Fahrgäste im Gebiet des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes wissen was geschieht, wenn der 1. August naht: Dann treten neue – in der Regel höhere – Fahrpreise für Busse und Bahnen in Kraft. Der Unmut darüber wird immer größer.
Leipzig. „Der Preis für mein Abo-Senior steigt um 3,60 Euro; es kostet dann 61,50 Euro“, macht die Leipzigerin Sylvia Beck ihrem Ärger am LVZ-Telefon Luft. „Das entspricht einer Steigerung um 5,7 Prozent. Mein Senior-Abo fing vor einigen Jahren mit 49,90 Euro an und wurde jedes Jahr teurer.“ Ihre Haltestelle Wiederitzscher Straße zwischen Lindenthaler Straße und S-Bahnbrücke Möckern sei immer noch ohne Wartehäuschen, nicht barrierefrei und werde im Winter auch nicht beräumt. „Niemand kann sagen, wann das besser wird“, so die Seniorin. Deshalb müsse mit diesen jährlichen Preisanhebungen endlich Schluss sein.
Auch die Ratsfraktion der Linken forderte am Donnerstag wieder ein Einfrieren der Fahrpreise. Gleichzeitig rührten die Linken die Werbetrommel für die Einführung eines Bürgertickets, für das auch Leipziger zahlen sollen, die den öffentlichen Nahverkehr nicht nutzen (die LVZ berichtete). Ihre verkehrspolitische Sprecherin Franziska Riekewald erklärte, beim Anblick der neuen Fahrpreise für eine „fast 76 Euro teure Monatskarte und ein auch noch fast 57 Euro teures Abo“ sei ein „Bürgerticket für rund 30 Euro eine prüfenswerte Alternative“.
Abo-Modell wie in Wien unwahrscheinlich
Bei den LVB wird die Einführung eines preiswerten Massentickets differenziert gesehen. Das Modell der Stadt Wien – wo Fahrgäste für 365 Euro im Jahr ein deutlich größeres Netz als das Leipziger nutzen können – sei hierzulande nicht praktikabel, heißt es im hiesigen Verkehrsunternehmen. „Dort resultiert der Fahrgastzuwachs vor allem aus Angebotsausweitungen, zum Beispiel dem U-Bahn-Neubau“, begründet dies LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg.
„Und einer sehr klaren Verkehrspolitik mit einem Parkraummanagement, durch das man mit dem Pkw kaum in den inneren Stadtbereich hineinkommt, ohne erhebliche Parkgebühren zu bezahlen.“ Dadurch würden Erlöse erwirtschaftet, die wieder in das Verkehrssystem fließen. „Außerdem gibt es in Wien eine U-Bahn-Abgabe und bei zwei Millionen Einwohnern einen Finanzierungsbeitrag von stattlichen 400 Millionen Euro im Jahr“, so der Geschäftsführer. „Österreichische Kollegen sagen: Die hohe Akzeptanz des Wiener Nahverkehrssystems ist das Resultat einer guten Angebotspolitik und dichter Fahrtakte. Nicht der Preispolitik.“
Modernisierung früher abgeschlossen
Auch die Tatsache, dass die Dresdner Verkehrsbetriebe in deutschlandweiten Nahverkehrs-Vergleichen deutlich besser abschneiden als die Leipziger, lassen die LVB nicht unwidersprochen. „Dresden hat die Modernisierung der Fahrzeugflotte und Strecken rund 15 Jahre früher abschließen können als Leipzig“, so Middelberg. „Auch Dank erheblich höherer Fördermittel von Bund und Land. Attraktive Fahrzeuge locken natürlich mehr Fahrgäste an und durchsanierte Netze verringern die Instandhaltungskosten.“
Die LVB hätten inzwischen an zentralen Punkten umgesteuert und mit der Fahrzeugmodernisierung und den jetzt laufenden Investitionen ins Netz die notwendigen Maßnahmen ergriffen. „Deshalb holen wir gerade deutlich auf.“ Es sei auch bekannt, dass die Kollegen in Dresden Lösungen wie „Leipzig mobil“ sehr gut finden und sich mit hohem Respekt die neuen XL-Straßenbahnen der LVB anschauen, um auch aus den Erfahrungen in Leipzig für ihre nächste Fahrzeugbestellung zu lernen. „Wir haben mit den Kollegen der DVB eine enge Zusammenarbeit und Einkaufskooperation vereinbart“, betont Middelberg. „Wir teilen Erfahrungen und gehen davon aus, dass wir nicht mehr weit auseinander liegen.“
Manches günstiger, anderes teurer
Auch bei den Fahrpreisen widerspricht der LVB-Geschäftsführer der Einschätzung, dass Dresden besser sei als Leipzig. „Wenn man auf den ersten Blick nur den Einzelfahrschein vergleicht, kommt man zu sehr großen Unterschieden“, räumt er ein. „Aber schon wenn man den Kinderfahrschein betrachtet, drehen sich die Vorzeichen um. Der Kinderfahrschein ist in Leipzig 50 Cent günstiger. Das ist auch bei anderen Familienangeboten der Fall.“ So sei die Schülerfahrten in Leipzig deutlich günstiger als in Dresden. „Die Kollegen machen einen guten Job, aber man muss das Gesamtbild betrachten und nicht nur einzelne Aspekte herausgreifen, bei denen gerade die Sonne scheint“, sagt Middelberg.
Ähnlich sei es mit der Behauptung, dass in Dresden schon lange keine alten Tatra-Bahnen mehr im Linienverkehr fahren würden. „Das hat sich mit dem Bevölkerungswachstum auch in Dresden wieder geändert“, so der LVB-Mann. „Verstärkerfahrten werden jetzt durchaus wieder mit Tatras durchgeführt.“ Wie berichtet, schließt auch Leipzig nicht aus, die alten Tatra-Straßenbahnen noch nach dem Jahr 2020 rollen zu lassen, um „Fahrgastspitzen“ zu bewältigen.
Von Andreas Tappert