Pfälzer Neonazis am Ballermann

Erstveröffentlicht: 
24.06.2017

Ein Aufmarsch deutscher Rechtsextremisten im „Bierkönig“ vor zwei Wochen hat Schlagzeilen gemacht: Die Gruppe provozierte in der Ballermann-Disco, wurde dort ausgebuht. Inzwischen ist klar, dass auch Pfälzer Szenegrößen in den Eklat verstrickt sind. Dabei war zum Beispiel Malte R., der angebliche Europachef der berüchtigten Hammerskins. Er lebt im Rhein-Pfalz-Kreis.

 

«El Arenal/Ludwigshafen.» Die Ex-Pornodarstellerin hüpft zur wummernden Partymusik über die Bühne, in ihren Hotpants feuert Mia Julia so das gröhlende Publikum im „Bierkönig“ an. Doch auf einmal, so dokumentiert es ein verwackeltes Amateurvideo, dröhnen Buhrufe durch die Ballermann-Disco. Und die Sängerin schimpft ins Mikrofon: „Macht sofort die Scheiße da runter!“ Denn im ersten Stock hat eine Besuchergruppe übers Geländer der Galerie eine Fahne in den Farben des Deutschen Reiches gehängt: schwarz-weiß-rot, mit Eisernem Kreuz in der Mitte.

 

"Nazi-Schande am Ballermann" titelte "Bild"

„Nazi-Schande am Ballermann“, titelte wenige Tage später die „Bild“-Zeitung, die sich immer besonders für Ereignisse auf Mallorca interessiert. Aber auch andere Medien griffen den Vorfall vom 9. Juni auf. Die deutschsprachige „Mallorca Zeitung“ zum Beispiel klagte: Randale mit rechtsradikalen Deutschen, das sei auf der Urlaubsinsel „ein stückweit Normalität“. Linke Aktivisten und andere Szenekenner analysierten derweil die Aufnahmen, fischten zudem weitere Fotos aus den Weiten des Internets – und fanden so nach und nach heraus, wer zu der Truppe aus dem „Bierkönig“ und ihrem Umfeld gehört hat.

 

Erkannt wurden gleich mehrere Mallorca-Touristen aus der Kur- und Vorderpfalz. Zum Beispiel ein Mann aus Neuhofen im Rhein-Pfalz-Kreis, auf dessen Rücken 16 Namen tätowiert sind: Als „Blutzeugen“ verehrt er so die Putschisten, die 1923 bei Hitlers missglücktem Staatsstreich ums Leben kamen. Zusammen mit ihm posiert auf einem Foto aus dem „Bierkönig“ auch ein Tätowierer aus Ketsch bei Hockenheim. Die eigene Haut hat sich dieser Mann unter anderem mit einer „Schwarzen Sonne“ verzieren lassen, einem oft als Hakenkreuz-Ersatz genutzten Ornament.

 

Doch er beteuert: Mit dem Vorfall in der Ballermann-Disco hatte er nichts zu tun. Als Beweis führt er an: „Ich bin beim Schwenken beziehungsweise Halten der schwarz-weiß-roten Fahne nicht zu sehen.“ Was, streng genommen, allerdings nur heißt, dass er seine Hände nicht an deren Stoff hatte. Und noch etwas streitet er gleich mit ab: „Ich bin kein Hammerskin.“ Mit dieser Neonazi-Bruderschaft werden gleich mehrere der Mallorca-Touristen in Verbindung gebracht, auch die spanische Polizei scheint in diese Richtung zu ermitteln.

 

Immerhin hegen Szenekenner den Verdacht, dass die Mallorca-Bilder unter anderem Malte R. zeigen. Der Ex-Kampfsporttrainer lebte früher in Ludwigshafen, ist mittlerweile in einen Nachbarort gezogen. Und er gilt als ranghoher Hammerskin-Funktionär, wird bisweilen sogar als Europachef der Truppe gehandelt, die sich 1986 in den USA gründete. Andere Beobachter hingegen bezweifeln, dass er auf den zum Teil recht grobkörnigen Aufnahmen tatsächlich zu identifizieren ist. Doch inzwischen hat er der RHEINPFALZ selbst bestätigt, dass er im „Bierkönig“ dabei war.

 

Malte R: Geschichte ist "medial massiv aufgeblasen"

 

Allerdings findet er: Die ganze Geschichte sei „medial massiv aufgeblasen“ worden. So bestreitet er Berichte, denen zufolge Mitglieder der Gruppe Frauen geschlagen oder „Ausländer raus“ gebrüllt hätten. Überhaupt, von einem organisierten Hammerskin-Aufmarsch will er schon allein deshalb nichts wissen, weil es die rockerähnliche Bruderschaft hierzulande gar nicht mehr gebe. Fest steht: Ihr im Rhein-Neckar-Raum verankertes und besonders rühriges „Chapter Westmark“ hat sich im Jahr 2013 offiziell aufgelöst, um so einem drohenden Verbot zuvorzukommen.

 

Doch auch danach blieben die Behörden misstrauisch. Offensichtlich argwöhnten sie, dass R. und seine Kameraden in neuen Gruppen weitermachen wie bisher. Entsprechende Informationen muss ein Hammerskin aus Karlsruhe geliefert haben, der sofort nach seinem Tod 2015 als Spitzel enttarnt wurde. R. allerdings behauptet: Dieser Mann narrte die Verfassungsschützer mit erfundenen Geschichten. Er selbst jedenfalls will sich von seinen Neonazi-Umtrieben zwar nicht distanzieren. Doch er beteuert, sich auf eine weitgehend passive Rolle zurückgezogen zu haben.

 

Der 40-Jährige sagt: Mittlerweile ist ihm ein ruhiges Leben mit seiner Familie wichtiger. Tatsächlich verkneifen er und Vorderpfälzer Gesinnungsgenossen sich die markigen Auftritte früherer Jahre. Bei rechtsextremen Demonstrationen allerdings lässt R. sich trotzdem noch gelegentlich blicken. Aber eher aus alter Verbundenheit mit den Kameraden, behauptet er. Die, sagt er, wird auch am Ballermann gepflegt. Demnach kommen dort immer wieder Leute zusammen, die sich aus der rechtsextremen Szene kennen, aber auf Mallorca einfach nur Urlaub machen wollen.

 

Was offen bleibt

 

Offen bleibt, ob auch die Behörden die einst so berüchtigten Hammerskins und ihr Umfeld inzwischen für harmloser halten. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz jedenfalls schweigt über seine Erkenntnisse. Klar ist nur: Die Bilder aus dem „Bierkönig“ sind auch im abgeschirmten Geheimdienst-Flügel des Mainzer Innenministeriums zur Kenntnis genommen worden. Dabei scheint sich die rechtsextreme Urlauber-Truppe die geballte Aufmerksamkeit der Medien sowie deutscher und spanischer Behörden nur aus einer Laune heraus eingehandelt zu haben.

 

Der 40-Jährige jedenfalls sagt: Die auffällige schwarz-weiß-rote Fahne mit Eisernem Kreuz hatten ein paar Leute aus der Gruppe im Vorbeigehen und spontan für ein paar Euro an einem Stand in der Nähe der Ballermann-Disco gekauft. Aus der trollten sich die Rechtsextremisten schließlich auch wieder. Zuvor hatte das Publikum im „Bierkönig“ minutenlang „Nazis raus“ gebrüllt. Und gesungen: „Jeder Nazi ist ein Hurensohn.“