Connewitz und die G20-Krawalle: Rechtsstaat muss auf dem Teppich bleiben

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Erstveröffentlicht: 
13.07.2017

Es ist verständlich, dass sich der Staat durch den kriminellen Mob, der in Hamburg unter politischem Vorwand tobte, vorgeführt fühlt und nun reagiert. Aber: die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben.

 

Leipzig. Thomas de Maizière, der einmal selbstkritisch bekannte, er versprühe den Charme einer Büroklammer, braucht schon eine Menge Druck, bis er emotionale Regungen zulässt. Die Gewaltexzesse rund um den G-20-Gipfel in Hamburg haben den Innenminister dazu gebracht, „klare Kante“ zu zeigen – bis hin nach Leipzig. Im Zuge einer postulierten härteren Gangart gegen den Linksextremismus will de Maizière nun auch dem Szeneviertel im hiesigen Stadtteil Connewitz an den Kragen.

 

Es ist verständlich, dass sich der Staat durch den kriminellen Mob, der in Hamburg unter politischem Vorwand tobte, vorgeführt fühlt und nun reagiert. Aber: die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben. Nach bisherigen Erkenntnissen kamen die Randalierer aus ganz Europa; es wurde Personen aus 13 Ländern festgenommen. Bislang ist kein einziger Gewalttäter aus Sachsen, geschweige denn aus Connewitz identifiziert. Selbst die „Bild-Zeitung“, die sich als Hilfsjustiz engagiert und Täterfotos druckt, stieß bislang nur auf Hamburger Jungs...

 

Die G-20-Terroristen haben der gesamten linken Bewegung, die heute in Europa eher pazifistisch orientiert ist, schwer geschadet, und das Geschehene ist durch nichts zu rechtfertigen. Dennoch muss der demokratische Rechtsstaat auf dem sprichwörtlichen Teppich bleiben. Sonst läuft er Gefahr, in jene Sphären zu geraten, die er vehement verurteilt: Russland beispielsweise hat beim Confed-Cup im Juni gezeigt, wie ein Massenauflauf inklusive nicht zimperlicher Fußballfans ohne Ausschreitungen gemanagt werden kann. Natürlich mussten die deutschen Medien fast unisono herumnörgeln und auch den teils martialischen Auftritt der Sicherheitskräfte bekritteln. Na klar, wir sind doch nicht Putin, wir sind Demokratie. Und wenn das so ist, muss es jetzt auch in Sachen Connewitz sachlich und demokratisch zugehen, bitteschön.

 

Natürlich darf der Bundesinnenminister, der für die CDU in Sachsen antritt, im Vorfeld der Bundestagswahl auch mal auf den Tisch hauen. Aber er darf bei der Wahl der Mittel nicht die Contenance verlieren. Er sollte sich auf die großen Behörden stützen, deren Aufgabe der Schutz der Demokratie ist und die dafür Tausende Mitarbeiter beschäftigen. Was hat denn der Verfassungsschutz im Vorfeld von G 20 zu Tage gefördert? Wenn der Geheimdienst nichts gewusst hat, ist das schlimm. Wenn er alles gewusst und nichts getan hat, ist das noch viel schlimmer. Leider haben die Schlapphüte in den letzten Jahren kaum spektakuläre Erfolge nach außen dringen lassen. Man denke nur an das Desaster um den rechtsradikalen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) mit seinen Morden und seinen V-Leuten, die mehr initiiert und gelenkt als verhindert haben...

 

Wir leben in einem freien Land mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Wem das nicht gefällt, der kann auswandern oder mithelfen, die Dinge besser zu machen. Hamburg hat nichts besser gemacht, aber Connewitz ist daran nicht schuld.

 

Jan Emendörfer