CDU-Angriff aufs Werk 2 - Soll Engagement gegen Nazis und für Flüchtlinge mit Geldkürzungen bestraft werden?

Refugees Welcome: Werk II in Connewitz. Foto: Ralf Julke
Erstveröffentlicht: 
29.06.2017

Dass man bei Leipzigs CDU überhaupt kein Sensorium für Soziokultur hat, für Musik- und Kulturinteressen junger Leute schon gar nicht, das hat man bei der Vorstellung der „Leitlinien für eine wachsende Stadt“, die man im Herbst vom Kreisverband Leipzig beschließen lassen möchte, nur zu deutlich gezeigt. Statt Visionen für ein Leipzig der Zukunft zu zeichnen, nutzte man das Papier, um zwei Kultureinrichtungen in Connewitz zu beschießen.

 

Das Conne Island war dabei auch schon mehrmals Mittelpunkt staatlicher Versuche, das dort vermutete linke Milieu zu kriminalisieren – bis hin zu einer staatlichen Überwachung, die schlichtweg rechtswidrig war. Dass die CDU nun auch noch einen Angriff auf das Werk 2 gestartet hat, wirkt nicht nur auf den ersten Blick alarmierend, sondern auch auf den zweiten.

 

Es ist die größte soziokulturelle Einrichtung im Leipziger Süden und sorgt mit außergewöhnlichen Konzerten auch immer wieder überregional für Aufmerksamkeit. Scheinbar weiß man im CDU-Kreisvorstand nicht einmal um die Dimension der dort geleisteten Arbeit.

 

Andreas Dohrn, Pfarrer an der Peterskirche, versucht der CDU ein bisschen Nachhilfe zu geben: „Das Werk 2 spielt in der Bundesliga soziokultureller Zentren (z. B. bezüglich Quantität und Qualität der Angebote, was meines Wissens auch durch Preise belegt ist). Das hat zur Folge, dass die analytische Auseinandersetzung mit dem Werk 2 nur von Akteuren gelingt, die selber Bundesliga kennen und spielen.“

 

Was eine deutliche Kritik an den Leipziger Christdemokraten und ihrem Kulturverständnis ist. „Wer zum Beispiel die letzten beiden Jahre in Leipzig verstanden hat, warum Legida im Vergleich zu Pegida nicht funktioniert hat, wird am Ende des Tages auch auf das Werk 2 als Knotenpunkt für aktive Bürgergesellschaft kommen“, betont Dohrn etwas, was den Leipziger CDU-Größen durchaus bekannt sein dürfte. Der Angriff auf das Werk 2 impliziert auch das, was jeder gleich am Eingang zur Kulturfabrik lesen kann: „1. Mai Halle nazifrei“ und „Refugees Welcome“.

 

Das ist eindeutig nicht die Politik der sächsischen CDU, die sich beim Abgrenzen und Abschieben von Refugees gern hervortut – bei Demonstrationen gegen Neonazi-Aufmärsche aber stets zu Hause bleibt und hinterher ihre wütenden Statements über das abgibt, was dann über die Demonstrationen in den einschlägigen Zeitungen zu lesen war. Engagement für eine demokratische Gesellschaft sieht anders aus.

 

Das Werk 2 freilich stellt seine Räume auch immer für Engagement gegen rechts zu Verfügung. Das ist eigentlich das, was einigen CDU-Aktivisten nicht passt. Auch deshalb wollen sie der Kulturfabrik die Mittel kürzen.

 

„Fördermittel an politische Neutralität zu knüpfen ist prinzipiell nicht klug. Daran ändert auch das Jahr 2017 sowie die Möglichkeit nix, ein paar Beifallsbekundungen für ein schlechtes Argument zu bekommen“, kommentiert Andreas Dohrn diese Argumentation mitten im aufflackernden Bundestagswahlkampf. Und dann kommt er auf die wichtigen Kooperationsbeziehungen im Leipziger Süden zu sprechen: „Das Werk 2 ist ein wichtiger Kooperationspartner in Leipzig. Das gilt für die Peterskirche und andere Akteure. Wen das interessiert, der kann sich bei mir danach gerne näher erkundigen.“

Überhaupt nicht gut angekommen ist das CDU-Papier auch bei den Grünen.

 

„Die CDU versucht, mit ihrer verstaubten Law and Order Politik am rechten Rand zu fischen“, schätzt Matthias Jobke, Vorstandssprecher der Leipziger Grünen, das Papier ein. „Minderheiten als ‚nicht normale‘ Leute zu bezeichnen, ist ein Angriff auf unsere vielfältige Stadtgesellschaft. Kommunale Mittel für Kinder- und Jugendarbeit oder für kulturelles Engagement einzuschränken und Jugendzentren wie das WERK2-Kulturfabrik und das Conne Island als Hort linker Gewalt hinzustellen, zeigt den realitätsfremden Blick der CDU auf Leipzig. Was ist sie dann mehr als eine ideologische Verbotspartei?“

 

Und auch auf die Widersprüche im Leipziger-CDU-Papier kommt er zu sprechen.

 

Dass die CDU beim Thema Sicherheitspolitik einerseits eine bessere personelle und technische Ausstattung beim Stadtordnungsdienst anmahnt, andererseits auf Landesebene bei der Polizei Stellen streicht, zeige deren Verlogenheit betont der Grünen-Kreisverband. Wenn es den Christdemokraten mit dem Thema Sicherheit wirklich ernst wäre, „könnte die CDU auf Landesebene endlich ordentliche Politik machen. Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordert seit Jahren eine bessere personelle und technische Ausstattung der Polizei!“

 

Und die Opferrolle, in der sich die Leipziger CDU beschreibt, findet Jobke völlig weltfremd.

 

„Dass die größte Stadtratsfraktion, die zwei Bürgermeister stellt, zudem selbst meint, sich nicht durchsetzen zu können, spricht das etwa für die Qualität der Arbeit der CDU-Fraktion Leipzig und den von ihnen benannten Bürgermeistern?“, fragt er. „Die CDU hätte es mit dem Wirtschaftsbürgermeister in der Hand, Ideen umzusetzen. Doch das ist offensichtlich nicht gewollt.“

 

Update, Freitag, 30. Juni:


Zum Programmentwurf „Unser Leipzig – Leitlinien für eine wachsende Stadt“ der Leipziger CDU, in dem unter anderem für das Ende der Finanzierung der soziokulturellen Zentren Werk 2 und Conne Island plädiert wird, meldet sich auch Juliane Nagel, Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik der Fraktion Die Linke im Stadtrat zu Leipzig, zu Wort:

 

„Die CDU präsentiert nichts anderes als alten Wein in neuen Schläuchen. Ihr Programmentwurf ist rückwärtsgerichtet, unsozial, unökologisch und antidemokratisch. Er trägt vor allem auch eine law-and-order-Handschrift. Neues ist also auch künftig von den ChristdemokratInnen nicht zu erwarten.

 

Vor allem zeigt das Papier aber, dass die CDU mit dem urbanen Leben fremdelt. Soziokulturelle Zentren wie die Werk 2 – Kulturfabrik und das Conne Island sind nicht nur wichtige Faktoren für die Kulturszene in dieser Stadt, sie leisten auch noch unabdingbare Jugend- und Gemeinwesenarbeit. Beide Institutionen haben sich, neben zahlreichen anderen städtischen Akteuren auch, immer wieder gegen den grassierenden Rassismus und antidemokratische Tendenzen ausgesprochen und nehmen, auch wenn es um die Formulierung kritischer Positionen geht, kein Blatt vor den Mund. Genau solche Akteure braucht eine lebendige und wachsende Stadt, nicht Linien- und Vasallentreue im Sinne der CDU oder irgendeiner anderen politischen Partei.

 

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Forderung des Leipziger CDU-Abgeordneten Dr. Thomas Feist nach Streichung von Geldern für die Amadeu-Antonio-Stiftung. Die nach einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt nach 1990 benannte Stiftung ist einer der relevantesten Akteure für eine demokratische Kultur in diesem Land.

 

Es ist bezeichnend, dass der Kreisverband der CDU Leipzig und einer ihrer Abgeordneten zivilgesellschaftliche Proteste gegen Nazis und RassistInnen meiden wie der Teufel das Weihwasser und stattdessen mit dem Finger auf die zeigen, die sich tagtäglich für ein funktionierendes Gemeinwesen engagieren. Die aktuelle Forderung der CDU ist nichts anderes als populistisches Wahlkampfgetöse und spielt vor allem rechtsaußen-Kräften in die Hände.“

 

Dazu ergänzt Kay Kamieth, Pressesprecher der Leipziger Linken:


„Sehr bedenklich findet Die Linke auch, dass die CDU die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) als ein ‚Relikt der Vergangenheit‘ betrachtet. Gerade in einer wachsenden Stadt brauchen wir eine starke kommunale Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand und kein Schwadronieren über Verschlankungen und letztlich Privatisierungen derselben. Für Die Linke ist der Bürgerentscheid von 2008, in welchem sich 87,3 % der LeipzigerInnen gegen die Privatisierung von kommunalem Eigentum aussprachen, immer noch bindend.

 

Ihr Verhältnis zu demokratischer Transparenz und Partizipation zeigt die CDU Leipzig unter anderem darin, dass sie ihren Programmentwurf bisher nur häppchenweise über die Medien veröffentlicht. Die Leitlinien zum Nachlesen für jede Einwohnerin bzw. jeden Einwohner gibt es bisher nicht auf ihrer Seite.“