Sächsische SPD will Befugnisse für die Polizei erweitern

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Seit Herbst 2016 untersucht im Auftrag der sächsischen SPD eine Expertenkommission „Innere Sicherheit“, wie die Arbeit von Polizei und Justiz im Freistaat verbessert werden kann. Am vergangenen Mittwoch wurden erste Arbeitsergebnisse zur „Ausgestaltung des Sächsischen Polizeigesetzes“ vorgestellt. Während Berlins früherer Justiz- und langjähriger Innensenator Ehrhart Körting eingangs noch über eine „vernünftige Balance“ von Freiheit und Sicherheit sprach, werden bei einem Blick in das vorgelegte Arbeitspapier Pläne für weitreichende Grundrechtseinschränkungen und einen Ausbau polizeilicher Befugnisse deutlich.

 

Angesichts keineswegs neuer Phänomene, wie „gewalttätigem politischen oder religiösen Extremismus“, hält es die sächsische SPD für „richtig und wichtig“, in Zukunft verstärkt gegen so genannte „Gefährder“ vorzugehen. Dass es sich dabei in aller Regel um Personen handelt, bei denen kein konkreter Hinweis vorliegen muss, dass sie eine Straftat planen, wird ebenso häufig verschwiegen, wie der bislang fehlende klare rechtliche Rahmen. Derzeit entscheiden allein Polizeibehörden anhand kaum kontrollierbarer Kriterien, ob eine Person als Gefährder gilt oder nicht. Zugleich ist davon auszugehen, dass die Liste der von der Polizei als problematisch eingestuften Personen später ergänzt werden dürfte.

 

Wie weit die Diskussion über die präventive Inhaftierung von Menschen inzwischen fortgeschritten ist, zeigt ein in Bayern mit den Stimmen der CSU in der letzten Woche beschlossenes Gesetz, wonach Gefährder künftig auf unbestimmte Zeit in Präventionshaft genommen werden können. Als ersten Schritt und als Reaktion auf einen islamistisch motivierten Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016, hatte der Deutsche Bundestag trotz Kritik aus den Reihen der Oppositionsparteien im April mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD die Einführung der so genannten „elektronischen Fußfessel“ auch für Gefährder beschlossen.

 

In Sachsen plant die SPD darüber hinaus angesichts der „Heftigkeit der bundespolitischen Debatte“ auch hierzulande eine Erweiterung der Videoüberwachung an „Kriminalitätsbrennpunkten“, um damit wider besseres Wissen „Entwicklungen an derartigen Schwerpunkten zu erkennen, Gegenmaßnahmen daraus herzuleiten und damit auch Straftaten zu verhindern“. Auch dabei sollen vor allem „polizeiliche Lageerkenntnisse“ in die Bewertung einfließen. Dass die Videoüberwachung jedoch nicht nur auf bestimmte, von der Polizei zuvor festgelegte Orte begrenzt bleiben soll, wird im Nebensatz deutlich: so sehen die Pläne auch eine Überwachung der Wege von und zu Kriminalitätsschwerpunkten vor.

 

Obwohl sich in der Vergangenheit die Nutzung „anlassbezogener mobiler automatisierter Kennzeichenerkennung“ als wenig hilfreich herausgestellt hat, sollen nach den Vorstellung der SPD in Sachsen demnächst auch stationäre Kennzeichenerfassungsgeräte eingerichtet werden. Mit ihrem Vorschlag greift die Expertenkommission lediglich einen Wunsch des sächsischen Innenministers Markus Ulbig vom Koalitionspartner CDU auf, der sich bereits Ende vergangenen Jahres für den Einsatz stationärer Systeme zur „vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung“ eingesetzt hatte.

 

Zudem hält die Kommission nicht nur den Einsatz von IMSI-Catchern zu „präventiven Zwecken“, sondern auch die Verkehrsdatenabfrage bei Betreibern gespeicherter Telefonverbindungsdaten sowie auch das Mittel der Funkzellenabfrage (FZA) grundsätzlich für „sinnvoll“ und sieht keine Probleme bei der Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die mit diesen Forderungen notwendigen Gesetzesänderungen sind damit nicht nur eine nachträgliche Legitimierung sächsischer Polizeipraxis, sondern eröffnen Sicherheitsbehörden in der Zukunft zahlreiche Möglichkeiten, um große Teile der Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen.

 

Nach den polizeilichen Gewaltexzessen auch durch sächsische Einheiten anlässlich des Treffen der G20 in Hamburg, sieht die SPD vor allem Nachholbedarf bei Angeboten für die Nachbearbeitung solcher Einsätze. Neben Supervision durch hauptamtliche Kräfte, sollen im Beamtengesetz Regelungen geschaffen werden, um rechtskräftig festgestellte Schmerzensgeldansprüche geltend machen zu können. Von einer wie in anderen Bundesländern schon seit geraumer Zeit eingeführten und in Sachsen erst kürzlich erneut abgelehnten Kennzeichnungspflicht oder dringend notwendigen Grundrechtsschulungen in der Polizeiausbildung ist in dem 11-seitigen Papier kein Wort zu lesen.