Darum werden Flüchtlinge nicht nach Bulgarien abgeschoben

Erstveröffentlicht: 
12.06.2017

Flüchtlinge müssen in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie zuerst ankommen. So sieht es das Dublin-Abkommen vor. Das Verwaltungsgericht in Hannover hat dennoch vor einigen Wochen geurteilt, dass ein Flüchtling und seine Familie nicht zurück nach Bulgarien geschickt werden dürfen. Unser Hörer Prof. Jobst Henker fragt deshalb: Herrschen in einigen EU-Mitgliedsstaaten derart inhumane Verhältnisse, dass eine Rückführung von Flüchtlingen in solche Länder der Erstaufnahme nicht möglich ist?

 

Von Stephan Ozsvath, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa

 

Dieser 14-jährige afghanische Flüchtling hat an Bulgarien keine guten Erinnerungen: "Wir waren einen Monat in Bulgarien, niemand hat uns gefragt, was wir hier machen. Wir wollten nach Frankreich. Die Polizei hat uns oft geschlagen, die Leute in Bulgarien waren nicht gut zu uns", erzählt er. Bulgarische Schlepper hatten ihn in einen Lkw gepfercht. Dass die kroatische Polizei den Laster stoppt, rettet dem jungen Afghanen das Leben. 

 

Nationalisten machen Jagd auf Flüchtlinge


Immer wieder machen bulgarische Nationalisten mobil gegen Flüchtlinge. Selbsternannte Grenzschützer machten eine Zeitlang Jagd auf Migranten. 2016 wurden aus Mitteleuropa noch 624 Flüchtlinge nach Bulgarien abgeschoben, in diesem Jahr waren es keine 200 mehr.

 

Iljana Sawowa vom Sofioter Helsinki-Komitee bestätigt die Misshandlungen. Noch letztes Jahr habe es "Push Backs" gegeben: Menschen, die über die grüne Grenze ins Land zu kommen versuchten, seien mit Gewalt daran gehindert worden, auch Frauen und Kinder. "Alles wurde ihnen abgenommen, Gegenstände, Geld. Sie mussten sich ausziehen, es gab körperliche Gewalt, Nahrung und Wasser wurde ihnen abgenommen und sie wurden in die Türkei zurück geschoben. Das taten Polizisten, die eigentlich Menschenrechte und Ordnung schützen sollen." 

 

Die Stimmung ist feindselig


Jeder zweite Bulgare sieht die Fremden im Land als Bedrohung an, so eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Stimmung ist entsprechend feindselig. Aus Brüssel kommt Geld für den Zaun an der Grenze zur Türkei, aber auch für die Flüchtlingsunterkünfte, in denen derzeit etwa 2.100 Menschen leben, die meisten Syrer.

 

"Mit den EU-Geldern sollte man keine Unterkünfte bauen", schimpft eine Bulgarin. Stattdessen sollte man die Flüchtlinge "in Flugzeuge stecken und dorthin zurückschicken, woher sie gekommen sind".

Zwei syrische Familien, deren Asyl anerkannt wurde, wurden aus den Dörfern weggejagt, in denen sie sich ansiedeln wollten. Und die Nationalisten, die die Demonstrationen gegen die Flüchtlinge organisiert haben, regieren jetzt mit. "Letzlich wollen wir, dass diese Menschen zurück nach Hause gehen", sagt Regierungschef Bojko Borissov. Die 1.200 Quotenflüchtlinge werde er aufnehmen, aber nicht mehr.

 

In diesem Jahr hat Bulgarien schon 1.000 Flüchtlinge abgeschoben, die meisten sind Afghanen. Eine funktionierende Integrationspolitik gebe es praktisch nicht, meint Iljana Sawowa vom Helsinki Komitee in Sofia. Die Situation in Bulgarien sei so, wie sie das Gericht in Hannover beschrieben habe. Seit Jahresbeginn gebe es im Grunde keinen Integrationsplan wie früher. Das heißt: Jeder mit Asylstatus könne im Wortsinne morgen auf die Straße gesetzt werden – ohne Geld oder sonstige Hilfe. "Das ist eine objektive Tatsache", sagt sie.