Nachlese zur Geflüchteten-Konferenz am Samstag, den 17. Juni in Mannheim
Wir haben am Samstag in Mannheim unsere ganztägige Geflüchteten-Konferenz gemacht. Es waren 35 bis 40 Menschen gekommen, die aber nicht alle die ganze Zeit über anwesend waren.
Zur Einführung gab es vom Bündnis gegen Abschiebungen ein Input zum gesellschaftlichen Kontext des heutigen Rassismus und der Notwendigkeit seiner radikalen Bekämpfung (radikal im Sinne von: das Übel an der Wurzel packen!) Von einem Vertreter des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg wurden rechtliche Probleme rund um das Asylverfahren und insbesondere Tipps für die so genannte Anhörung erörtert.
Dann stellten einige Gruppen aus Mannheim ihre Projekte hinsichtlich der Unterstützung von Geflüchteten kurz vor. Das war zum Einen die Gruppe nice to meet you, die Musik und andere kulturelle Veranstaltungen organisiert, um den alltäglichen tristen Alltag der Geflüchteten etwas aufzuhellen und menschlicher zu gestalten.
Im Jugendzentrum (Juz) „Friedrich Dürr“, dem Ort der Konferenz, findet einmal in der Woche nachmittags von 15.30 bis 18.00 Uhr das Café Refugee Welcome statt. Auch hierüber wurde berichtet. Hier haben Geflüchtete, die zum großen Teil sehr jung sind, die Gelegenheit, alle Möglichkeiten des unabhängigen Juz ohne Konsumzwang zu nutzen. Wer Rat wegen seines Asylverfahrens sucht, kann hier auch schon erste Infos und Adressen von Anwält*innen erhalten.
Geflüchtete können im Juz auch an kostenlosen Sprachkursen teilnehmen, eine Fahrradwerkstatt nutzen und zweimal wöchentlich schmackhaftes und gesundes vegetarisches und veganes Essen genießen !
Als dritte Gruppe stellte sich das Radioprojekt für Geflüchtete im unabhängigen Radio Bermudafunk vor. Hier können Geflüchtete lernen, selbst einen Radiobeitrag zu erstellen und zu senden.
Danach machten wir eine einstündige Mittagspause. Dabei konnte ein leckerer Eintopf mit Salat aus der Vokü des Jugendzentrums gegessen werden. Nachmittags gab es einen ausführlichen Bericht über die krassen unzumutbaren Verhältnisse in einem Lager für Geflüchtete in Mannheim. Anwesende Bewohner haben dies in spontanen Beiträgen eindrucksvoll bestätigt. Sie betonten, dass sie schon mehrmals den Verantwortlichen gegenüber konkrete Beschwerden vorgebracht hätten, die aber keine Änderung bewirkt hätten.
Die Bewohner*Innen dürfen keinerlei Elektrogeräte in ihren Zimmern haben. Sie haben weder einen Kühlschrank noch ein Radio oder ein Fernsehgerät. Sie können sich weder Kaffee noch Tee kochen.
Bewohner*innen und Besucher*innen unterliegen einer rigiden Kontrolle. Geflüchtete, die sich im Asylfolgeverfahren befinden, erhalten bei der Ankunft in der BEA (Bedarforientierte Erstaufnahmeeinrichtung) ein vierseitiges A4-Papier. Darauf befindet sich ein Strichcode und die Adresse des Lagers sowie der Vermerk Aufenthalt beschränkt auf Land Baden-Württemberg. Auf dem Papier ist ein Passfoto mit Stempel vom Regierungspräsidium Baden-Württemberg. Weiterhin steht auf dem Papier in dicker Schrift das Wort Notwohnung. Ein solches Papier scheint eine Neuheit zu sein. Es wird für die totale Überwachung der Bewohner*innen beim Verlassen des Gebäudes genutzt. Auch die Daten der Besucher*innen werden erfasst. Wenn die Bewohner*innen mit Taschen in das Lager kommen, werden von Beschäftigten der Security ihre Taschen kontrolliert. In Einzelfällen wird auch der Körper gescannt bzw. durchsucht.
Die Bewohner*innen haben Null Privatsphäre.Ihre Zimmer können sie nicht abschließen, auch ihre Schränke oder Spinde nicht. Die dort lebenden alleinstehenden Frauen rücken oft am Abend einen Schrank oder einen Tisch von innen vor ihre Tür, weil sie Angst vor Übergriffen und Diebstählen haben. Angestellte des Sicherheitsdienstes kommen wie in einem Gefängnis regelmäßig unangemeldet in die Zimmer, manchmal sogar mitten in der Nacht.
Es gibt keine Kochgelegenheit, zweimal am Tag müssen sich die Geflüchteten zu bestimmten Zeiten abgepacktes schlechtes, immer gleiches Essen, mit kaum Abwechslung abholen. Die Geflüchteten sagen, das Essen sei oft ungenießbar.
Die Essensausgabe wird bei jedem Geflüchteten auf dem beschriebenen Papier vermerkt und somit die Anwesenheit kontrolliert. Wer sich länger als 7 Tage nicht im Lager aufhält, wird der weitere Zutritt zum Lager verwehrt.
Nach dem Workshop über das Lager gab es einen Workshop zur Selbstorganisation von Geflüchteten von der Gruppe Space Heidelberg.
Die Gruppe schreibt zu ihrem Selbstverständnis:
Space bildet eine Plattform, in der wir als Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete unsere Erfahrungen, Ideen und Forderungen für eine gerechte Welt an die Öffentlichkeit tragen. Wir sprechen nicht über Geflüchtete, sondern als Geflüchtete und mit Geflüchteten. Unser Schwerpunkt ist das Thema Flucht und Asyl als Teil eines komplexen Systems, in dem Ungerechtigkeit und Gewalt in verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereichen untrennbar miteinander verbunden sind.
Wir sind mit der Beteiligung, dem Verlauf und dem Ergebnis der Konferenz zufrieden.
Sie war geprägt von einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts.
Wichtig waren auch die Infos zum Lager. Die teilnehmenden Geflüchteten und Unterstützer*innen zogen am Ende der Konferenz auch eine praktische Konsequenz: Sie wollen gemeinsam die schlimmen Zustände in dem erwähnten Lager öffentlich skandalisieren. Das Ziel ist, dafür zu sorgen, dass diese Zustände möglichst schnell geändert werden und die Bedürfnisse der Bewohner*innen angemessen berücksichtigt werden.
Die Zustände grundsätzlich zu ändern, die Lager beispielsweise letztlich abzuschaffen und gleiche Rechte für alle durchzusetzen, macht es nötig, dass mehr Menschen auch von den Betroffenen selbst aktiv werden.
Wir waren uns daher am Ende der Konferenz einig, dass die Vernetzung von antirassistischen Gruppen in der Rhein-Neckar-Region unbedingt möglichst schnell vorangetrieben werden muss und die einzelnen Gruppen mehr miteinander kooperieren, um den sich ausbreitenden Rassismus in allen seinen Formen und egal von wem er kommt, zu stoppen.
BgA Mannheim