Isaf-Einsatz statt Mathe

Erstveröffentlicht: 
01.07.2010

Politische Bildung der Bundeswehr in den Schulen kommt nicht überall gut an. Friedensinitiativen argumentieren, in der Schule haben die Streitkräfte nichts zu suchen.
Gerrit Hohmann muss in die Verlängerung. 90 Minuten berichtet der Jugendoffizier in der blauen Uniform den Neuntklässlern des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums bereits über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Die 15- bis 16-Jährigen werden an diesem Tag nicht müde, Fragen zu stellen. Draußen scheint die Sonne über Bad Homburg. Doch sie wollen nicht in die Pause, sondern wollen noch mehr wissen über den Sinn und Unsinn dieses fernen Krieges oder die Aufgaben der Internationalen Schutztruppe Isaf.

Deshalb bitten sie ihren Lehrer Wolfgang Gebhardt, noch eine weitere Schulstunde dranzuhängen. Gebhardt spricht kurz mit seinem Kollegen. Wenige Minuten später beantwortet der 34-jährige Hauptmann wieder die Fragen der Mädchen und Jungen.

So freundlich werden Hohmann und seine 90 Kollegen bundesweit nicht immer empfangen. In Berlin demonstriert ein Bündnis aus Eltern, Schülern und antimilitaristischen Initiativen seit März immer wieder unter dem Motto "Bundeswehrfreie Zone" gegen "Werbeaktionen der Bundeswehr". Nach Schülerprotesten lud im Mai ein Gymnasium zwei Jugendoffiziere aus.

Die Demonstranten reklamieren für sich, die Militarisierung der Gesellschaft stoppen zu wollen. Eltern sollten deshalb ihren Nachwuchs für den Zeitraum der Bundeswehrveranstaltungen freistellen, fordern sie, und nicht zulassen, dass "ihre Kinder zu Mördern gemacht werden und der Job an der Waffe legitimiert wird".

Friedensinitiativen argumentieren zudem, in der Schule habe die Bundeswehr nichts zu suchen, weil die Soldaten die Afghanistan-Mission rechtfertigten, obwohl zwei Drittel der Bevölkerung den Einsatz am Hindukusch ablehnten. Außerdem versuche die Bundeswehr die Not vieler Jugendlicher auszunutzen, die keine Lehrstelle erhielten.

Jugendoffizier Hohmann hat solche Erfahrungen noch nicht gemacht. Im Gegenteil. Er arbeite mit etwa der Hälfte der 120 weiterführenden Schulen in seinem Zuständigkeitsbereich Hessen Süd-West zusammen, sagt er. Der Rest kenne entweder sein Angebot nicht oder lehne es ab.

Brisante Themen

Er komme auf 130 Einsatztage, die er aber nicht ausschließlich in Schulen verbringt. Er und sein Team laden auch Schulklassen zu Rollenspielen ein. Dann sind Jugendliche ein Wochenende lang Regierungschefs oder leiten eine Nichtregierungsorganisation und müssen mit- oder gegeneinander bestimmte Ziele erreichen.

Hohmann weiß natürlich um den Konfliktstoff, der in seiner Arbeit steckt, er weiß, wie brisant die beiden Themen Bundeswehr und Verteidigungspolitik für einige sind. Deshalb achte er etwa darauf, dass er nicht als Karriereberater missverstanden werden kann. "Bei diesem Thema müsst ihr Euch an die Berater in den Kreiswehrersatzämtern wenden", lautet sein Standardspruch, den er am Kaiserin-Friedrich-Gymnasium in beiden Klassen, der neunten und zwölften, in seine einleitenden Worte flicht.