Immer mal wieder beschäftigen sich Abgeordnete in den Landtagen mit dem Strafvollzug. Für Gefangene, wie am Thema Interessierte bietet sich so die Möglichkeit auch an Informationen zu gelangen, zumindest jedoch die Sicht der jeweiligen Abgeordneten und dann der Landesregierung kennenzulernen. Nach einem kürzeren Hinweis auf eine aktuelle „Große Anfrage“ der GRÜNEN im niedersächsischen Landtag (a.) werde ich etwas ausführlicher mehrere Anfragen aus dem baden-württembergischen Landtag vorstellen (b.), um mit einem Fazit zu schließen (c.).
a.) GRÜNE im niedersächsischen Landtag
Unter Datum vom 23.03.2010 hat die Fraktion der GRÜNEN (Drucksache 16/2366) eine insgesamt 159 Fragen umfassende Große Anfrage zur gegenwärtigen Situation im Strafvollzug Niedersachsens eingereicht. Die schiere Anzahl von Fragen führte zu Kritik im Justizapparat und einschlägigen Medienberichten, wonach angeblich Gefängnisleitungen in ihrer wertvollen Resozialisierungsarbeit behindert würden, weil sie die Fragen zu beantworten hätten.
Schon in ihrer Eingangsbemerkung fragen die GRÜNEN kritisch, wie sich die Pläne der Regierung eine neue Anstalt mit 300 Plätzen zu bauen (und dies übrigens in Partnerschaft mit Privaten – Public Private Partnership) mit den sinkenden Gefangenenzahlen vertrage. In 18 Fragenkomplexen widmet sich die Anfrage der Situation der Inhaftierten und der Vollzugspraxis. Es wird nach Disziplinarmaßnahmen ebenso gefragt wie nach Vollzugslockerungen, nach der Situation von Frauen in Haft, wie nach der von Seniorinnen und Senioren hinter Gittern.
Aber auch Sicherungsverwahrung wird detailliert thematisiert; genauso wie die besonders wichtige Entlassungsvorbereitung.
Nach Mitteilung von MdL Helge Limburg wird mit der Antwort der Landesregierung auf die 159 Fragen nicht vor Anfang/ Mitte September zu rechnen sein. Jedenfalls verspricht die Anfrage einen detaillierten Einblick in die prekäre Situation der Inhaftierten in Niedersachsen.
b.) Anfragen im baden-württembergischen Landtag
Für das laufende Jahr 2010 waren einige Anfragen von Abgeordneten im Stuttgarter Landtag zu verzeichnen. Gleich im Januar wollten die GRÜNEN wissen, welche Konsequenzen die Regierung aus dem Urteil des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) vom 17.12.2009 ziehe, mit welchem die rückwirkende Verlängerung der Dauer der Sicherungsverwahrung für konventionswidrig erklärt wurde (http://www.de.indymedia.org/2010/01/270543.shtml).
Mit Drucksache 14/5730 teilte die Landesregierung mit, dass sich derzeit 16 Personen in Baden-Württemberg im Vollzug der Sicherungsverwahrung befänden, welche bereits zu entlassen gewesen wären, wenn es nicht jene rückwirkende Verlängerung gegeben hätte.
Ferner merkte die Landesregierung an, den Verwahrten ginge es im Vergleich zu Strafgefangenen erheblich besser, da sie über „mehr Mobiliar und Haushaltsgeräte, über ein umfangreicheres Freizeitangebot sowie über längere Aufschlusszeiten“ verfügen würden.
Eine Anfrage der SPD im Landtag widmete sich der teilprivatisierten JVA Offenburg, eröffnet im Sommer 2009. Angesprochen wurde eine hohe Fluktuation der privaten Mitarbeiter der Firma KÖTTER, welche die Anstalt in weiten Teilen betreibt. Gefragt wurde auch nach rechtlichen Problemen, wenn Personal von KÖTTER Gefangene in den Zellen einsperre, denn hierbei handele es sich um hoheitliche Aufgaben, die nur Beamte erfüllen dürften.
Unter Drucksache 14/6340 lässt sich die Antwort von Justizminister Dr. Goll nachlesen. Man räumt gewisse Defizite im Bereich der „Sicherheit“ ein, da der private Betreiber „nicht ausreichend sensibilisiert und teilweise auch nicht ausreichend motiviert“ gewesen sei, die entsprechenden Standards einzuhalten.
Die privaten Angestellten der Firma KÖTTER seien vor Einsatz in der JVA „in einem vierwöchigen, ganztägigen Einweisungsseminar“ auf ihre Tätigkeit vorbereitet worden. Gefangene in die Zellen einschließen würden die privaten Angestellten nur und ausschließlich, wenn der jeweilige Gefangene einwillige. „Widersprüchen von Gefangenen gegen diese Verfahrensweise“ werde „sofort entsprochen“.
Angriffe auf Bedienstete habe es nur in zwei Fällen gegeben: einmal mit einem Anstaltsmesser und einmal habe ein Gefangener eine Psychologin mit einem Stück Spiegelglas bedroht. Ansonsten habe es „einige wenige“ Beleidigungssachverhalte gegeben.
Nach einem Mord in der nordrhein-westfälischen JVA Remscheid während eines nicht überwachten Besuchs einer Partnerin bei einem Gefangenen, wollte die FDP im Stuttgarter Landtag wissen, wie es sich um die Rahmenbedingungen des „Langzeitbesuchs“ in hiesigen Gefängnissen verhalte.
Am 20.04.2010 (Drucksache 14/6228) bestätigte Dr. Goll die Bedeutung solcher Besuchsformen (Ehefrauen können ihre inhaftierten Ehemänner unter bestimmten Bedingungen gänzlich ohne Überwachung empfangen) für die Integration der Gefangenen. In Bruchsal gebe es vier hierfür geeignete Besuchsräume, in Freiburg und Heilbronn jeweils eine Besuchseinrichtung. In den vergangenen zehn Jahren seien keinerlei versuchte oder vollendete Gewaltdelikte im Rahmen des LZ-besuchs bekannt geworden.
c.) Fazit
Meist ist der Erkenntnisgewinn solcher Anfragen gelinde gesagt suboptimal, denn Behörden neigen nicht gerade zur Transparenz. Die Bereitschaft einen Blick hinter die Mauern zu eröffnen ist zwar heute tendenziell größer als noch vor 15 oder vor 20 Jahren, aber in aller Regel werden vorgestanzte Antworten in orwell’schem Sprachduktus verbreitet, verfasst von Juristinnen und Juristen, Menschen also, die nicht gerade dafür bekannt sind, allzu anschaulich zu schreiben.
Dessen ungeachtet kann es für Interessierte hilfreich und sinnvoll sein, sich mit einzelnen Landtags-Drucksachen zum Strafvollzug zu beschäftigen, denn gelegentlich finden sich in der Tat darin ganz spannende Informationen und Einblicke in den Strafvollzug.
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, 76646 Bruchsal
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