achtziger Jahren auseinandersetzen. Wie bei den Gelöbnissen intensiviert die Bundeswehr aber wieder ihre Präsenz. Dazu wurden Kooperationsvereinbarungen mit mehreren Bundesländern abgeschlossen, darunter Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Es entstehen gerade Kampagnen, um die Jugendoffiziere aus den Schulen wieder heraus zu drängen.
Zurück nach Stuttgart: Die Versammlungsbehörde hat mehrere Personen als Kundgebungsanmelder abgelehnt, weil sie »ungeeignet« seien ...
Die Betroffenen sind offensichtlich nicht vorbestraft oder in laufende Verfahren verwickelt, sondern wurden bereits nach den Kooperationsgesprächen willkürlich abgelehnt. Das Ordnungsamt will so dem geplanten neuen Versammlungsgesetz des Landes vorgreifen. Das wird das Bündnis nicht akzeptieren und rechtliche Mittel einlegen.
Die Friedensbewegung konnte in der jüngeren Vergangenheit keine Massen in Bewegung setzen. Wie wollen Sie verhindern, daß lediglich die üblichen Verdächtigen zum Gelöbnisprotest anreisen?
Die Mobilisierung ist in der Tat schwierig. Zumindest wenn es darum geht, die über 70-prozentige Ablehnung des Afghanistan-Krieges in Proteste egal welcher Art umzusetzen. Die Masse der Bürger äußert sich in der Regel nur, wenn ein neuer Krieg bevorsteht oder sie sich unmittelbar bedroht fühlt, wie im Falle der atomaren Hochrüstung der achtziger Jahre. Weil sich am 30.Juli aber sowohl Gewerkschaften als auch Jusos und Grüne Jugend an der Demonstration beteiligen, erhoffen wir uns wenigstens eine breitere Wirkung unseres Aufrufs als in früheren Fällen.
Tatsächlich haben die meisten Deutschen nur gegen US-amerikanische Kriege demonstriert. Wenn deutsche Truppen ins Gefecht zogen, waren die Proteste äußerst überschaubar.
Ganz so einfach ist es nicht. Zu Beginn des Afghanistan-Krieges standen die Menschen noch unter dem Schock der Anschläge auf das World Trade Center in New York. Trotzdem gingen in Stuttgart mehr als 20000 Demonstranten gegen einen deutschen Einsatz auf die Straße, in Berlin sogar noch mehr.
Vor Bush juniors Irak-Krieg waren es in Berlin 500000. Wie wollen Sie die Wirkung der heutigen Friedensbewegung vergrößern?
Wir müssen wieder kampagnenfähig werden. Das kann den Protest gegen in Deutschland gelagerte Atomwaffen betreffen, gegen Rüstungsexporte, gegen Militärs in den Schulen oder eben gegen Gelöbnisse. Wir müssen die Aktivitäten auf mehr Schultern verteilen und uns besser abstimmen. Außerdem gilt es, vermehrt über neue Aktionsformen nachzudenken, um die junge Generation besser einzubeziehen. Leider ist die Friedensbewegung ziemlich überaltert. Wir müssen schlicht näher an die Menschen herankommen.
www.gelöbnix-stuttgart.de