AfD-Chef macht Jagd auf „U-Boote“ in der Partei

Erstveröffentlicht: 
25.06.2017

Josef Dörr bleibt Landesvorsitzender, sein Gegner hatte keine Chance. Der Verband ist tief gespalten. Wie lange bleibt der 78-Jährige im Amt?

 

Josef Dörr, der Landesvorsitzende der AfD, sieht sich und seine Partei auf einer historischen Mission. „Wir sind angetreten, um für unsere Kinder unser Land zu retten, um unser Volk vor dem Untergang zu retten“, sagte der 78-Jährige am Samstag beim Parteitag in Völklingen. Den Delegierten, in Dörrs Augen „die Elite des guten Willens“, versprach er: „Solange ihr mir die Verantwortung für diesen Landesverband übertragt, wird es in Schicksalsfragen unseres Volkes keine faulen Kompromisse geben.“ Ganz ohne Pathos geht es bei Dörr nicht, er warnt davor, zu „Sklaven im eigenen Lande“ zu werden.


Nach seiner Wiederwahl mit 49 zu 25 Stimmen gegen den Saarbrücker Anwalt Christian Wirth (54/Ex-FDP-Mitglied) bleibt Dörr (ehemals CDU, CSWU und Grüne) für zwei weitere Jahre der starke Mann der AfD Saar. Einen vorzeitigen Rückzug schließt er aber nicht aus. Wenn er als Kapitän das Schiff in den sicheren Hafen gefahren habe, „dann trete ich ab und mache Platz“, sagte er. Allerdings ist das Schiff, um im Bild zu bleiben, derzeit in rauer See. Dörr spricht von „inneren Feinden“ und „U-Booten“, die die Partei zerstören wollten und daher unerbittlich bekämpft werden müssten. Einige U-Boote seien inzwischen enttarnt und hätten die Partei verlassen, aber es seien immer noch welche da.

 

Einige Delegierte gaben zu bedenken, nicht jeder Kritiker sei ein U-Boot oder Feind. Christian Wirth, der für mehr Basisdemokratie warb, fühlte sich beim Umgang mit abweichenden Meinungen gar an Nordkorea erinnert. Dörr schare „eine Reihe Jünger“ um sich, die ihn für heilig hielten, ätzte Wirth. „Ich wundere mich manchmal, dass Josef aus Quierschied und nicht aus Marpingen kommt.“ Dörr aber beteuerte, er wolle „alle einbindungswilligen und einbindungsfähigen einschließen“.

 

Zu jenen, die bei ihm in Ungnade gefallen sind, gehört der Vorsitzende des kleinen Kreisverbandes St. Wendel (23 Mitglieder), Edgar Huber. Huber hatte mit einer Klage vor Gericht erreicht, dass die Bundestagsliste der AfD Saar wegen Formfehlern ungültig ist und neu gewählt werden muss. Huber machte Dörr persönlich für das Desaster verantwortlich: „Du als erfahrener Fuhrmann und unser großer Führer hättest erkennen müssen, dass diese Delegiertenversammlung nicht geeignet war, diese Landesliste aufzustellen. In jedem Betrieb müsstest du die Zeche zahlen.“ Daraufhin Dörr: „Ich habe am Anfang gedacht, du wärst ein ehrenwerter und aufrichtiger Mensch. Inzwischen kenne ich dich etwas besser.“ Huber hätte seine Zeit besser in den Wahlkampf investieren sollen „als in das nachträgliche Studium von Gesetzestexten“, so Dörr. Für Leute aus dem Dörr-Lager ist Huber jetzt, wie es ein älterer Delegierter formulierte, ein „Parteischädiger“, der „sofort aus der Partei zu entfernen“ ist.

 

Auf besonders originelle Weise rechnete die Saarbrücker Delegierte Laleh Hadjimohamadvali mit den Dörr-Gegnern ab. Der Islam sei „schlimmer als die Pest“, die Muslime würden „jeden Tag stärker“, sagte die gebürtige Iranerin, die vor Jahrzehnten nach Deutschland geflüchtet war. „Aber Menschen, die von innen gegen die AfD schießen, sind gefährlicher als die Muslime. Sie zerstören dieses Land noch schneller.“ Applaus.

 

In etwa auf diesem Niveau verlief der Parteitag über weite Strecken. Es wurde gebrüllt, geschrien und ge­pfiffen, trotz aller Appelle zur Sachlichkeit. Wirth sagte, er habe „noch nie eine so erbärmliche Streitkultur erlebt wie in dieser Partei“, er beklagte „Hass“. Dörr fand hingegen, in der AfD Saar gebe es eine „Streitvermeidungskultur“, es gehe „immer sehr gesittet“ zu, nur bei Parteitagen, wenn die Presse da sei, komme der Streit hoch, gefördert von „bestimmten Gruppen“.

 

Seine Rede leitete Dörr mit scharfen Angriffen auf Bundespartei-Chefin Frauke Petry ein. Diese habe den Landesverband mit allen Mitteln bekämpft – dabei seien die Vorwürfe gegen die AfD Saar, etwa Kontakte nach rechtsaußen, „lächerlich“ gewesen.

 

Zu einer besonderen Einlage geriet die Wortmeldung des Baden-Württembergs Thomas Seitz, der als Richter am AfD-Schiedsgericht mit dem Prozess um die letztlich gescheiterte Auflösung des Landesverbandes befasst war. Schon 2016, nach den umfangreichen Zeugenvernehmungen, hatte er sich gewundert, dass im Landesverband eine „quasi-feudalistische Struktur“ herrscht und Dörr von seinen Anhängern wie eine „Heilsfigur“ verehrt wird (die SZ berichtete). Den Parteitag in Völklingen verfolgte Seitz, wie er auf Nachfrage sagte, als Privatmann. Warum der Landesverband so sehr auf Dörr ausgerichtet sei, wollte er wissen. „Herr Dörr, Sie sind in einem Alter, in dem klar sein muss: Ihre Tage sind überschaubar, in denen Sie hier eine Führungsfunktion übernehmen können – rein altersbedingt.“ Der Rest seiner Wortmeldung ging im Protest der Delegierten unter, Sitzungsleiter Rudolf Müller entzog dem Gast das Wort.

 

Konziliantere Töne als von Dörr kamen von seinem wiedergewählten Stellvertreter Lutz Hecker (48, von 1988 bis 1990 SED-Mitglied): Er vermied Reizwörter wie „U-Boot“ und betonte: „Ich bin der Meinung, dass man mit jedem reden muss, solange ein Minimum an gemeinsamer Basis vorhanden ist.“ Dafür bekam Hecker 63 von 68 Stimmen.

 

Die Analyse des Landtagswahlergebnisses von 6,2 Prozent fiel recht kurz aus. Dörr befand, das Ergebnis sei angesichts ungünstiger Umstände „beachtlich“, was seine Gegner anders sehen. Objektiv verfehlt hat Dörr sein 2015 ausgegebenes Ziel, die Mitgliederzahl bis 2017 von gut 300 auf 1000 zu verdreifachen. Aktuell sind es knapp 400.