Wenige Tage vor dem NATO-Gipfel in Baden-Baden, Kehl und Straßburg wird
der Ton zwischen Demonstranten und Polizei schärfer. Die Organisatoren
der Proteste gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende
dieser Woche sehen ihr Grundrecht auf Demonstration verletzt und werfen
den Behörden "Panikmache" und "Kriminalisierung" vor. Die Polizei
kündigte an, weitere mögliche Gewalttäter ins Visier zu nehmen. An der
ersten Kundgebung am Montagabend in Freiburg nahmen nach Angaben der
Veranstalter rund 2500 Menschen teil, die Polizei sprach von 2000
Demonstranten. Größere Zwischenfälle gab es nicht, sagte ein
Polizeisprecher. Vier Menschen wurden vor und während der Proteste
festgenommen.
20.000 Demonstranten erwartet
An diesem Freitag und Samstag sind auf deutscher Seite 14.600
Polizisten im Einsatz, in Straßburg 10.000. Bei den Protesten auf
deutscher Seite erwartet die Polizei in den kommenden Tagen bis zu
20.000 Teilnehmer. Davon stuft sie bis zu 3000 als gewaltbereit ein.
Die Straßburger Polizei schätzt deren Zahl nach Angaben der
französischen Innenministerin Michèle Alliot-Marie auf etwa 2000. Die
Metropole im Elsass sei deutlich stärker betroffen: "Wir haben das Camp
der NATO-Gegner und den Versammlungsort der NATO-Mitglieder, das haben
die Deutschen nicht."
Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) kündigte
an, weitere Anhänger der linksextremistischen Szene mit Meldeauflagen
belegen zu lassen. "Die Personen aus der Szene, die in der
Vergangenheit mit gewalttätigen Aktionen in Erscheinung getreten sind,
müssen mit uns rechnen", sagte Rech. "Sie sollen wissen, dass wir sie
im Auge haben."
Zur Demonstration am Montagabend hatte ein Bündnis
verschiedener linker Gruppierungen aufgerufen. Laut Polizei nahmen
NATO-Gegner aus dem In- und Ausland teil. Die Demonstration war zwar
angekündigt, bei den Behörden aber nicht angemeldet. Die Proteste
fanden unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei
war mit einem Großaufgebot an Beamten im Einsatz. Mitarbeiter privater
Sicherheitsfirmen postierten sich im Freiburger Stadtzentrum an den
Eingängen und vor Schaufenstern von Läden. Viele Geschäfte schlossen
aus Angst vor Krawallen früher als sonst.
In Kehl und Baden-Baden sind bislang weitere 13
Demonstrationen und Protestaktionen angemeldet. "Zusätzlich wird es
eine Reihe von Spontanaktionen geben", sagte Landespolizeipräsident
Erwin Hetger. Die Mobilisierung sei hoch, es werde auch zur Gewalt
aufgerufen. An diesem Mittwoch wollen die NATO-Gegner zudem ihr lange
umstrittenes Camp am Stadtrand von Straßburg eröffnen. Die zeitgleiche
Kundgebung, die am Rand der Sicherheitszone entlangführen soll, steht
unter dem Motto "Solidarische Parade gegen den Sicherheitszirkus".
"Bunt, laut – und friedlich"
Die Protest-Veranstalter betonten, sie kämen in friedlicher
Absicht. Sie wollten "bunt" und "laut" gegen "völkerrechtswidrige und
von Wirtschaftsinteressen geleitete Kriege" der NATO protestieren,
sagten die Sprecher der insgesamt 600 Organisationen aus 33 Ländern in
Berlin. Jonas Frykman von der Interventionistischen Linken kündigte
aber auch an: "Wir wollen in die verbotene Stadt Straßburg. Wir
bereiten uns darauf vor, ab 6.00 Uhr den Zugang für die Teilnehmer der
NATO-Tagung zu blockieren. Und wir wollen, dass (US- Präsident Barack)
Obama von uns Kenntnis nimmt."
Bereits seit dem Wochenende kontrollieren Polizeipatrouillen
in Straßburg stichprobenartig Ausweise. Rund 30 strategische Gebäude
und Versammlungsorte sind durch Barrieren gesichert, darunter das
Kongresszentrum, wo sich die Gipfelteilnehmer am Samstag treffen, das
Pressezentrum auf dem Messegelände und das Hotel Hilton. Dort wird die
US-amerikanische Delegation übernachten.
Die NATO feiert bei dem von Deutschland und Frankreich
gemeinsam ausgerichteten Gipfel am 3. und 4. April in Baden-Baden, Kehl
und Straßburg ihren 60. Geburtstag. Nach zehn Jahren will sie erstmals
wieder eine neue Strategie in Auftrag geben. US-Präsident Obama wird am
Freitag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Baden-Baden
zusammenkommen.