Misstrauen gegen die Stadt

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Erstveröffentlicht: 
01.07.2010

Grether West will eigenes Grundstück kaufen / Stadtverwaltung bleibt beim Erbpachtvertrag.

 

Der Vertrag läuft zwar noch bis zum Jahr 2063. Erst dann endet das Erbbaurecht, das die Stadt Freiburg dem Mietshausprojekt "Grether West" für sein Grundstück im Sedanquartier gewährt hat. Trotzdem wäre es der Organisation inzwischen lieber, wenn ihr das Gelände selbst gehörte. Deshalb hat sie der Stadtverwaltung angeboten, die 1300 Quadratmeter große Fläche zu kaufen. Doch das hat das Rathaus abgelehnt – was Grether West in der Vermutung bestätigt, die Stadtverwaltung wolle das alternative Projekt langfristig lieber durch teure Wohnungen ersetzen.

Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, zu dem sich die Grether West GmbH entschieden hat. Denn normalerweise ist es gerade die links-alternative Szene, die sich vehement dagegen wehrt, dass öffentlicher Besitz in die Hand von privaten Investoren fällt. Eine Diskrepanz, die auch Grether-West-Geschäftsführer Stefan Rost bewusst ist. "Aber in diesem Fall wäre das Gelände bei uns in besseren Händen als bei der Stadt", sagt Rost.

 

Denn Grether West ist Teil des Mietshäusersyndikats, einer in Freiburg gegründeten und inzwischen deutschlandweit tätigen Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dauerhaft günstigen Wohnraum zu erhalten und Häuser vor Spekulanten zu schützen. "Wir würden garantieren, dass das Gelände nicht in die Hände Dritter fällt", sagt Rost. Bei der Stadt Freiburg sei dies indes nicht gesichert – im Gegenteil: "Dass die Verwaltung unser Kaufangebot abgelehnt hat, bestärkt uns in unserem Misstrauen." Schließlich seien auch die umliegenden ehemals städtischen Grundstücke inzwischen fast allesamt veräußert und mit "teuren Eigentumswohnungen" bebaut, sagt Rost: "Dieses Schicksal droht Grether West auch." Vor allem, wenn es dem als GmbH organisierten Projekt finanziell einmal nicht so gut gehen sollte. Dann fiele das Gelände an die Stadt Freiburg zurück.

 

Grether West ist das älteste der Projekte, die seit den 1980er Jahren auf dem Grether-Gelände im Sedanquartier in der Nähe der Innenstadt entstanden sind. Damals standen die Gebäude der ehemaligen Gießerei kurz vor dem Abriss, erst nach langem Ringen stimmte der Gemeinderat dem Erhalt zu. Im Projekt Grether West gibt es fast 900 Quadratmeter Wohnraum und außerdem alternative Einrichtungen wie Radio Dreyeckland, das Mini-Rasthaus oder das Strandcafé.

Die Stadtverwaltung kann die Aufregung nicht verstehen und meint, dass Grether West durch das geltende Erbbaurecht maximalen Schutz genießt. "Das ist eine deutlich größere Absicherung als bei einem Miet- oder Pachtverhältnis", sagt Rathaussprecherin Petra Zinthäfner. Deshalb habe sich die Stadtverwaltung entschieden, das Grundstück nicht zu verkaufen. Außerdem, so räumt Zinthäfner ein, möchte sich die Verwaltung durchaus die Option offen halten, nach dem Ablauf des Erbbaurechts neu zu entscheiden, was mit dem Gelände geschieht – "nach heute nicht absehbaren städtebaulichen Entwicklungen".

Die Grether West GmbH möchte sich mit der Absage nicht zufrieden geben. Sie hat die Gemeinderatsfraktionen informiert. In einem offenen Brief fordert sie die Ratsmitglieder auf, die Haltung der Stadtverwaltung zu überprüfen und Kaufverhandlungen zuzustimmen.